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Tag: 1. November 2012 - Der Kreuzberger

Kreativ in Kreuzberg

»Die besten Ideen habe ich, wenn ich sie bei anderen schon gesehen habe.« Und sind es nicht die besten Ideen, die sich aus einem marktwirtschaftlichen Kalkül heraus verwerten lassen?

Die erste Bemerkung erinnert mich an die Reaktionen mancher angesichts eines sehr hoch bewerteten abstrakten Ölbildes: »Das kann ich auch malen.« Gemeint ist: »Da steckt wenig Arbeit drin«, als ob Kunst nach Stundensatz abgerechnet würde, oder »Das ist keine Kunst«, was zugegebenermaßen eine – eventuell nicht informierte – Meinungsäußerung ist. Zusammen betrachtet dürften die Meinungsgeber mit einer Leinwand, wenigen Arbeitsstunden und ohne lästigen Anspruch, einen Haufen Geld verdienen. Dazu kann ich nur sagen: Dann los!

Die zweite Bemerkung berührt die historische und aktuelle Entwicklung der Kunstverwertung. Eines will ich dazu sagen: Die Ideen anderer lassen sich gut verkaufen. Dies bezieht sich auf die Kommerzialisierung eines Trendbezirks, z.B. das Abfotografieren von Street Art, Graffitis und Wandmalereien, die Vermarktung als Postkarten o.ä. wobei meistens die Urheber nicht mal erwähnt werden. Es findet ein Kannibalismus statt, bei dem sich Vermarkter unreflektiert auf die Ideen und Arbeit Anderer fokussieren, ohne den Einsatz eigener Kreativität. Der zu Grunde liegende Anspruch begnügt sich mit einer Anbiederung an touristische Erwartungen. Dazu gehört auch die Kategorie der platten Abarbeitung von Bauwerken, wie Brücken und Kirchen, die an die belanglosen Ansichtskarten mit der Aufschrift »Grüße aus …« erinnern.

Daraus zu schließen, dass Fotos von Street Art und Bauwerken prinzipiell unkreativ sind, ist falsch. Manche Fotografen gehen thematisch vor und zeigen in Bilderserien aussagekräftige künstlerisch-persönliche Interpretationen. Im Einzelnen spielt dabei sowohl der eigene Anspruch, als auch die öffentliche Kritik eine Rolle. Das Gesamtergebnis einer lokalen Kreativitätsbilanz gibt Aufschluss über ein Selbstverständnis, gerade wenn diese Aktivitäten dem eigenen Umfeld entspringen. Daran erkennt man eine gewisse Ehrlichkeit und Authentizität.

»Street-Arts dürfen im Rahmen der Panoramafreiheit von Dritten fotografiert und die Fotos verwertet werden, ohne dass der Künstler in diesen Fällen etwas dagegen ausrichten kann. Bleibt nur das Recht der Künstler, bei Verwertung ihrer Werke genannt zu werden, sofern dies möglich ist.«

Privatisiere den Görlitzer Park!

Mir fällt die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raumes auf.

Daher wäre es konsequent, den leicht mit Gittertüren abzuschließenden Park zu privatisieren. Hunde, Drogendealer, übermäßiges Grillen wären damit unter Kontrolle gebracht. Eintrittsgelder würden die Grünpflege und das Sauberhalten finanzieren. Zu überlegen wäre die Zulassung von Verkaufsbuden entlang der bereits geteerten Gehwegachse. Noch eine Einnahmequelle… So viele Probleme auf einem Mal gelöst!

Keine gute Idee? Große Bereiche des engen Straßenraumes im Wrangelkiez sind bereits vom Bezirk an private Geschäftsinteressen vermietet: Speziell an Gaststätten, die weit über ihre beanspruchte Mietfläche hinaus weitere Quadratmeter Gehweg mit Stühlen und Tischen besetzen, frei nach dem Motto »Legal, illegal, Fresslokal«. Wie war das wieder mit dem illegalen Besetzen und der Berliner Linie?

Darüber hinaus wird die Nutzung des öffentlichen Raumes durch private Videokameras (im Wrangelkiez z.B. Kaiser’s, Green Bamboo) und andere Methoden kontrolliert. Beim Malen vor Ort in der Dieffenbachstraße kam ein Mann schnurstracks auf mich zu und verlangte, dass ich mit dem Malen sofort aufhören solle. Er gab sich als der Hauseigentümer aus und wollte nicht, dass das Haus »abgebildet« wird. Da ich ihm nicht gehorchte und weiter an der Leinwand pinselte, rief er die Polizei an. Zwei Beamte erschienen sodann am Tatort und redeten mit ihm. Wahrscheinlich wurde der Mann über den Begriff »Panoramafreiheit« unterrichtet. Dann sind sie alle gegangen, ohne mich weiter zu belästigen. Die künstlerische Freiheit lebt noch!

Geschrieben von William Wires, Oktober 2012




Kiezterroristen – Von rücksichtslosen Radfahrern und Baumscheibenfetischisten

Meine werten Leserinnen und Leser, normalerweise schieße ich mit meinen literarischen Spitzen gegen die Regime-Führung und die sogenannten oberen Zehntausend. Nun gibt es aber auch unter uns, in den eigenen Reihen, Menschen die Praktiken anwenden, die es wert sind, einmal genauer beleuchtet und kommentiert zu werden. Ich ergreife zum Einen Partei für Kinder, Fußgänger und andere, ohne Fortbewegungsmittel am Verkehr Teilnehmende, und zum Anderen für Hunde und deren Bedürfnisse wenn ich sage: So nicht!

Eigentlich wäre dieser Bericht eine Aufgabe für Schröder, unseren Vize-Chefredakteur und somit V.i.S.d.P. (Verantwortlich im Sinne des Presserechts). Jedoch lässt sein Zehn-Krallen-Suchsystem immer noch zu wünschen übrig, so dass ich stellvertretend für ihn in die Tasten haue, um den Unmut kund zu tun, der in den, im Absatz zuvor erwähnten Personen- und Tierkreisen aufkocht.

Es geht, wie an der Überschrift unschwer zu erkennen ist, um das leidige Thema Radfahrer und ihr Verhältnis zum Straßenverkehr, sowie um die Baumscheibenfetischisten, die den ganzen Kiez mit ihren Begrünungs- und Zaunbau-Aktionen verschönern.

 

Die RadfahrerInnen

Ob Autofahrer oder Fußgänger, in einem sind sich beide Parteien einig. Das gemeinsame Feindbild sind die RadfahrerInnen. Auf der Fahrbahn drängeln sie sich zwischen den Autos hindurch und ab und an, wenn das Augenmaß versagt, touchieren sie einen Außenspiegel oder sie schrammen mit dem Lenker am Auto entlang. Sie überfahren rote Ampeln und auch sonst versuchen sie, stets auf ihren Vorteil bedacht, die Verkehrsregeln in jeder Hinsicht zu ignorieren. Die beliebteste Ausrede für notorische Gehweg-RadfahrerInnen lautet: »Die Straße beziehungsweise der Radweg ist in einem schlechten Zustand« oder »Auf dem Kopfsteinpflaster kann man doch nicht fahren!«.

Mein Kommentar dazu lautet: »Dann schiebt euer verdammtes Scheiß-Fahrrad!« Ich fahre schließlich auch nicht mit dem Auto auf dem Rad- beziehungsweise Gehweg, nur weil in der Fahrbahn Schlaglöcher klaffen, die das Fahrwerk und die Stoßdämpfer beschädigen oder weil das Kopfsteinpflaster beim darüber hinwegfahren die Kohlensäure aus meinem Champagner schüttelt. Es gibt sogar einige RadfahrerInnen, die sich erdreisten, Fußgänger auf dem Gehweg anzuklingeln, um sich vorbeizudrängeln.

