Die Piratenpartei – auf Wahltag – Kurs
Die Wahlen stehen vor der Tür und wir möchten mit unserem Beitrag für eine aufgeklärte Wählerschaft sorgen. Grund genug, den Piraten mal auf den Säbel zu fühlen und ihren „Beutezug“ an Wählerstimmen transparent zu machen. Um der stürmischen See des Wahlkampfes zu entgehen, trafen wir uns auf neutralem Gebiet, im Hafen namens Edelweiss im Görlitzischen Ozean. Die Piratenpartei lief mit Ralf Gerlich (41), Spitzenkandidat für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain – Kreuzberg und Jessica Zinn (31), Direktkandidatin für Kreuzberg in den Hafen der Fragen ein. An Bord der MS Kreuzberger befanden sich Bookfield, seines Zeichens legitimierter Fragensteller, Schröder, Sicherheitschef an Bord und verantwortlich für die Absicherung der Rückflanke gegen unliebsame Seeräuber und meine Wenigkeit, die hier und da Unklarheiten hinterfragte und euch nun die wichtigsten Passagen aus dem Gespräch zwischen Piratenpartei und uns, den Kreuzberger – Piraten, zusammengefasst präsentiert.
Welche Ziele verfolgt die Piratenpartei und auf welchen Punkten liegt das Hauptaugenmerk im Parteiprogramm?
Wichtige Themen unseres Parteiprogramms sind Bildung, Umweltschutz, das bedingungslose Grundeinkommen, die Abkehr von Geheimverträgen und eine fortschrittlichere Geschlechter- und Familienpolitik. Darüber hinaus engagiert sich die Piratenpartei für mehr Demokratie und die Transparenz in der Regierungsarbeit. Wir sind uns bewusst, dass unser Programm noch nicht alle Bereiche umfasst die zu einem Gesamtbild einer Partei gehören, aber die Themenbereiche umfassen deutlich mehr als das Internet und Netzpolitik.
Aber da die Piratenpartei auf Kompetenz in der von ihr behandelten Bereichen setzt, haben wir auch nur die Themen mit in das Parteiprogramm aufgenommen, die von uns mit Experten besetzt werden können. Ralf Gerlich kann z.B als Diplom-Ingenieur für Umwelttechnik und regenerative Energien Beiträge auf dem Gebiet der Umwelttechnologien leisten.
Viele Wähler haben die Piratenpartei aus der Vergangenheit als Internetpartei in Erinnerung. Was unternehmt ihr gegen diesen Ruf?
Dass dies nicht der Fall ist, zeigt der Aufwand, den die Piratenpartei im Wahlkampf aber auch davor auf der Straße geleistet hat und leistet und die Themen die wir in unserem Wahlprogramm besetzen. Wir sind nicht nur im Internet verfügbar sondern sind unter anderem bei Aktionen, wie der Unterschriftensammlung letztens im Görlitzer Park greifbar.
Wie sieht es mit einer Regierungsfähigkeit der Piratenpartei aus?
Auf Bezirksebene sehen wir durchaus Möglichkeiten den Anforderungen gerecht zu werden und auf Landesebene könnte die Piratenpartei als Junior-Partner einer Regierungspartei einen Beitrag zum Wohle des Volkes leisten. Auch ein Amt auf Regierungsebene ist für uns machbar.
„Bedingungsloses Grundeinkommen“ ist eines der Hauptthemen im Programm der Piraten. Was würde sich ändern und wie soll die Umsetzung erfolgen?
Beim bedingungslosen Grundeinkommen geht es uns darum, dass jeder Bürger einen monatlichen Betrag zur Verfügung hat, von dem er Miete, Nahrung und sonstige Güter des alltäglichen Bedarfs begleichen kann, ohne sich dafür vor irgendeiner Instanz des Staates rechtfertigen zu müssen. Mit diesem Grundeinkommen kann sich jeder frei entfalten. Befürchtungen, dass keiner mehr einer Arbeit nachgehen würde, konnten durch Studien widerlegt werden. Im Gegenteil, die Menschen können frei von Angst vor einem sozialem Abstieg eigene Ideen ausprobieren oder einen Beruf ergreifen, der zu ihnen passt. Dieser Prozess wird nicht von heute auf morgen zu bewältigen sein, er wird sich sicher eher über eine Generation hinziehen, aber man muss auch mal anfangen, sonst passiert auch nichts. Aufgrund der Dauer wird es Angleichungen geben und Zwischenlösungen, wie der ebenfalls von uns geforderte Mindestlohn als Brückentechnologie.
