Guck kam mit einer Kiste unter dem Arm ins Büro. »Hey Horch, schau mal was ich hier habe.«
»Was denn, sind das die Formulare für die Beantragung deiner Frührente?«, fragte Horch.
»Nein mein Freund, dass sind die ersten Exemplare von unserem Buch.«
»Echt? Geil, zeig her«, forderte Horch seinen Freund ungeduldig auf.
Guck warf ihm ein Exemplar rüber.
»Hier, fang.«
»Ha, das Bild auf dem Umschlag ist gut geworden. Ich bin mal gespannt, was die Leute zu den neuen Geschichten sagen.«
»Ich auch«, erwiderte Guck. »Selbst diejenigen, die schon einen Teil der Geschichten aus der Zeitung kennen, werden aufgrund der fehlenden Pressezensur noch viel Neues finden.«
»Darüber hinaus sind ja auch Geschichten darin enthalten, die noch nicht veröffentlicht wurden.«, fügte Horch an. »Nimm zum Beispiel die Geschichte mit Dennis und seiner Verhaftung oder als mich die staatlich bezahlten Denunzianten unschuldig verurteilt haben.«
»Ja, und die Geschichte am Teufelsberg kennt auch noch keiner«, erwiderte Guck.
»Außerdem habe ich dem Autor noch ein paar Dinge verraten, die er vorher noch nicht wusste«, freute sich Horch. »Ich vermute mal ganz stark, dass er diese Informa-
tionen bei der Überarbeitung der Texte auch mit hat einfließen lassen.«
»Ich frage mich die ganze Zeit, ob es nicht besser gewesen wäre, das Buch vor der Veröffentlichung unserem Anwalt zum Gegenlesen vorzulegen«, äußerte Guck seine Bedenken.
»Ach Quatsch«, erwiderte Horch. »Der hätte bloß wieder das Beste herausge-
strichen. Außerdem mussten sich die in dem Buch erwähnten Personen ganz schön anstrengen, um von mir beleidigt zu werden. Das schafft nicht jeder und ist sozusagen schon fast eine Auszeichnung – wenn auch eine sehr fragwürdige, aber immerhin«.
»Mach du nur deine Witze. Ich bin mal auf dein Gesicht gespannt, wenn die Zensurbehörde den Warnhinweis auf der Rückseite entdeckt und diesem auf den Grund geht.«
»Pah, wenn die unser Buch auf den Index setzen sollten, renne ich höchstpersönlich durch sämtliche regimekritischen Läden der Stadt und rühre die Werbetrommel«, entgegnete Horch.
»Und was machen wir wenn sich die Bullen angepisst fühlen oder die Richterin, die du verbal ganz schön aufs Korn genommen hast?«
»Denen schenken wir ein signiertes Buch, das muss reichen«, wiegelte Horch die Bedenken seines Freundes ab.
»Nun, dann wollen wir mal hoffen, dass die Leute das Buch auch kaufen, sonst muss ich, um den Kredit abzubezahlen, den ich für die Herstellung aufgenommen habe, wieder Treppen putzen gehen«, sagte Horch. Guck grinste nur.
»Du brauchst gar nicht so blöd zu grinsen«, fuhr Horch seinen Freund an. »Für dich finde ich auch noch eine Arbeit. Schließlich willst du ja auch deinen Anteil vom Gewinn ab haben. Mit gefangen, mit gehangen.«
»Hast du dir einmal ausgerechnet, was für uns dabei hängen bleibt?«, fragte Guck.
»Habe ich«, erwiderte Horch. »Aber damit wir Millionäre werden, müssten wir über fünfhunderttausend Bücher verkaufen. Reicht die Aussage?«
»Wie? Und wer kassiert den Rest der Kohle?«, fragte Guck erstaunt.