An dieser Stelle möchte ich gleich eine eigene Erfahrung in den Bericht einfließen lassen. Darum erwähne ich den Vorfall, bei dem ich mit Schröder (dem vierbeinigen Vize-Chefredakteur) und einer durchaus charmanten Begleitung die Oberbaumbrücke von Kreuzberg nach Friedrichshain hin überquerte. Auf dem Fußgängerweg, der unter dem U-Bahn Viadukt entlang führt, kam uns ein Radfahrer entgegen. Er befand sich nicht nur nicht auf dem Radweg, sondern fuhr zudem entgegengesetzt zur Fahrtrichtung. Schröder, der einer Hundefährte folgend die Brücke im Zick-Zack Modus überquerte, kreuzte unweigerlich den Weg des Radfahrers, der daraufhin abbremsen musste, um ihn nicht über den Haufen zu fahren. Der Radfahrer kommentierte Schröders Verhalten mit einem verachtenden: »Scheiß Hunde. Nimm den Köter an die Leine«. Für mich die Einladung, das frustrierte Bellen, welches Schröder dem Radfahrer entgegnete, in eine deutliche Sprache zu übersetzten: »Verpiss dich Penner, sonst furz ich dich dahin zurück, wo du hergekommen bist. Fährst auf dem Gehweg und reißt noch das Maul auf, Arschloch!«. (Schade, dass ich kein Foto gemacht habe. Wäre doch ein netter Kandidat für das Arschloch des Monats gewesen.) Der Radfahrer hielt an und stieg vom Fahrrad. Als ich mich auf ihn zubewegte, um ihn in eine, der Situation angemessen freundliche Konversation zu verwickeln, stieg er jedoch auf sein Rad und tat das, was ich ihm empfohlen hatte, er verpisste sich.

Dies ist nur ein Beispiel von vielen, die ich selber erlebt habe oder wie sie mir von anderen KiezeanerInnen berichtet werden. Interssantes Pflaster ist auch die Falckensteinstraße. Hier finden nicht nur regelrechte, sondern auch regelwidrige Radwanderungen statt. Nach dem Motto: »Ist die Lücke noch so klein, ich ras´ mit meinem Rad´l rein«, heizen RadfahrerInnen aller Klassen über die Gehwege. Oftmals so dicht an der Hauswand entlang und mit einem Tempo, welches jeden Bremsversuch gegenüber einer plötzlich aus der Haustür heraustretenden Personen kläglich scheitern lassen würde. Das Regime schert sich, wie sonst auch, einen Dreck um diese unhaltbaren Zustände. Dabei müsste nur der schon seit längerem in den Köpfen der Verantwortlichen vorliegende Plan umgesetzt werden, welcher vorsieht, RadfahrerInnen, wie allen anderen VerkehrsteilnehmerInnen auch, die schneller als mit Schrittgeschwindigkeit fahren, zu einem Nummernschild und einer Haftpflichtversicherung zu verhelfen. Ich bin mir sicher, dass sich dann ein Großteil der RadfahrerInnen wieder an die Regeln im Verkehr erinnern würde. Spätestens wenn die ersten Bußgeldbescheide ins Haus flattern. Damit wäre dann die Gleichheit gegenüber Autofahrern, Motorradfahrern, Hundehaltern und anderen – stets im Fokus von Recht und Ordnung Stehenden – wieder hergestellt.

 

Die Baumscheibenfetischisten

Nun zu einem nicht minder ärgerlichem Personenkreis oder wie eine gute Idee zum Deutschtum verkommt. Vor Jahren hatten einige Verantwortliche in dieser Stadt die Idee, die Pflege von verwahrlosten und von Hundekot überschwemmten Baumscheiben in die verantwortungsvollen Hände der BürgerInnen zu legen. Seitdem die Stadt den Baumscheiben-Paten Förderungen für die Begrünung bezahlt, ist die Bürgersteigbebauung sprunghaft angestiegen. Jedes Jahr kommen neue „zwangsbegrünte« Baumscheiben hinzu, die von kleinbürgerlichen Pflanzfetischisten mit Grünzeug überfrachtet werden. Mittlerweile kann man sich an fast jedem Baum in der Görlitzer Straße, zwischen Falckensteinstraße und Cuvrystraße, dank einer zaunartigen Sitzgelegenheit, niederlassen und die Pracht bewundern (Bis das Männlein kommt und mit erhobenem Zeigefinger schimpft: »Hinfort, das ist nicht deine Bank…«). In der Wrangelstraße und selbstverständlich auch in vielen anderen Straßen und Bezirken Berlins sieht es nicht anders aus.

So weit so gut. Dabei gibt es aber auch noch ein weiters Problem. Die zahlreichen Hunde in dieser Stadt und ihr Drang nach Verrichtung ihrer Notdurft. Entleert sich der Hund auf dem Gehweg, werden die HalterInnen angepöbelt, wenn sie nicht schnell genug den Kotbeutel zücken. Uriniert der Hund an die Hauswand, das Auto oder das Motorrad, beschweren sich – verständlicher Weise – die Bewohner und Besitzer. Gehen Hundehalter-Innen in den Park um ihre Vierbeiner die Notdurft verrichten zu lassen, lauern dort die Wegelagerer vom Ordnungsamt, um Bußgeld zu kassieren. Nun frage ich, ohne die Erwartung einer Antwort: Wohin sollen die Hunde machen?

In Anlehnung an die Initiative Mediaspree, die gegen die Bebauung vom Spreeufer ankämpft und im Zuge dessen fordert: »Spreeufer für alle!«, habe ich am 31. Juli 2012, die Initiative »Kreuzberger Hundebaumscheiben« gegründet, die sich der fortschreiten Einzäunung und Begrünung von Baumscheiben entgegenstellt, um die artgerechte Entleerung der Vierbeiner sicherzustellen.

Als erste Amtshandlung habe ich die Patenschaft für einen Baum in der Görlitzer Straße 43 (Baumnr. 107) beantragt. Da mein Antrag auf die Baumscheibenpatenschaft zum 25. September 2012, durch den zuständigen Verantwortlichen im Grünflächenamt genehmigt wurde, steht der Errichtung von Berlins erster Hundenotdurftverrichtungsstelle nichts mehr im Weg.

Wer die Initiative zu unterstützen oder ihr beizutreten mag (selbstverständlich kostenlos, jedoch nicht tatenlos), ist herzlich eingeladen sich bei mir zu melden.




At The Soul Inn – Monatliche Soul-Party im Lido – Rare Grooves und Live-Musik

Vielleicht habe ich euch im Ausklang meines letzten Tresentests ein wenig zu viel versprochen, als ich schrieb: Das nächste Mal gibt es wieder einen Bericht über einen Tresen, an dem ihr euch nach Herzenslust besaufen, darauf einschlafen oder auf ihm tanzen könnt. Das mit dem Besaufen geht in jedem Fall klar, aber ob ihr an dem diesmal vorgestellten Tresen auch so ohne Weiteres einschlafen beziehungsweise auf ihm tanzen dürft, wage ich zu bezweifeln.

Bei meinem Besuch der SOUL INN Party war der Empfang durch das Sicherheitspersonal zwar sehr freundlich, jedoch glaube ich nicht, dass irgendeiner von ihnen es dulden würde, den knapp bemessenen Platz an der Bar durch schlafende Partybremsen besetzen zu lassen oder gar den Einsturz des Tresens durch ein paar übermütig tanzende Gäste zu riskieren. Nachdem ich geklärt habe was nicht geht, komme ich nun zu den Dingen, die gehen: Interessante Location, gute Musik, entspannte Leute und eine Raucherloge. Aber eins nach dem anderen…

Es war der erste Samstag im Monat und das Lido lud zur allmonatlichen AT THE SOUL INN-Party. Meiner finanziellen Bedürftigkeit und der Idee eines Redaktionsmitglieds und Mitarbeiters der Party, über diesen Abend zu berichten, ist es zu verdanken, dass ich auf der Gästeliste stand und somit für Lau hineinkam.

Als ich die Schwelle zum Eingang überschritt, war es exakt 00:04 Uhr. Auf der Tanzfläche wippten die Geschlechtsmerkmale auf und ab und hin und her und ließen den Spaß an der Freude augenscheinlich werden. Kurz darauf stand der Ideengeber zu diesem Bericht vor mir, begrüßte mich und drückte mir einen Getränkebon in die Hand mit den Worten: »Hier hol dir erst mal was zu trinken.« Gesagt getan, stand ich am Tresen und eine Minute später mit dem Getränk meiner Wahl wieder an der Tanzfläche. Der Saal füllte sich nach und nach und bis zum Aufspielen des Live-Gigs war noch ein wenig Zeit. So begab ich mich auf die Erkundungsrunde im Lido.

 

Die Location

Das Lido ist ein ehemaliges Kino, dass seit 2006 neben Konzerten auch Partys wie die SOUL INN beheimatet. Der ehemalige Kinosaal ist mit einem hölzerner Tanzboden ausgestattet. An die Wände projezierte Bilder und auf alten Fernsehgeräten laufende Soul-Clips runden das Ambiente des Saals ab. An Abenden wie diesem, wenn eine Band ihren auftritt, fehlen die ansonsten auf der Bühne befindlichen Couch, Sessel und die Stehlampe aus Großmutters Zeiten. Abseits der Tanzfläche im überdachten Außenbereich findet sich die Fortsetzung der Dekoration aus dem Kinosaal in Bildern von Soul Künstlern wieder. Im Außenbereich befindet sich neben der zweiten Bar und der Garderobe außerdem der Raucher-Innenbereich in dem der Sucht gefrönt werden darf.