Indect, Internetüberwachung und Profiling stehen derzeit ganz oben auf der ToDo – Liste der Regierung. Wie steht ihr der Umsetzung der Überwachungsmaßnahmen gegenüber?
Das was in den vergangenen Jahren an Gesetzen erlassen wurde, wäre mit der Piratenpartei nicht in die Tat umzusetzen gewesen. Die Piratenpartei hat sich immer dafür ausgesprochen, den Rahmen der Überwachungsmaßnahmen zur Sicherheit der BürgerInnen auf ein Minimum zu begrenzen. Sicherlich gibt es auch Einrichtungen die besonderen Schutzes bedürfen, wie zum Beispiel Flughäfen, aber, und das ist wichtig, diese Überwachung sollten sich auf die gefährdeten Einrichtungen beschränken und nicht darüber hinaus ausgeweitet werden. Dem Profiling stehen wir kritisch gegenüber, da es die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger unangemessen eingreift. Diesbezüglich muss auch erwähnt werden, dass die Maßnahmen die beim Rastern erfolgen manipulativ sind, und wir auch hier Bedenken erheben.
Die Privatsphäre wird sich durch den massiven Gebrauch des Internets verändern, sie darf sich auch verändern, sie sollte den Bürger aber nicht ausliefern und er muss wissen, wo er gegebenenfalls überwacht wird und ob er das wünscht.
Wie soll das Internet in Zukunft sicher funktionieren?
Private Anbieter stellen die Technik und den Zugang zum Internet. Sanktionen bei Missbrauch können diskutiert werden, ein generelles Eingreifen ins Netz lehnen wir aber ab. Die freie Meinungsäußerung hat höchste Priorität. Der Nutzer hat daneben auch eine Eigenverantwortung beim Umgang mit seinen Daten. Es ist zudem wichtig, dass jeder über den korrekten Gebrauch seiner Daten Bescheid weiß. Viele Menschen laden heute Daten in das weltweite Netz hoch, ohne die Folgen zu berücksichtigen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die zugesagte Arbeitsstelle versagt bleibt, weil von BewerberInnen diskreditierende Bilder früherer Trinkgelage bei der firmeneigenen Internetrecherche zum Vorschein gekommen sind.
Die Piratenpartei veröffentlicht auf der Internetseite die Mitgliederzahl und den aktuellen Kontostand der Partei. Wie wichtig ist euch die Transparenz in anderen Dingen? Wie steht die Piratenpartei zu geheimen Verträge, die der Bevölkerung den Zugang zu unliebsamen Wahrheiten verhindern?
Die Transparenz sollte beim Staat liegen und nicht beim Bürger. Der Staat sollte hier in der Bringschuld sein, nicht der Bürger. Jeder Vertrag mit der öffentlichen Hand muss veröffentlicht werden. Es kann nicht sein, dass Verträge über Bauvorhaben und Vereinbarungen getroffen werden, die unmittelbar mit der Bevölkerung im Zusammenhang stehen, unter Verschluss gehalten werden.
Bei der Wahl am 18. September ist nicht davon auszugehen, dass die Piratenpartei mit der absoluten Mehrheit aus dem Rennen hervorgeht. Mit welchen Parteien ist eine Koalition denkbar?
Nicht denkbar und somit eine ganz klare Absage geht in die Richtung der rechtslastigen Parteien. Alles Andere ist Verhandlungssache. Das rot-rot-grüne Spektrum ist dem Programm der Piratenpartei am ähnlichsten und somit am ehesten vorstellbar. Eine Koalition mit der CDU hingegen ist unwahrscheinlich, da ihre Interessen zu sehr von den unseren abweichen und es nicht zu erwarten ist, dass sie ihre Stellung zu gewissen Dingen für uns ändern würden. Zu sehr müssten sie von ihrem Programm abweichen, um Übereinstimmungen mit dem der Piratenpartei herbeizuführen. In jedem Fall lautet die Devise der Piratenpartei: Druck machen, Vorhaben in ihrer Umsetzung vorantreiben und neue Innovationen durch Probephasen eine Chance zur Entwicklung und Etablierung zu geben.
