Es ist Winter in Deutschland (Vorwort Ausgabe 24)

Auf meinen Runden durch den Kiez fallen mir immer wieder am Straßen and abgestellte Dinge auf. Diesmal war es eine Tasche mit Büchern, die zu verschenken war, wie der darauf angebrachte Zettel offenbarte. Oben auf lag ein Buch mit dem Titel »Die geheime Sprache von….«.

Mein Interesse war geweckt und so nahm ich das Buch, um den auf dem Buchrücken zusammengefasst stehenden Inhalt zu ergründen. Es handelte sich um einen »märchenhaften Roman«. Ohne weiter zu überlegen, legte ich das Buch zurück in die Tasche. »Märchenhafte Romane« dachte ich bei mir, die brauche ich bei meinem Leben nun wirklich nicht. Wobei neben dem ganzen vorhandenen medialen Sondermüll ein märchenhafter Roman noch eine der anspruchsvollsten Arten ist, sich zu unterhalten. Weitaus schlimmer sind Medien, wie Zeitung, Radio und Fernsehen. Die Frage, die sich einem unwillkürlich stellt: Haben die Menschen Angst vor der Wahrheit, Angst, der Realität ins Gesicht zu blicken? Dies würde zumindest erklären, warum sie versuchen, sich mit der Krönung des Dschungelkönigs, der Wahl von Germany‘s next Topmodel, der Wok-WM, Berlin Tag & Nacht oder eben einem märchenhaften Roman von der Umwelt abzulenken, die sie umgibt, ja, sie gar gänzlich auszublenden und zu verdrängen. Obwohl wir hierzulande ansteigende Plusgrade zu verzeichnen haben, herrscht Winter in Deutschland, geistiger Winter. Die Menschen haben ihre Gedanken, ihre Fähigkeit nachzudenken, eingefroren.

Bild und B.Z. als Urheber für den gesellschaftlichen geistigen Abstieg verantwortlich zu machen, gilt heute nicht mehr. Längst liefern – aus meiner Sicht – auch angesehene Formate und Medien, wie die »Tagesschau« belanglose Inhalte oder drohen, wie der »Tagesspiegel«, im Sumpf der medialen Belanglosigkeit zu versinken. Die Folgen der verklärenden Medienberichterstattung haben wir vor Augen. Die Tatsachen werden verdrängt, wie eine zum Teil demotivierte Jugend ohne sichere Zukunftsaussichten, real steigende Arbeitslosenzahlen, die auch durch Zwangsmaßnahmen vom Jobcenter nicht weggeredet werden können, Arbeitslöhne von unter fünf Euro die Stunde, die bereits heutzutage bestehende Altersarmut und Dutzende, wenn nicht gar Hunderte von weiteren, durch unsere unfähigen Volksvertreter verursachten Missstände.

Vor dem Hintergrund der »Zypern-Krise« beruhigt Malte Diesselhorst von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz im »Tagesspiegel« Ende März 2013 die LeserInnen. Er schreibt sinngemäß, wenn die von den Banken angebotene Einlagensicherung durch die Geldhäuser nicht mehr gewährleistet werden könne, würde der deutsche Staat einspringen, »So war es jedenfalls immer in der Vergangenheit.« Sollte dies auch nicht möglich sein, würde laut politischer Bekundung der Europäische Rettungsschirm finanziell aushelfen. Dass »politische Bekundungen« einen feuchten Scheißdreck wert sind, wissen wir nicht erst seit den letzten Wahlen. Ich bin gespannt, wann die Ersten aus ihrer Scheinwelt, in der sie leben, herauskommen und realisieren, dass auch sie in dem sinkenden Schiff sitzen und das Manöver der Bundespolizei nicht nur der Befriedung von Auseinandersetzungen der Hooligans und dem »Aufzeigen von Schwächen« dienlich war. Auf den Boden der Tatsachen gelangen sie alle, die einen landen härter (siehe BP-Manöver) die anderen sanfter.

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