 

Die Gäste

Den Machern der AT THE SOUL INN-Party kann ein dickes fettes Lob ausgesprochen werden. Seit sechs Jahren veranstalten sie die Party, bei der die Gäste so entspannt und geschmeidig daher kommen, dass sich umgehend nach dem Betreten der Location ein Ich-Bin-Willkommen-Gefühl breit macht. Und das, obwohl ich – vom Erscheinungsbild her – komplett aus dem Rahmen fiel (Kreuzberger Straßenklamotte contra teilweise eleganten Zwirn). Aber das hat der Veranstalter bereits auf seiner Internetseite angekündigt: Bei der SOUL INN geht es nicht ums Hip sein – es geht um die Musik und das Tanzen! Da ich nicht tanzen kann, konzentrierte ich mich auf den Grund meiner Anwesenheit, die Faktensammlung und Recherche. Vom Alter her bewegte sich das Publikum zwischen 25 und 45 Jahren. Vermutlich war es die bunte Mischung aus Studenten, Touris, Alt-Kreuzbergern, älteren Herrschaften und einigen anderen Szene-Typen, die das Gesamtbild abrundeten.

 

Die Macher

Um ein wenig mehr über die SOUL INN-Party zu erfahren, verwickelte ich die Veranstalter und DJs Christian G. (nicht verwandt oder liiert mit Gitta G.!) und Kristian A. im Wechsel ihrer Pausen in ein Gespräch. Dabei erfuhr ich, dass Christian G. eigentlich Sport- und Gymnastiklehrer ist und seit 15 Jahren in Berlin lebt. Kristian A., ist gebürtiger Erkelenzer und wohnt seit 2 Jahren in Köln und Brüssel, wo er bei den Grünen arbeitet. Gemeinsam hatten sie 2006 die Idee zur AT THE SOUL INN-Party. Seit dem kommt Kristian A. ein Mal im Monat nach Berlin und gemeinsam bereiten sie Location für den Abend vor. Sie begleiten ihre Gäste den Abend über mit ihrer Musik und am Ende, wenn der letzte Gast das Lido verlassen hat, räumen sie wieder auf.

Meine Frage nach ihren Beweggründen die SOUL INN zu veranstalten, antwortete mir Christian G. »Soul Singles zu sammeln ist ein teures Hobby. Da ist schön sich ein paar Euro dazu zu verdienen. Wenn man so viel Geld für Platten ausgibt, dann möchte man außerdem diese Musik auch in der Öffentlichkeit spielen, dafür ist sie ja schließlich gemacht worden«.

 

Die Musik

Wer das Lido kennt weiß und wer es nicht kennt, dem sei gesagt, dass das Lido als Veranstaltungsort Konzerte und Partys verschiedener Stilrichtungen veranstaltet und somit eine genaue Festlegung auf ein Genre nicht möglich ist. Auf die SOUL INN bezogen, bewegt sich die Musik im Bereich der 50ies, 60ies Rhythm & Blues, Early Soul, Northern Soul bis hin zu Deep Funk und Modern Soul. Es kann auch schon mal vorkommen, dass sich einer der Djs dazu hinreißen lässt, das eine oder andere Reggae- oder Ska-Set abzuspielen. Was bei der SOUL INN, im Bereich der musikalischen Darbietung ganz sicher keine Priorität besitzt, ist der glatte Übergang zwischen den Liedern. Kaum ein Beat gleicht dem des vorangegangenen Liedes. Wie bereits eingangs erwähnt, spielte an diesem Abend eine Band, die ich in diesem Bericht nicht unerwähnt lassen möchte. Die sechs Jungs kamen aus San Francisco und der Name ihrer Band hatte den stilvollen Namen »Monophonics«.

 

Die Getränke

Die Getränkekarte bietet eine Standardauswahl der üblichen Szenegetränke. Nachstehend habe ich eine kleine Auswahl derer mit Preisangaben aufgeführt.

Astra/Carlsberg 3,00 Euro

Hefeweizen 3,50 Euro

Longdrinks 6,00 Euro

Softdrinks 2,00 Euro

Kaffee 1,50 Euro

At THE SOUL INN: Immer am 1. Samstag im Monat und immer im Lido (Cuvrystr. 7 Ecke Schlesische Str.), http://soulinn.de/




Das Piepvögelchen vom Görli – Dorit Schneider-Maas, Portrait einer Illustratorin aus Kreuzberg

Nachdem ich mit »Horch und Guck – Meisterspione a.D.« und »Neukölln ist Überall«, zwei Bücher für die Erwachsene, kritische Leserschaft vorgestellt habe, möchte ich es nicht versäumen eine Frau vorzustellen, die Bücher für den Nachwuchs illustriert.

In einem Portrait stelle ich euch Dorit Schneider-Maas vor. Sie lebt seit einigen Jahren in Berlin-Kreuzberg und genießt das Leben im Kiez. Damit ich mich nicht mit fremden Federn schmücke, weise ich darauf hin, dass mir der Text vom Schlehdorn Verlag zur Verfügung gestellt wurde.

Bunt. Kotti. Falafel im Görlitzer Park.

Dorit Schneider-Maas, geboren 1981, studierte Architektur und Stadtgeschichte. Heute lebt sie in ihrer Wahlheimat Berlin.

»Ich habe einen komplizierten Lebenslauf«, sagt sie von sich selbst, aber der Weg zur Illustratorin war sehr einfach. »Ich sah den Aushang: WIR SUCHEN ILLUSTRATOREN! Und da dachte ich, versuche ich’s mal«.

Das Leben hält Überraschungen bereit und so begann ihre Karriere mit der »Piepvögelchen«-Reihe des Schlehdorn Verlages. Heute ist sie froh, den Schritt gewagt zu haben.

Ihr Leben als Kinderbuchillustratorin führt sie noch nicht lange, »Ich habe erst vor drei Jahren so richtig damit angefangen«. Dennoch ist sie bereits sehr erfolgreich und hat sich schon einen Namen gemacht.

Auf die Frage, warum sie sich Kreuzberg ausgesucht hat, schmunzelt sie »Kreuzberg ist für mich am meisten Berlin. Es ist der gemischteste Bezirk von allen«.

Die eigene Zufriedenheit mit dem Ergebnis ihrer Arbeit steht für sie an oberster Stelle, ob es den anderen gefällt ist für sie zweitrangig.

Auf die Frage nach ihrem eigenen Stil lacht sie. »Ich glaube ich bin noch in der Findungsphase«. Sie liebt das Komplizierte, Bilder, bei denen man denkt »Boa, das hat richtig viel Arbeit gekostet«. Aber andererseits mag sie die »Herausforderung, mit wenigen Strichen etwas Schönes zu schaffen«.

Die Liebe zum Zeichnen begleitet die Dorit schon seit Kindertagen. »Mein Vater hat viel gezeichnet und mir schöne Bilder hinterlassen«.

Momentan genießt sie ihr Mutterglück, mit einer »Mischung aus Albernheit und Leichtigkeit« beschreibt sie ihr Leben. Aber sie will zurück zur Illustration und wünscht sich für ihre Zukunft, dass sie sich mit der Kunst ein festes Standbein aufbauen kann.

Es gibt noch viele Spielarten der Illustration, in denen sich die junge Frau ausprobieren möchte. Für ihre private Zukunft hofft sie, »es geht so weiter, wie es im Moment ist«.

 

Kurzinterview

Wie lange bist du in Kreuzberg?

Seit fünf Jahren.

Deine Lieblingsorte in Kreuzberg?

Das Kanaldreieck, die Panierstraßen Brücke (neue Admiralsbrücke) dort gibt es den schönsten Sonnenuntergang.

Kreuzberg in 3 Worten?

Bunt. Kottbusser Tor und der Falafel Mann im Görlitzer Park.

Was macht Kreuzberg für dich aus?

Ich wohne in einer Ecke, was noch das alte Kreuzberg ist – Ofenheizungswohnung! (lacht)

Dein Leben in 3 Worten?

Milla. Milla. Milla.