»Ganz einfach. Die Herstellung von dem Buch kostet 3,62 Euro. Der Vertrieb, also der Buchhandel, erhält vierzig Prozent Provision, was bei einem Verkaufspreis von 8,90 Euro ungefähr 3,60 Euro sind. Hinzu kommen…«
»Moment mal«, unterbrach Horch seinen Freund. »Sollte das Buch nicht ursprünglich nur 6,95 Euro kosten?«
»Ja, aber der Handel verlangt vierzig, manchmal sogar sechzig Prozent Rabatt und da hätten wir bei 3,62 Euro Herstellungskosten zuzüglich der ungefähr 3,50 Euro für den Händlerrabatt mit 7,12 Euro bereits 17 Cent pro verkauftem Buch draufgezahlt. Dazu kommen aber noch die Gebühren von 85 Euro für die ISBN Nummer, noch einmal zirka 75 Euro die Eintragung in die Liste beim Verlag Lieferbarer Bücher, ohne die, nach meinen Informationen, eine Vermarktung fast unmöglich erscheint und zum guten Schluss noch die Werbung für das Buch. Wenn ich das Ganze nun durch die Auflage teile, kommt ein Stückpreis von 8,06 Euro dabei heraus, was bedeutet, dass jeder von uns beiden Pappnasen zweiundvierzig Eurocent pro verkauftem Exemplar erhält. Allerdings vor Steuer.«
»Hm, und dafür den ganzen Aufriss?«, fragte Guck enttäuscht.
»Das musst du optimistischer sehen. Immerhin habe ich mit der Kreditgeberin vereinbart, dass sie ein Horch und Guck Hörbuch produzieren lässt, wenn sich das Buch verkaufen sollte«, versuchte Horch seinen Freund zu beruhigen.
»Genau. Erzähl mir jetzt noch was von Hollywood«, fuhr Guck seinen Freund an.
»Das hatte ich jetzt als Nächstes vor«, sagte Horch und grinste.
»Spinner«, fuhr Guck ihn an.
»Nein, Spaß beiseite. Jeder Schreiberling bekommt, wenn er Glück hat – und sein Buch verlegt wird – 50 Eurocent für jedes verkaufte Exemplar. Nur die Autoren, die wirklich viele Bücher verkaufen, bekommen mehr und können davon leben. Der Rest frisst den Kitt aus den Fenstern.«
»Dafür hätte ich kein Buch schreiben müssen« , entgegnete Guck. »Die tägliche Haferschleimsuppe schmeckt vermutlich nicht viel besser als der Kitt aus den Fensterrahmen.«
»Nur das der Kitt aus unseren Fensterrahmen bei deinem Hunger vermutlich nicht mal eine Woche reichen würde«, fügte Horch lachend an. »Du könntest das Buch auch in 65 Sprachen übersetzen und versuchen es auf dem Weltmarkt zu etablieren. Vielleicht bringt das den von dir ersehnten Erfolg. Ich für meinen Teil werde mich jetzt auf die Couch legen und das Buch lesen.« Sprachs, legte sich hin, schlug das Buch auf und fing an zu lesen:
Es war Donnerstag und ein herrlicher Sommertag. Die Sonne schien an einem strahlend blauen Himmel. Horch und Guck saßen in der S-Bahn, die sie bis zum Bahnhof Heerstraße bringen sollte.
»Wann fängt die Führung an?«, fragte Guck.
»Welche Führung?«, schaute Horch seinen Freund fragend an.
»Na, die vom Teufelsberg.«
»Heute gibt es keine Führung. Die finden nur am Wochenende statt.«
»Und was sollen wir dann heute da?«, fragte Guck erstaunt.
»Wie? Was sollen wir da? Wir schauen uns die alten Anlagen an.«
»Und wie willst du da reinkommen? So weit ich weiß, haben die einen Wachdienst.«
»Der ist aber nicht immer vor Ort und das Schloss am Eingang wird ja wohl kein Problem darstellen. Das habe ich ruck zuck auf.«
»Du willst dort einbrechen?«, fragte Guck erschrocken.
