Beruf Lebenskünstler? Von Haus aus sei er Lebenskünstler, erklärt Sebastian, 40 Jahre, der beruflich schon viel ausprobiert hat und momentan ein ganz besonders Projekt am Laufen hat: Mit handelsüblichen Gummibärchen veredelt er normale Waschbecken zu coolen Designerstücken.
Sebastian stammt aus Hannover. Dort hat er auch noch ein Atelier und pendelt deswegen regelmäßig zwischen Berlin und Hannover. Der Liebe wegen und wegen eines Jobs ist er nämlich vor einem halben Jahr nach Berlin gezogen und ist hier sehr zufrieden.
Zur künstlerischen Tätigkeit kam er auf Umwegen, nach einer Ausbildung zum Schwimmmeistergehilfen im Stadtbad Laatzen. Weil ihm aber kreative Arbeiten eindeutig mehr liegen, orientierte er sich noch mal um, verzierte erst Zimmertüren mit Glasscherben und veredelte Schränke mit Buntglas im Tiffany-Style. Von innen mit drehbaren Lichtern illuminiert, ergab das »sensationelle Effekte« und kam bei den Käufern unheimlich gut an. Nachdem Sebastian aber nicht der Typ ist, der sich gerne festlegt und des Profits wegen x-mal dasselbe machen will, hat er die Schrankveredlung nach einem Jahr selbstständiger Tätigkeit anderen überlassen und zwischendurch als Koch gearbeitet, wo er immerhin bei den Arrangements der Gerichte mit kreativen Ideen punkten konnte.
Zufällig kam er dann zur Sanitärveredlung. Ein weites Feld mit guter Perspektive: Waschbecken, Badewanne oder zumindest Duschwanne braucht jeder und benutzt sie mindestens ein- bis mehrmals am Tag. »Und dem wollte ich was Spielerisches verleihen.« So kam Sebastian auf die Idee, diese praktischen, aber meistens viel zu langweiligen Gebrauchsgegenstände von oben bis unten und rundum mit kunterbunt gemischten Gummibärchen zu beschichten. Das macht er jetzt im großen Stil unter dem Künstlernamen Eduardo Padrino und dem Label Sanitärveredlung Sesch, und sein Gummibärchen-Design hat schon jede Menge Fans.
Ganz neu ist die Idee nicht, aber total sympathisch, denn Gummibärchen liebt eigentlich jeder, und wer keine (mehr) nascht, verbindet damit zumindest schöne Kindheitserinnerungen.
Das hat auch Günther Siraky aus Reutlingen (Jahrgang 1962) erkannt, der ebenfalls Alltagsgegenstände umgestaltet und seit 2007 mit großen Aktionen auf seine »art of gum« aufmerksam macht. Da ging er mit einem alten, komplett mit Gummibärchen beklebten Mercedes-Benz auf Europa-Tour und bewies damit sowohl die Alltagstauglichkeit als auch das Kult-Potential von Gummibärchen-Kunst.
Und Johannes Cordes aus Meppen (57) hat sich auf Pop.Art mit Gummibärchen spezialisiert. Mit Tausenden der Bärchen klebt er großformatige Interpretationen von Warhol-Klassikern und knallbunte Comic-Kunst, lässt sich aber auch schon mal von Leonardo da Vinci oder René Magritte inspirieren.
Auf jeden Fall ist das Konzept Gummibärchen-Design ausbaufähig. Sebastians/Eduardos Gummibärchen-Waschbecken hat sich gut bewährt und den Langzeit-Alltagstest bestanden, wie zu erwarten war. Schließlich werden die angehefteten Bärchen nach allen Regeln der Sanitärveredlerkunst mit bis zu 35 Schichten flüssigem Kunststoff überzogen und sind danach praktisch unbegrenzt haltbar und verschleißgeschützt. Sebastian: »Wenn man die Technik beherrscht, ist das gar kein Problem. So eine Waschbeckenbeschichtung wird dann wahrscheinlich älter als der Besitzer.« Das Gleiche gilt für Badewannen, die in Planung sind. Und der Besitzer einer Gummibärchenbadewanne könnte somit lebenslang in einer Badewanne unter den Blicken von Tausenden von Gummibärchen baden.
Prototypen von sonstigen kleineren Gebrauchsgegenständen gibt es im Atelier von Sebastian noch mehrere, bisher aber jeweils nur Unikate, die als Demo-Werkstücke im Einsatz sind.
Da jedes Stück in reiner Handarbeit hergestellt wird, gibt es keine Festpreise, sondern der Preis richtet sich nach dem tatsächlichen Aufwand und ist offenbar auch verhandelbar: »Das bunt bedruckte Papier ist nicht mein Hauptinteresse«, sagt Sebastian, der auch so sein Auskommen hat. Sebastians Original-Gummibärchen-Waschbecken oder -Badewannen sind grundsätzlich kunterbunt. Auf Wunsch gibt’s aber auch sortierte Farben, wobei die Lieferfrist etwa eineinhalb Monate beträgt. (Eine Umrüstung bereits eingebauter Badewannen oder Waschbecken empfiehlt sich deswegen eher nicht, denn das wäre wegen der vielen Kunststoffschichten, die zwischendurch noch trocknen müssen, mit mindestens 35 Hausbesuchen und eineinhalb-monatiger Bade- oder Wasch-Abstinenz verbunden …).
Aktuell arbeitet er an einer limitierten Auflage von Waschbecken-Variationen, unter anderem eine Luxus-Ausführung mit Gummibärchen/Swarovski-Kristall-Kombination bei einem Gummibärchen-Anteil von rund neun Tüten. Dann beginnt die Arbeit an einer Badewannen-Kollektion (mit zehn bis 13 Kilo Gummibärchen pro Stück).
Es ginge auch noch größer: Ein Schwimmbad mit Gummibärchen wäre genauso realisierbar, würde bestimmt nicht nur bei den Kindern für gute Laune sorgen und hätte vielleicht das Zeug zur neuen Berliner Touristen-Attraktion!
Vom Ortswechsel nach Berlin hat Sebastian sehr profitiert, von der Vielfalt und dem Lebensgefühl, das viele Künstler hier schätzen. Was die machen, interessiert ihn natürlich auch. Aber Künstlertreffs, Künstlergruppen und -foren spielen für ihn keine Rolle. Selber geht er lieber seinen eigenen Weg, sucht auch keinen Anschluss: »Ich suche eigentlich gar nichts. Hab schon alles gefunden.« Und das glaubt man ihm gerne.
Sebastian Schmelz
Künstlername: Eduardo Padrino, Sanitärveredlung Sesch
Web: gummibaerchenwaschbecken.Jimdo.com
Geschrieben von Jutta Wunderlich