 

Bücher von Dorit Schneider-Maas:
»Piepvögelchen und der Schmetterling«
ISBN 978-3-94-1693-00-5
»Piepvögelchen tanzt Ballett«
ISBN 978-3-94-1693-01-2
»Piepvögelchen hat Geburtstag«
ISBN 978-3-94-1693-02-9
Im Internet unter:
www.piepvögelchen.de und
www.schlehdorn-verlag.de




“Neukölln ist überall” – Das Buch von Heinz Buschkowskys (Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln) in Rezension

Mit dem Hintergedanken, mir auch endlich mal das Maul über ein von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommenes und von den Medien (zumeist negativ) kritisiertes Buch zu zerreißen, bestellte ich mir für eine Rezension das Buch »Neukölln ist überall«, von Heinz Buschkowsky, erschienen im Ullstein Verlag. Als ich das Paket mit dem vermeintlich brisanten Inhalt vom Postboten überreicht bekam, machte ich mich sogleich daran den Inhalt zu sezieren.

Nun, was soll ich euch schreiben. Ich fand nichts, absolut rein gar nichts, was irgendeinen Anlass geben könnte, dieses Buch als eine Ansammlung von Hirngespinsten, Unwahrheiten oder gar rassistischen Äußerungen zu bezeichnen. All denen, die sich das Maul zerrissen haben, kann ich nur unterstellen, sie haben das Buch nicht oder zumindest nicht aufmerksam genug gelesen oder sie leben völlig an der Realität vorbei und kennen den Bezirk Neukölln nur vom Hörensagen.

Das einzige Manko an diesem Buch, und darauf sind die meisten Kritiker angesprungen – vermutlich, weil es nichts weiter zu kritisieren gab – ist, dass Buschkowsky in seinem Bericht zur Lage der Nation eine Aufzählung vermissen lässt, die erfolgreiche Unternehmen darzustellen, gegründet von »n.d.H.-Bürgern und -Bürgerinnen«. Lediglich fünf Zeilen (S. 357) in dem 381 Seiten starken Buch widmet er diesem Thema.

Im Kern berichtet Buschkowsky über die Missstände in den Familien und den Bildungseinrichtungen sowie über die Hilflosigkeit der verschiedensten Gremien gegenüber familiären Strukturen und Traditionen.

Zunächst jedoch macht er Werbung für sein Neukölln. Er verweist auf erfolgreiche, weltweit anerkannten Unternehmen und ihre technischen Innovationen. Er zeigt geschichtliche, kulturelle und gesellschaftliche Höhepunkte seines Bezirks auf. Und er ist voll des Lobes über die Menschen, die diese Umstände zu schätzen wissen (ab S. 17) und – trotz der Probleme vor Ort – ihrer Heimat nicht den Rücken kehren.

Er schreibt über das Für und Wider von staatlichen Leistungen und er hält uns das wahre geistige Niveau (S. 303) sowie die wahre Gesinnung (S. 371) unserer Regierungselite vor Augen. Im Anschluss geht er dazu über aufzuzeigen, welche Erfahrungen er bei seinen Besuchen in anderen europäischen Städten gemacht hat, insbesondere bezüglich deren Umgang mit Schulschwänzern, Arbeitsverweigerern und intergrations- und anpassungsunwilligen Bürgerinnen und Bürgern.

Für die schulpflichtige Jugend ist ebenfalls der eine oder andere brauchbare Satz in dem Buch enthalten. Der für die SchülerInnen wohl ›nützlichste‹ Satz lautet: »Schule ist angeordnete Freiheitsberaubung« (S. 344). Mit dem Vermerk, dass dieses Zitat von Bürgermeister Buschkowsky persönlich stammt (auch wenn aus dem Zusammenhang gerissen), merke ich nicht ganz ernst gemeint an, dass einige SchülerInnen versuchen könnten, die Schulpflicht als gegenstandslos einzustufen.

Darüber hinaus hinterfragt Buschkowsky die Gerechtigkeit des Staates gegenüber »bio-Deutschen«, die bei jedem nicht einhalten der staatlichen Vorgaben – sei es beim Jobcenter oder im Straßenverkehr – mit Sanktionen zu rechnen haben, während bei integrations- und/oder lernunwilligen sowie kriminellen Personen jede Missachtung der Vorgaben folgenlos geduldet wird (S. 358). Diesbezüglich zitiert er einen Jugendrichter, der resigniert fragt: »Wie verrückt muss eine Gesellschaft sein, die noch Kindergeld für Kinder zahlt, die andere halb totgeschlagen haben und im Knast sitzen?« (S. 364).

Es gibt endlose Anmerkungen, die ich mir beim Lesen schriftlich festgehalten habe, um sie in diesen Bericht kommentiert mit einfließen zu lassen. Jedoch würde eine Behandlung dieser Kommentare den Rahmen sprengen, so dass ich nur punktuell und kurz auf einige Stellen in dem Buch eingehe.

In einigen, von ihm beschriebenen Fällen war ich nicht konform mit seinen Ansichten – vermutlich weil mir das Hintergrundwissen und seine Erfahrungswerte fehlen – in den meisten Fällen jedoch glaube ich den von ihm niedergeschriebenen Angaben. Zumal Buschkowsky sich auch auf die Erfahrungen von Personen bezieht, beziehungsweise diese in seinem Werk zu Wort kommen lässt, die in vorderster Front gegen die von ihm aufgeführten Probleme ankämpfen oder es zumindest versuchen. Darunter sind Polizisten, LehrerInnen, LeiterInnen von Bildungseinrichtungen sowie Amtskollegen aus dem Ausland, mit denen er im Erfahrungsaustausch stand.

Darüber hinaus lässt er seine Erfahrungen aus einem Treffen mit Thilo Sarrazin mit in das Buch einfließen.

Am Ende kann ich die Rezension mit einem Zitat aus dem Buch abschließen, welches den gesamten niedergeschriebenen Inhalt kurz und knapp an einer Frage fest macht: »Das Modell der Albert-Schweitzer Schule als Ganztagsgymnasium mit spezieller Sprachförderung kostet jährlich 220.000 Euro mehr als die übliche Schulform. Das ist der Gegenwert von fünf Jugendknastplätzen. Die Gesellschaft kann sich also entscheiden, ob sie fünf Knackis ernähren oder 690 Gymnasiasten zum Abitur führen will.«.

 

Fazit

Alle Menschen, die in Neukölln leben beziehungsweise die mit offenen Augen und Ohren durch das Leben gehen, kennen die in dem Buch beschriebenen Probleme oder haben sie im schlimmsten Fall selbst erlebt und benötigen deshalb die darin enthaltenen Informationen nicht wirklich. Für alle anderen ist »Neukölln ist überall« ein Werk, welches sich lohnt zu lesen, um zu begreifen, wie einige, sich in der Unterzahl befindliche Mitmenschen es schaffen, partiell das gesamte Wertegefüge des Systems ins Wanken, ja teilweise sogar zum Einsturz zu bringen.

 

»Neukölln ist überall«

Heinz Buschkowsky

ISBN 978-3-550-08011-1

Ullstein Verlag

Preis 19,99 Euro

www.ullstein.de




Der Selbstverlag – Buchdruck für Jedermann

Nachdem die gesamte Redaktion vom Kreuzberger in den vergangenen Monaten dem Stress der Buchveröffentlichung von „Horch und Guck – Meisterspione a.D.“ (Seite 6 und 7) ausgesetzt war, was läge da näher, als euch einen Trend vorzustellen, dem immer mehr Autoren folgen. Dem Selbstverlag. Der Selbstverlag bietet jedem die Möglichkeit, seine niedergeschriebenen Zeilen zu veröffentlichen. Dabei gibt es jedoch gewisse Spielregeln zu beachten. Eines ist zumindest unumstritten: Wer ein Buch veröffentlichen möchte, benötigt zu aller erst die Idee und erstellt darauf basierend ein Manuskript. Ist dieser Teil abgeschlossen, setzt sich ein Prozess in Gang, den ich euch im Folgenden kurz beschreibe.

Das Lektorat

Neben dem Druck und der Werbung ist das Korrigieren der Texte die finanziell aufwendigste Begleiterscheinung auf dem Weg zum eigenen Buch. Ist man selber nicht Herr jeder Spitzfindigkeit der Deutschen Sprache, so sollte ein professionelles Lektorat das Werk überarbeiten. Hierbei wird der Preis meistens nach Anzahl der Zeichen berechnet. Je nach Quantität und Qualität können dabei Summen von mehreren tausend Euro zusammenkommen. Auch in der Qualität der Korrektur gibt es Unterschiede. So gibt es zum einen die reine Korrektur, von Zeichen- und Rechtschreibfehlern und dann die, die auch den Inhalt berücksichtigt, heißt, Zusammenhänge und Angaben auf ihre Richtigkeit hin überprüft.