Bildung ist für alle da – wie kann man diesen Traum Wirklichkeit werden lassen?
Zunächst muss jede/r die gleichen Möglichkeiten haben auf Bildung zugreifen zu können. Das fängt bei ausreichend vorhandenem Lehrpersonal an, geht über die zur Verfügung stehenden Materialien, wie zum Beispiel Fachbüchern und reicht bis zur Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer, die somit den Schülerinnen und Schülern den aktuellen Kenntnisstand in den jeweiligen Bereichen vermitteln. Darüber hinaus muss man durch individuelles Lernen die Fähigkeiten eines jeden Einzelnen fördern.
Welche wirtschaftliche und politische Vision verfolgt die Piratenpartei?
Das kann ich mit einigen Worten grob umschreiben. Der Bürokratieapparat muss reduziert werden und wir benötigen unbedingt mehr Demokratie für und mehr Mitbestimmung durch das Volk. Denn nicht Geld, sondern der Bürgerwille sollte im Vordergrund bei Entscheidungen stehen.
Wenn dieses und noch einige weitere Punkte aus unserem Programm umgesetzt wurden, werden die Bürger auch wieder das Gefühl haben ernst genommen zu werden.
Wie sieht eine Gesellschaftsstruktur im Sinne der Piratenpartei aus?
Wir fordern mehr Selbstbestimmung für die Bürgerinnen und Bürger. Wenn die Bürger mehr Mitspracherecht haben und damit in erster Linie die Macht vom Volk aus geht, wäre das schon ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. In diesem Zusammenhang hat die Piratenpartei das Tool (Werkzeug, die Red.) Liquid Feedback ins Leben gerufen. Hiermit ist es möglich, innerhalb der Partei in direkter Abstimmung mit den Mitgliedern über die Eingabe von Anträge, mitzuentscheiden. Bei mangelndem Fachwissen zu einem Thema kann man seine Stimme delegieren (übertragen, d. Red.). Dieses übertragene Stimmrecht kann dem Delegierten jederzeit auch wieder entzogen werden, und die Delegationen sind für jeden Nutzer sichtbar. Die Gründung von Seilschaften oder der Missbrauch des übertragenen Stimmrechts ist somit weitestgehend ausgeschlossen.
Die Privatisierung der Infrastruktur ist nicht nur ein deutsches Problem. Wie kann man eine Umkehr herbeiführen?
Zunächst möchte ich erwähnen, dass die Grundlagen der Daseinsversorgung durch den Staat kontrolliert werden sollten und somit die Funktion dieser sichergestellt ist. Ein Rückkauf der privatisierten Betriebe stellt für den Staat eine enorme finanzielle Belastung dar. Als gutes Beispiel dienen die U-Bahn und Wasserbetriebe in England: Privatisiert, finanziell leer gesaugt, Personal entlassen, verfallen lassen, staatlicher Rückkauf. Trotzdem muss alles daran gesetzt werden, dass die Energiewirtschaft sowie Wasserbetriebe und Verkehrswesen wieder in die Hände derer gelangen, die nicht den Gewinn der Investoren sondern den betrieblichen Ablauf in den Vordergrund stellen.
Zum Abschluss hätte ich gerne ein paar motivierende Worte für die WählerInnen, damit diese am Wahltag einen Grund verspüren sich aus dem Bett zu erheben, um den Wahlzettel und nicht ihre Freiheit und ihr Leben in die Urne zu werfen und somit die Demokratie zu Grabe tragen.
Dass es derzeit in vielen Bereichen massiven Handlungsbedarf gibt ist uns bewusst und wir sind auf dem besten Weg an diesen Prozessen mitwirken zu können, wenn man überlegt, dass seit der Gründung der Partei erst fünf Jahre vergangen sind. Die Piratenpartei ist noch lange nicht am Ziel, trotzdem sind wir doch die Partei, mit dem, wie ich finde ehrlichsten Charakter, da wir uns offen präsentieren und basisdemokratisch agieren.
Wir bedanken uns für das Interview und wünschen der Piratenpartei eine ruhige Überfahrt in den zweistelligen Prozentbereich. Auf dass immer eine Handbreit Wasser unter Eurem Kiel sein möge.
Geschrieben von Bookfield & Olly