Fury in the Box oder französische Delikatessen
Jeder Trend in Amerika kommt irgendwann zu uns. Die Amerikaner stecken „Jack in the box“ und wir Europäer machen das gleiche mit Pferden und Eseln. Der Name für die Schnellimbiss-Maultierburger-Kette? Fury in the box!
Endlich mal ein Lebensmittel-“Skandal“ über den man sich lustig machen darf. Niemand ist zu Schaden gekommen, lediglich ein paar Kinderseelen, die ihre geliebten Vierbeiner verspeist haben und in Zukunft immer daran denken werden, wenn sie Fury im Fernsehen sehen. Vielleicht wird auch einigen der Pferde und Esel LiebhaberInnen das Fertigessen ungewohnt schwer im Magen gelegen haben, wenn nicht gar direkt wieder aus dem Gesicht gesprungen sein. Über 4,5 Millionen Fertiggerichte wurden in dreizehn europäische Länder geliefert. Von Großbritannien zog die verharmlosend ausgedrückte „Nichtdeklarierung“ seine Kreise. Und während hierzulande noch einige von uns genüsslich die Lasagne oder das Dosengulasch aßen und sich sagten: Das kann uns nicht passieren, schließlich haben wir gesetzliche Vorgaben, wurde den Pferde und Esel liebenden Engländern nicht nur flau im Magen, sondern gleichzeitig auch bewusst, dass ihre gesetzlichen Vorgaben keine Wirkung erzielt hatten. Wie auch, wenn die Lebensmittelbehörde, wie hierzulande, personell unterbesetzt sein wird und somit Kontrollen nur Stichprobenartig durchgeführt werden können.
Beruhigend ist für einige vielleicht die Information der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Diese schreibt auf ihrer Internetseite über das Für und Wider von Pferdefleisch gegenüber dem vom Rind. Pferdefleisch besitzt zum Beispiel 3,5 Milligramm Eisen auf 100 Gramm, Rind nur 1,9 Milligramm. Der Fettgehalt liegt im Pferdefleisch bei 16 Prozent, beim Rind sind es bis zu 31 Prozent. Lediglich bei den Vitaminen schneidet Pferdefleisch gegenüber dem Rindfleisch schlechter ab. Also doch alles nur halb so wild? Mit Nichten. Ein mal mehr zeigt der Umstand der „Nichtdeklaration“ die, frei von Umschreibung bestenfalls als „Fehldeklaration“ bezeichnet werden kann, wie einfach es ist, in einer globalisierten Verkettung von Lebensmittel-Hin- und Herschieberei die VerbraucherInnen zu belügen. Ob es ein Betrug ist sei dahin gestellt. In Frankreich, Belgien und Italien gilt Pferdefleisch als Delikatesse und auch unseren Vorfahren hat der Verzehr von Pferdefleisch nicht geschadet. Dass sich hierzulande jedoch überhaupt noch jemand über die fehlerhafte Deklarierung wundert, ist unbegreiflich. In den vergangenen Jahren wurde mehrmals auf die kriminellen Machenschaften im Lebensmittelbereich, insbesondere bei biologisch produziertem und vermarktetem Obst und Gemüse hingewiesen. Nun steht die breite Masse der Bevölkerung wieder zwischen den Einkaufsregalen der Konsumtempel und fragt sich: Wie konnte das denn geschehen? Nachdem diese Frage ausgiebig mit den anderen, sich die selbe Frage stellenden EinkäuferInnen ausdiskutiert wurde, eröffnet sich den Antwortsuchenden sogleich die nächste Frage: Was kann ich denn überhaupt noch essen? Dieser Zustand der kulinarischen Unsicherheit hält aber nicht lange an, zu schnell tritt die Bewusstlosigkeit des Alltags ein und man befindet sich in dem gleichen Fertigessen-Trott wie Wochen und Jahre zuvor. Allen Hinweisen zum Trotz befüllen wir unsere Mägen mit industriell gefertigtem Sondermüll. Irgendwann wir nicht nur George Orwells Vision 1984 Realität, sondern auch die von „Soylent Green“. Der Film spielt im Jahr 2022 und am Ende finden die Konsumenten heraus, dass ihre Nahrung – Soylent Green – aus dem Fleisch verstorbener Menschen hergestellt wird. Die Bezeichnung Humankapital bekäme eine völlig neue Bedeutung.