 

Der Satz

Damit das Buch am Ende in einem ordentlichen Erscheinungsbild daherkommt, sollten Vorgaben in der Darstellungen von Druckwerken eingehalten werden. Nun kann man diesbezüglich mit viel Geld in der Tasche ebenfalls einen Profi beauftragen oder man hat einen guten Bekannten der einem, aufgrund beruflicher Erfahrungen weiterhelfen kann. Die günstigste, jedoch nicht professionellste Variante ist, man nimmt sich fünf sechs Bücher aus der heimischen Bibliothek, schaut sich die Darstellung der Texte und Bilder an und adaptiert die Art und Weise der Text- und Bildausrichtung für das eigene Werk.

 

Der Druck

Ist der Punkt erreicht, an dem alle Fehler im Text und in der Darstellung des Inhalts (Satz) beseitigt sind und ein druckfertiges PDF-Dokument auf dem Rechner liegt, stellt sich die Frage nach der richtigen Druckerei. Es tummeln sich hunderte von ihnen auf dem Markt. Hierbei zu sagen, wer die Beste oder die Günstigste ist, ist fast unmöglich. Selbstverständlich gibt es hoch qualifizierte und technisierte Unternehmen, die einen auf alle Belange ausgerichteten und perfekten Buchdruck erstellen. Aber diese Unternehmen liegen zumeist Lichtjahre von den Preisvorstellungen und Stückzahlproduktionen der SelbstverlegerInnen entfernt. Von daher lasse ich diese außen vor und beschränke mich auf die für mich vom Preis-Leistung-Verhältnis her in Frage kommenden Unternehmen.

„Book-on-demand“ lautet das Zauberwort beim Selbstverlag. Meine Nachforschungen haben ergeben, dass der durchschnittliche Herstellungspreis für Bücher im einstelligen Euro Bereich liegt. Die Preisgestaltung hängt selbstverständlich von einigen Faktoren ab und fällt unterschiedlich aus. Ein Buch kann pro Exemplar schon mal vier Euro mehr kosten, wenn anstatt eines Softcover ein „Hardcover“ gewünscht ist. Genauso hängt es von der Seitenzahl, der Bindung und der Art des verwendeten Papiers ab. Maßgeblich entscheidet jedoch die Auflage des Buches über den Endpreis. Da kann der Preis zwischen einer Auflage von 50 Exemplaren und einer von 500 Exemplaren um einige Euro pro Buch schwanken. Doch Vorsicht ist geboten. Einige der Anbieter fesseln ihre Kunden an mehrjährigen Verträge.

 

Das E-Book

Die Erstellung eines E-Books ist mit der fortschreitenden Verbreitung elektronischer Lesegeräte vermutlich sehr ratsam. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern sich I-Pad und E-Book-Reader in Zukunft auf dem Markt durchsetzen werden. Bisher kostet die Erstellung eines E-Books zirka 250 Euro. Wer das nötige Kleingeld hat, um sich mit der notwendigen Software auszustatten, kann sich mit Adobe-Indesign CS5 (und alle Nachfolgeversionen) ein eigenes E-Book erstellen, welches laut Herstellerangaben lesegerät-kompatibel ist. Informationen und Lehrfilme hierzu stellt Adobe im Internet zur Verfügung.

 

Die Vertriebswege

Woran kaum ein Weg vorbei führt, wenn das Werk für den Handel interessant sein soll, ist die Beantragung einer ISBN Nummer. Diese kostet derzeit 85 Euro und ist erhältlich unter:

http://www.german-isbn.de/cgi-bin/isbn_2010.exe/showlogin?page=isbn_startseite.html

Zu der ISBN Nummer erhält man einen weiteren Antrag auf die Eintragung in die Liste vom Verlag Lieferbarer Bücher (VLB). Und nun fangen sich die Geister an zu streiten. Die einen sagen »die Eintragung ist elementar notwendig«, die anderen sagen »Libri und Amazon sind die Hauptvertriebsformen«.

In einem sind sich jedoch alle gleich, sie nehmen horrende Rabatte für die Aufnahme in ihren Bestandskatalog. Während Amazon und VLB alles vertreiben und dafür kassieren (VLB 73 Euro/jährlich, Amazon je nach Vertrag), nimmt Libri nur Bücher in sein Barsortiment auf, welche nach eingehender Prüfung durch die hauseigene Qualitätsabteilung den Kriterien des Unternehmens Stand halten. Eigentlich eine lobenswerte Vorgehensweise, hilft dem kleinen Selbstverleger aber gar nicht. Libri ist eines der Unternehmen, auf das die Buchhändler routinemäßig zugreifen wenn sie ein Buch suchen beziehungsweise bestellen. Diesen Umstand lässt sich Libri mit bis zu über 60 Prozent vom Verkaufspreis auch anständig bezahlen.

 

Die Werbung

Wie bereits erwähnt, ist die Werbung neben dem Druck und den Kosten des Lektorats einer der finanziell gewichtigsten Posten, um ein Buch zum Erfolg zu bringen. Dies ist der Punkt, an dem die Meisten kläglich scheitern. Kaum einer hat das fachliche Wissen, die Kontakte oder das nötige Kleingeld, um eine ausgefeilte Werbekampagne zu starten, derer es eigentlich bedürfte, um ein Buch bekannt zu machen.

Bei meiner Recherche bin ich außerdem auf Firmen gestoßen, die für einen Preis von 300 bis 500 Euro (und natürlich auch darüber hinaus) die Auslage des Werkes bei einer der einschlägig bekannten Buchmessen anbieten. Der Erfolg dieser Aktionen entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

Durch die Hilfe von Computern und Internet sowie ausgefeilten, preiswerten Druck- und Verarbeitungstechniken, kann ich unterm Strich sagen, es war noch nie so leicht wie heute, sein eigenes Buch zu schreiben, herzustellen und zu veröffentlichen. Damit kann ich wieder einmal verkünden: So etwas hat es früher nicht gegeben!

Euer Trend-Scout




Horch & Guck: Das Buch! – Jetzt! – Endlich! – Neu! – Alle Geschichten! – Sofort kaufen!

Guck kam mit einer Kiste unter dem Arm ins Büro. »Hey Horch, schau mal was ich hier habe.«

»Was denn, sind das die Formulare für die Beantragung deiner Frührente?«, fragte Horch.

»Nein mein Freund, dass sind die ersten Exemplare von unserem Buch.«

»Echt? Geil, zeig her«, forderte Horch seinen Freund ungeduldig auf.

Guck warf ihm ein Exemplar rüber.

»Hier, fang.«

»Ha, das Bild auf dem Umschlag ist gut geworden. Ich bin mal gespannt, was die Leute zu den neuen Geschichten sagen.«

»Ich auch«, erwiderte Guck. »Selbst diejenigen, die schon einen Teil der Geschichten aus der Zeitung kennen, werden aufgrund der fehlenden Pressezensur noch viel Neues finden.«

»Darüber hinaus sind ja auch Geschichten darin enthalten, die noch nicht veröffentlicht wurden.«, fügte Horch an. »Nimm zum Beispiel die Geschichte mit Dennis und seiner Verhaftung oder als mich die staatlich bezahlten Denunzianten unschuldig verurteilt haben.«

»Ja, und die Geschichte am Teufelsberg kennt auch noch keiner«, erwiderte Guck.

»Außerdem habe ich dem Autor noch ein paar Dinge verraten, die er vorher noch nicht wusste«, freute sich Horch. »Ich vermute mal ganz stark, dass er diese Informa-

tionen bei der Überarbeitung der Texte auch mit hat einfließen lassen.«

»Ich frage mich die ganze Zeit, ob es nicht besser gewesen wäre, das Buch vor der Veröffentlichung unserem Anwalt zum Gegenlesen vorzulegen«, äußerte Guck seine Bedenken.

»Ach Quatsch«, erwiderte Horch. »Der hätte bloß wieder das Beste herausge-

strichen. Außerdem mussten sich die in dem Buch erwähnten Personen ganz schön anstrengen, um von mir beleidigt zu werden. Das schafft nicht jeder und ist sozusagen schon fast eine Auszeichnung – wenn auch eine sehr fragwürdige, aber immerhin«.

»Mach du nur deine Witze. Ich bin mal auf dein Gesicht gespannt, wenn die Zensurbehörde den Warnhinweis auf der Rückseite entdeckt und diesem auf den Grund geht.«

»Pah, wenn die unser Buch auf den Index setzen sollten, renne ich höchstpersönlich durch sämtliche regimekritischen Läden der Stadt und rühre die Werbetrommel«, entgegnete Horch.