»Nenne es, wie du willst. Ich will einfach nur frei von Touristenführungen die Ruhe genießen und in Erinnerungen schwelgen. Und nun sortiere deine Knochen, wir müssen an der nächsten Station raus.«
»Ich fasse es nicht. Du fragst mich, ob ich Lust auf einen Ausflug habe, und nimmst mich mit zu einem Einbruch!«
»Stell dich doch nicht so an. Es ist ja nicht der Tresor von Fort Knox, sondern nur eine schäbige alte Ruine, in die wir einbrechen. Da werden die uns schon nicht für jagen. Außerdem, bis die Zehlendorfer Bullen aus ihren Startlöchern kommen, sind wir längst wieder weg.«
»Bei welcher Geschichte bist du gerade?«, unterbrach Guck seinen Freud beim Lesen.
»Ich bin bei der Geschichte vom Teufelsberg, wo wir den Wachmann getroffen haben. Warte ich lese mal vor«, antwortete Horch:
»Mir fällt spontan nur die ein«, antwortete Horch, »als ich mit einer Tastenkombination, die ich bis heute nicht rekonstruiert bekomme, den Zentralcomputer außer Gefecht gesetzt habe. Meine Fresse, die Jungs waren vielleicht sauer. Zum Glück haben die nicht mitbekommen, dass ich der Schuldige war.« Lachend erinnerte sich Guck an die Situation.
»Das war echt der Hammer. Du hast die komplette Luftraumüberwachung, den Funkverkehr und die Abhörzentrale lahm gelegt. Die Amis haben erst geglaubt, irgendein Terrorist hätte eine Bombe gelegt, aber weit und breit war ja nichts explodiert. Als sie dann festgestellt hatten, dass der Fehler hausgemacht war, sind sie schier durchgedreht.«
»Durchgedreht ist noch harmlos formuliert, der General ist geplatzt vor Wut. Durch den Absturz vom Zentralrechner konnte nicht nur der Geheimdienst nicht mehr arbeiten, es sind auch noch horchbrisante Daten verloren gegangen.«
»Echt?«, hakte der Wachmann nach. »Haben die jemals herausbekommen, dass du das warst?«
»Zum Glück nicht«, antwortete Horch. »Ich habe mich an mein Funkgerät gesetzt und unwissend gestellt. Damals waren die mit der Technik noch nicht soweit, dass sie intern hätten zurückverfolgen können, wer für das Chaos verantwortlich gewesen ist. Aber nach dem Vorfall wurden die Zugriffsrechte für die Computer stark eingeschränkt.«
»Oder weißt du noch«, fuhr Horch fort, »als du die scharfe Munition in dem Gewehr vom General gegen Übungsmunition ausgetauscht hast, als der auf Jagd gegangen ist, um für den Grillabend der Kompanie ein Wildschwein zu erlegen?«
»Das hättest du sehen müssen«, sagte Guck lachend zu dem Wachmann. »Erst hat man nur einen Schuss gehört, dann mehrere hintereinander, und auf einmal schrie der General auf. In diesem Moment müssen die Wildschweine zum Gegenangriff angesetzt und den General somit vom Jäger zum Gejagten gemacht haben.«
»Meine Fresse, der General hatte ein Tempo drauf, unglaublich«, warf Horch ein, »und direkt hinter ihm die Wildschweine in gesammelter Formation. Der Wachposten hat die Lage zum Glück schnell genug erkannt und das Tor direkt hinter dem General geschlossen, ansonsten hätten die Wildschweine mit ihm kurzen Prozess gemacht.«
Horch & Guck, Die Meisterspione a. D.
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Draufhau Verlag, Oliver Jung
Cuvrystraße 33, 10997 Berlin
E-Mail: draufhauverlag@web.de
»Horch und Guck -Meisterspione a.D.«
107 Seiten
Preis 8,90 Euro
Draufhau Verlag
ISBN 978-3-00-039723-3
unter anderem erhältlich bei Kirsch & Co. in der Oranienstraße 25 und beim Gemischtwarenladen in der Manteuffelstr. 99.