»Und was machen wir wenn sich die Bullen angepisst fühlen oder die Richterin, die du verbal ganz schön aufs Korn genommen hast?«

»Denen schenken wir ein signiertes Buch, das muss reichen«, wiegelte Horch die Bedenken seines Freundes ab.

»Nun, dann wollen wir mal hoffen, dass die Leute das Buch auch kaufen, sonst muss ich, um den Kredit abzubezahlen, den ich für die Herstellung aufgenommen habe, wieder Treppen putzen gehen«, sagte Horch. Guck grinste nur.

»Du brauchst gar nicht so blöd zu grinsen«, fuhr Horch seinen Freund an. »Für dich finde ich auch noch eine Arbeit. Schließlich willst du ja auch deinen Anteil vom Gewinn ab haben. Mit gefangen, mit gehangen.«

»Hast du dir einmal ausgerechnet, was für uns dabei hängen bleibt?«, fragte Guck.

»Habe ich«, erwiderte Horch. »Aber damit wir Millionäre werden, müssten wir über fünfhunderttausend Bücher verkaufen. Reicht die Aussage?«

»Wie? Und wer kassiert den Rest der Kohle?«, fragte Guck erstaunt.

»Ganz einfach. Die Herstellung von dem Buch kostet 3,62 Euro. Der Vertrieb, also der Buchhandel, erhält vierzig Prozent Provision, was bei einem Verkaufspreis von 8,90 Euro ungefähr 3,60 Euro sind. Hinzu kommen…«

»Moment mal«, unterbrach Horch seinen Freund. »Sollte das Buch nicht ursprünglich nur 6,95 Euro kosten?«

»Ja, aber der Handel verlangt vierzig, manchmal sogar sechzig Prozent Rabatt und da hätten wir bei 3,62 Euro Herstellungskosten zuzüglich der ungefähr 3,50 Euro für den Händlerrabatt mit 7,12 Euro bereits 17 Cent pro verkauftem Buch draufgezahlt. Dazu kommen aber noch die Gebühren von 85 Euro für die ISBN Nummer, noch einmal zirka 75 Euro die Eintragung in die Liste beim Verlag Lieferbarer Bücher, ohne die, nach meinen Informationen, eine Vermarktung fast unmöglich erscheint und zum guten Schluss noch die Werbung für das Buch. Wenn ich das Ganze nun durch die Auflage teile, kommt ein Stückpreis von 8,06 Euro dabei heraus, was bedeutet, dass jeder von uns beiden Pappnasen zweiundvierzig Eurocent pro verkauftem Exemplar erhält. Allerdings vor Steuer.«

»Hm, und dafür den ganzen Aufriss?«, fragte Guck enttäuscht.

»Das musst du optimistischer sehen. Immerhin habe ich mit der Kreditgeberin vereinbart, dass sie ein Horch und Guck Hörbuch produzieren lässt, wenn sich das Buch verkaufen sollte«, versuchte Horch seinen Freund zu beruhigen.

»Genau. Erzähl mir jetzt noch was von Hollywood«, fuhr Guck seinen Freund an.

»Das hatte ich jetzt als Nächstes vor«, sagte Horch und grinste.

»Spinner«, fuhr Guck ihn an.

»Nein, Spaß beiseite. Jeder Schreiberling bekommt, wenn er Glück hat – und sein Buch verlegt wird – 50 Eurocent für jedes verkaufte Exemplar. Nur die Autoren, die wirklich viele Bücher verkaufen, bekommen mehr und können davon leben. Der Rest frisst den Kitt aus den Fenstern.«

»Dafür hätte ich kein Buch schreiben müssen« , entgegnete Guck. »Die tägliche Haferschleimsuppe schmeckt vermutlich nicht viel besser als der Kitt aus den Fensterrahmen.«

»Nur das der Kitt aus unseren Fensterrahmen bei deinem Hunger vermutlich nicht mal eine Woche reichen würde«, fügte Horch lachend an. »Du könntest das Buch auch in 65 Sprachen übersetzen und versuchen es auf dem Weltmarkt zu etablieren. Vielleicht bringt das den von dir ersehnten Erfolg. Ich für meinen Teil werde mich jetzt auf die Couch legen und das Buch lesen.« Sprachs, legte sich hin, schlug das Buch auf und fing an zu lesen:

Es war Donnerstag und ein herrlicher Sommertag. Die Sonne schien an einem strahlend blauen Himmel. Horch und Guck saßen in der S-Bahn, die sie bis zum Bahnhof Heerstraße bringen sollte.

»Wann fängt die Führung an?«, fragte Guck.

»Welche Führung?«, schaute Horch seinen Freund fragend an.

»Na, die vom Teufelsberg.«

»Heute gibt es keine Führung. Die finden nur am Wochenende statt.«

»Und was sollen wir dann heute da?«, fragte Guck erstaunt.

»Wie? Was sollen wir da? Wir schauen uns die alten Anlagen an.«

»Und wie willst du da reinkommen? So weit ich weiß, haben die einen Wachdienst.«

»Der ist aber nicht immer vor Ort und das Schloss am Eingang wird ja wohl kein Problem darstellen. Das habe ich ruck zuck auf.«

»Du willst dort einbrechen?«, fragte Guck erschrocken.

»Nenne es, wie du willst. Ich will einfach nur frei von Touristenführungen die Ruhe genießen und in Erinnerungen schwelgen. Und nun sortiere deine Knochen, wir müssen an der nächsten Station raus.«

»Ich fasse es nicht. Du fragst mich, ob ich Lust auf einen Ausflug habe, und nimmst mich mit zu einem Einbruch!«

»Stell dich doch nicht so an. Es ist ja nicht der Tresor von Fort Knox, sondern nur eine schäbige alte Ruine, in die wir einbrechen. Da werden die uns schon nicht für jagen. Außerdem, bis die Zehlendorfer Bullen aus ihren Startlöchern kommen, sind wir längst wieder weg.«

»Bei welcher Geschichte bist du gerade?«, unterbrach Guck seinen Freud beim Lesen.

»Ich bin bei der Geschichte vom Teufelsberg, wo wir den Wachmann getroffen haben. Warte ich lese mal vor«, antwortete Horch:

»Mir fällt spontan nur die ein«, antwortete Horch, »als ich mit einer Tastenkombination, die ich bis heute nicht rekonstruiert bekomme, den Zentralcomputer außer Gefecht gesetzt habe. Meine Fresse, die Jungs waren vielleicht sauer. Zum Glück haben die nicht mitbekommen, dass ich der Schuldige war.« Lachend erinnerte sich Guck an die Situation.

»Das war echt der Hammer. Du hast die komplette Luftraumüberwachung, den Funkverkehr und die Abhörzentrale lahm gelegt. Die Amis haben erst geglaubt, irgendein Terrorist hätte eine Bombe gelegt, aber weit und breit war ja nichts explodiert. Als sie dann festgestellt hatten, dass der Fehler hausgemacht war, sind sie schier durchgedreht.«

»Durchgedreht ist noch harmlos formuliert, der General ist geplatzt vor Wut. Durch den Absturz vom Zentralrechner konnte nicht nur der Geheimdienst nicht mehr arbeiten, es sind auch noch horchbrisante Daten verloren gegangen.«

»Echt?«, hakte der Wachmann nach. »Haben die jemals herausbekommen, dass du das warst?«

»Zum Glück nicht«, antwortete Horch. »Ich habe mich an mein Funkgerät gesetzt und unwissend gestellt. Damals waren die mit der Technik noch nicht soweit, dass sie intern hätten zurückverfolgen können, wer für das Chaos verantwortlich gewesen ist. Aber nach dem Vorfall wurden die Zugriffsrechte für die Computer stark eingeschränkt.«

»Oder weißt du noch«, fuhr Horch fort, »als du die scharfe Munition in dem Gewehr vom General gegen Übungsmunition ausgetauscht hast, als der auf Jagd gegangen ist, um für den Grillabend der Kompanie ein Wildschwein zu erlegen?«

»Das hättest du sehen müssen«, sagte Guck lachend zu dem Wachmann. »Erst hat man nur einen Schuss gehört, dann mehrere hintereinander, und auf einmal schrie der General auf. In diesem Moment müssen die Wildschweine zum Gegenangriff angesetzt und den General somit vom Jäger zum Gejagten gemacht haben.«

»Meine Fresse, der General hatte ein Tempo drauf, unglaublich«, warf Horch ein, »und direkt hinter ihm die Wildschweine in gesammelter Formation. Der Wachposten hat die Lage zum Glück schnell genug erkannt und das Tor direkt hinter dem General geschlossen, ansonsten hätten die Wildschweine mit ihm kurzen Prozess gemacht.«

Horch & Guck, Die Meisterspione a. D.

Damit auch ihr euch zurücklehnen und das komplette Werk genießen könnt, spaziert zur nächsten Buchhandlung*, wo das Buch für euch bereit liegen sollte. Falls vergriffen, bestellt es direkt vor Ort oder über:

Draufhau Verlag, Oliver Jung

Cuvrystraße 33, 10997 Berlin

E-Mail: draufhauverlag@web.de

»Horch und Guck -Meisterspione a.D.«

107 Seiten

Preis 8,90 Euro

Draufhau Verlag

ISBN 978-3-00-039723-3

 

unter anderem erhältlich bei Kirsch & Co. in der Oranienstraße 25 und beim Gemischtwarenladen in der Manteuffelstr. 99.




Kapitalismus oder Du sollst keine anderen Götter neben mir haben

Die derzeitige Situation um den Euro herum würde ich als ›PreCrash-Phase‹ bezeichnen. Alle spüren, dass es nicht so weitergehen kann und dennoch entspringt dem kein Impuls zu handeln. Ich bekomme noch die Brötchen beim Bäcker, in der Kneipe mein Bier, also was soll mir passieren.

»(…) Dazu gehört die eigentümliche Staatsfeindlichkeit totalitärer Ideologien, die sich nicht zufällig lieber als Bewegung denn als Partei verstehen. Alles irgend durch Regeln Gebundene, Kontrollierbare und darum Statische muss verdampfen vor dem dynamischen Prinzip der Bewegung. Alles Individuelle, Traditionsbestimmte, kulturell Besondere und Widerständige soll durch den Kapitalismus wie durch ein reinigendes Fegefeuer, an dessen Ende die eine, gleichförmige und erlöste Welt steht.«

Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1955).

Es wird gerne so getan, als wären die Gesetze der herrschenden kapitalistischen Ökonomie nah an der absoluten Wahrheit, so wie ein unabänderliches Naturgesetz, weshalb es zu ihr auch keine Alternativen geben könne. Dabei wird unterschlagen, dass die Welt bereits vor dieser Ökonomie existiert hat, dass die gesamte Wirtschaft eine Erfindung des Menschen ist. Erst im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Ökonomie als unabhängige Wissenschaft begründet und die Menschen nachfolgend dahin gebracht, sich selbst und die Gesellschaft in ökonomischen Begriffen zu verstehen. Vorher hatte es noch keine effektive, autonome ökonomische Logik gegeben, da ökonomische Beziehungen durch andere Institutionen geregelt wurden: religiöser, sozialer, verwandtschaftlicher Art.

Streng genommen gibt es außerhalb theoretischer Modelle überhaupt keine »Gesetze der Ökonomie« und von Absolutheit kann in diesem Zusammenhang schon gar nicht die Rede sein. Würde es diese absoluten Gesetze der Ökonomie geben, dann dürfte es keine Wirtschaftskrisen geben, denn an- hand dieser angeblichen »Gesetze der absoluten Wahrheit« müsste es ja möglich sein, jede Krise vorauszusehen und sie schon im Vorfeld durch entsprechende Maßnahmen, die wiederum aus den ökonomischen »Ge- setzen« hergeleitet würden, abzuwenden. Demnach müssten wir eigentlich in paradiesischen Zuständen leben, denn diese Ökonomie sollte es doch möglich machen, den aufgrund erhöhter Produktivität und Automatisierung erwirtschafteten Reichtum unter allen Menschen aufzuteilen. Nur hat die Sache einen Haken – es wäre dann kein Kapitalismus mehr, dessen oberste Maxime egoistisches, ungehemmtes Gewinnstreben ist und dem durch Kapitalanhäufung und -konzentration Strukturen innewohnen, die letztendlich auf die Aufhebung des Wettbewerbs hinauslaufen. Offensichtlich funktioniert dieses System einfach nicht für den Großteil der Menschheit und genau genommen ist es darauf auch nicht angelegt.

Trotz gesellschaftlicher Reichtumsmehrung gibt es gleichzeitig eine ungeheure Verschärfung des weltweiten Elends und der Umweltzerstörung, breiten sich Armut und Bedürftigkeit sowohl global als auch innerhalb der Metropolengesellschaften aus. Das ist auf die innere Widerspruchslogik eines gesellschaftlichen Systems zurückzuführen, in dem das Geld nicht einfach nur Tausch- und Zahlungsmittel, sondern reiner Selbstzweck ist. Es geht nicht darum, Produkte herzustellen, um sie anschließend zu tauschen, sondern jede einzelne Transaktion ist dem Zweck unterworfen, den Wert zu mehren: Aus Geld muss mehr Geld werden. Genau das bedeutet Kapitalismus – möglichst viel an Kapital, also Geld und Besitz. Es kommt zum Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen, da sie für den Produktions- und Konsumprozess nicht benötigt werden.

Die brutale Wirklichkeit des globalen Marktsystems, das darauf ausgerichtet ist Geld zu vermehren, die Gewinne bis ins Unendliche zu steigern und die Produktion als reinen Selbstzweck sieht, zeigt in ihrer Folge immer ungeschminkter die unübersehbaren Tendenzen der Zersetzung gesellschaftlicher Zusammenhänge, die nicht etwa das Produkt einer zu gering entwickelten Warenproduktion sind, sondern ihrer Verallgemeinerung.

Bedarf und Produktion wird nicht bewusst gegeneinander abgewogen, stattdessen ewig konkurrierende Unternehmen, die für anonyme Märkte produzieren. Wo aber keine Kommunikation zwischen den Produzenten selber stattfindet und die Produktion in keinem Verhältnis mehr zum wirklichen Bedarf steht, tritt die Kostensenkung um jeden Preis auf den Plan, damit die Konkurrenzfähigkeit gesichert wird.

Man kann die sich verselbstständigende Produktion mit einer Krebszelle vergleichen, die sich immer mehr ausbreitet und den gesamten sozialen »Organismus« übernimmt, in der alles Leben der Produktion unterworfen wird und sich dabei selbst zerstört. Natur, Tiere und Menschen sind nur Mittel zum Zweck, um immer mehr Profit zu er- wirtschaften. Alles wird nur in Hinblick auf seine Verwertbarkeit wahrgenommen: Menschen werden zu einer »Ressource«, zum (Menschen-)Material – zugeschnitten auf die Anforderungen der Maschine.

Der Wachstumszwang, unter dem alle anonymen Marktteilnehmer permanent stehen, und der eine ständig gesteigerte Produktivität nach sich zieht, hat absurde Folgen.

Anstatt z.B. die erforderliche Arbeitszeit für alle zu verkürzen, verlangt die »Vernunft« dieses Marktsystems, dass immer mehr Menschen arbeitslos werden, während für diejenigen, die noch einen Arbeitsplatz haben, die Arbeitszeit steigt und die Arbeitsintensität erhöht wird. Das macht innerhalb dieses Systems durchaus Sinn, potenziert sich doch so der Konkurrenzvorteil. Man möchte in diesem irren Wettstreit nicht untergehen, sondern möglichst einen der vordersten Plätze belegen. Kann man doch so mit weniger Arbeitskräften und erhöhter Produktivität mehr Waren produzieren.

Allerdings gerät die kapitalistische Produktionsweise dadurch auch logischerweise in einen Selbstwiderspruch, weil die durch Arbeit erschaffenen »ökonomischen Werte« durch zunehmende Produktivität und Automatisierung, wodurch wiederum weniger Arbeitskräfte benötigt werden, ausgehöhlt werden. Dieser Widersinn schlägt sich auf den Märkten dann als krasses Missverhältnis von einem immer größeren Warenangebot und schrumpfender Kaufkraft nieder. Wettbewerb ist mittlerweile kein »Mittel zur Existenz« mehr, sondern ist zum obersten Ziel aufgestiegen, und das nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch beim Staat und der gesamten Gesellschaft. Die Wettbewerbsfähigkeit der Nation wurde zum strategischen nationalen Ziel ersten Ranges erhoben – man will ja im internationalen Wettstreit nicht »unter die Räder« kommen. Ohne Wettbewerb kein Überleben, kein Wachstum, kein wirtschaftliches und soziales Wohlergehen. Jeder Einzelne müsse mithelfen, um in diesem globalen Krieg, je nachdem, wettbewerbsfähig zu sein, zu werden oder zu bleiben.

Das ist eine Folge der gängigen volkswirtschaftlichen Theorie, in denen die Wirtschaft wie etwas behandelt wird, dass mit Menschen in keinerlei Zusammenhang steht. Wirtschaft besteht demnach aus Vorgängen, die irgendwie passieren, die sich irgendwie selber regeln und an die sich der Mensch anzupassen hat und nicht umgekehrt. Adam Smith, einer der Begründer der klassischen Nationalökonomie, sprach 1776 in seinem Grundlagenwerk »Der Wohlstand der Nationen« schon religiös anmutend von der »unsichtbaren Hand«, durch welche angeblich die Wirtschaft in die richtigen Bahnen gelenkt würde. Sein Credo war, dass sich in einer absolut freien und vollkommen unregulierten Marktwirtschaft letztlich die selbstsüchtigen Eigeninteressen aller beteiligten Konsumenten, Produzenten und Investoren gegenseitig so einspielen, dass am Ende jeder davon profitiert. Damit war das egoistische Gewinnstreben nicht nur gerecht, sondern es wurde quasi als ein naturgesetzliches Gebot dargestellt, die sich selbst regulierende »natürliche Ordnung«, d.h. die völlige Freiheit der Verkehrs- und Tauschbeziehungen anzustreben, damit innerhalb der arbeitsteiligen Volkswirtschaft der privatwirtschaftliche Motor der Produktivitätssteigerung überhaupt erst wirksam werden konnte. Der Wohlstand ergibt sich aber nicht logischerweise aus der Arbeitsteilung, wie Smith das darstellte, sondern der Mehrwert beruht darauf, dass menschliche Arbeit mehr Wert schafft als sie kostet, was Tür und Tor für die Ausbeutung der Lohnarbeit weit öffnete.

Smith‘s Vorstellung ist ein Widerspruch in sich, weil sie unter anderem außer acht lässt, dass die Startbedingungen der Beteiligten ganz unterschiedlich sind, dass nicht vielen kleinen Verkäufern viele kleine Käufer gegenüber stehen. Seine Theorie kann letztendlich gar nicht zu allgemeinem Wohlstand führen, sondern statt dessen in die gesellschaftliche Krise eines sich verselbstständigenden Marktsystems. In der Realität setzen sich eben nicht nur Angebot und Nachfrage durch, von einem Ausgleich der Interessen kann keine Rede sein. Im Gegenteil, es bildet sich mit der Zeit eine, auf entsprechend »gute« Verbindungen zurückgreifende Lobbywirtschaft heraus, die letztendlich auf der Macht des Kapitalstärkeren basiert. Die Wettbewerbsfähigkeit beruht auf der Tatsache, dass die »Wahrheit« auf der Seite des technologisch, industriell und wirtschaftlich Stärkeren ist.

Indem sie der Leistungsstärke den absoluten Vorrang gibt, legitimiert sie die Beibehaltung struktureller Ungleichheiten zwischen Individuen, sozialen Gruppen, Regionen und Ländern. Die Kluft zwischen den entwickelten Ländern und dem Rest der Welt ist nicht ein, wie oft vorgegeben wird, zu überwindendes »Übel«, sondern Teil dieses Systems.

Nachdem sich die kapitalistisch moderne Warenproduktion als Weltsystem etabliert hat und in einem langen historischen Prozess nahezu alle anderen Formen von Gesellschaftlichkeit zerstört worden sind, zeigt sich ihr Scheitern auf grausame Weise aller- orten. Megastädte mit ebensolchen Slums, deren Bewohner die Müllkippen nach verwertbaren Resten durchstöbern, Menschen die in den Auffanglagern der UNO von den »humanitären Spenden« des Nordens leben müssen, Arbeiter, die sich rund um den Erdball in irgendwelchen Fabriken, die oft genug an Lager erinnern, den Großteil des Tages für einen Hungerlohn abrackern. Sie alle sind keine Überbleibsel eines vormodernen Zustands, sondern das Produkt einer Moderne, die ihnen keine andere Existenzmöglichkeit mehr lässt.

Diese Tendenz ist mittlerweile auch in den Westen vorgedrungen. Selbst wer noch Arbeit hat, kommt damit zunehmend nicht mehr über die Runden. Die schärfer werdende Konkurrenz unter den industrialisierten »Wettbewerbsstaaten« um die Bereitstellung von verwertungsfreundlichen Produktionsbedingungen wird zum non plus ultra. Jeder Arbeiternehmer steckt in einem permanenten Überlebenskampf, der dem Zwang von Umsätzen oder Profitraten, die das Unternehmen festlegt, untergeordnet ist. Es herrscht Massenarbeitslosigkeit, es gibt ein Leben am Rand des Existenzminimums, ein Leben in andauernder Unsicherheit, zunehmend sogar in der Mittelschicht. Der Auftrag des Staates in diesem System besteht nur noch darin, die für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen vorteilhaftesten Bedingungen zu schaffen. Der Staat ist nicht mehr der Förderer und Garant des Gemeinwohls und somit auch nicht mehr die politische Verkörperung des gemeinsamen öffentlichen Interesses.

Indem der Glaubenssatz akzeptiert wurde, dass es allein die Unternehmen sind, die im Zusammenhang mit der Globalisierung der Finanzmärkte, der Produktion und des Konsumverhaltens die Prioritäten festlegen in Sachen Investitionen, Auswahl der Produkte und Dienstleistung, Optimierung der Produktionsstandorte usw., wurde die Macht der Regierungen über die globale Wirtschaft den privaten Wirtschaftskräften übergeben und dadurch jede reelle autonome Gegenmacht bereitwillig aus der Hand gegeben. Die repräsentative Demokratie wurde auf Diskussionszirkel reduziert, deren regulierender Einfluss nur noch zum Schein besteht.

Gab es in den westlichen Industrienationen im 19. und 20. Jahrhundert langwierige (Arbeits-)Kämpfe, Aufstände, um die Exzesse des Kapitalismus in seine Schranken zu verweisen, führte man gegen seine Neigung, alles in handelbare Werte zu verwandeln, die Prinzipien von Gleichheit, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität ein, so hat man es heute mit einem »roll back« zu tun. Die Globalisierung der letzten Jahrzehnte »befreite« den Kapitalismus von all diesen Regeln. Außerhalb jeglicher sozialer und politischer Verantwortung stehend, versucht er in globalem Maßstab riesige Konzentrationen finanzieller, wirtschaftlicher und politischer Macht (wieder-)herzustellen. Mit Begriffen wie Globalisierung, Deregulierung, Flexibilität, Liberalisierung wird die Botschaft angeblicher Freiheit und Befreiung transportiert und dadurch vernebelt, dass diese Philosophie kein anderes Ziel kennt, als die Schaffung von immer mehr Reichtum, der dann in den Händen einer kleinen Minderheit von Privilegierten konzentriert wird. Mit allen Mitteln werden die Hindernisse bekämpft, die sich ihr bei der Profitmaximierung in den Weg stellen. Es wird suggeriert, sie allein sei fortschrittlich, vernünftig, wirtschaftswissenschaftlich, um fortschrittliches Denken und Handeln als »rückwärtsgewandt« abzukanzeln. »Fortschritt« bedeutet nach dieser kapitalistischen Philosophie, dass alle materiellen und immateriellen Güter und Dienstleistungen, einschließlich des Lebens (Patente auf Saatgut, Gene…) und der menschlichen Kreativität, in Waren zu verwandeln sind.

Trotz aller aktuellen Kritik am Kapitalismus klammert sich viele Menschen noch an die überholte Philosophie des Industriezeitalters und sind maximal fähig, Visionen zu entwickeln, die den vorgegebenen Rahmen nicht wirklich sprengen, die eher einen zum Scheitern verurteilten Versuch darstellen, die bisherigen Begriffsdefinitionen von Wachstum, Fortschritt und Entwicklung beizubehalten. Aber Millionen verhungernder Menschen, der Exodus unzähliger Tier- und Pflanzenarten, die nachhaltige Zerstörung der menschlichen Gesellschaft und ihrer Umwelt machen deutlich, das der Kapitalismus nicht zu retten ist – auch wenn es zwanghaft propagiert wird.

Wo der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt steht und die Natur zur Randerscheinung verkommt, gibt es genau zwei Möglichkeiten: Entweder paralysiert auf den Untergang zu warten und sich der Illusion hinzugeben, dass dieser Kelch hoffentlich an einem selbst vorübergeht, oder Wachstum und Fortschritt auf einer höheren, lebenserhaltenden und bewahrenden Ebene zu fordern und zu fördern – jenseits von Profitgier und Sozialdarwinismus.

Bildnachweis:

1 http://www.sxc.hu/photo/835377 –– »Dirty Money 3« von

Mateusz Atroszko

 

Geschrieben von Susanne aus Kreuzberg

(Gastbericht)