Gasflaring – Tanken gefährdet die Gesundheit
Ressourcenverschwendung durch Abfackeln von Begleitgas
Bei der weltweiten Erdölförderung im Jahr 2011 wurden 1.500 Milliarden Kubikmeter Begleitgas abgefackelt. Im Zuge dessen entstanden 400 Millionen Tonnen Treibhausgas. Das ist die gleiche Menge, die in Deutschland, Frankreich und England durch den Straßenverkehr verursacht wird. Im Folgenden werden Ursache, Verursacher, Leidtragende und Nutznießer vorgestellt. Darüber hinaus zeigt der Bericht, dass es mit Ecuador ein Land gibt, welches das Begleitgas bereits sinnvoll nutzt.
Die Ursache
Zu den Ursachen zählt in aller erster Linie der weltweite Bedarf an Erdöl. Daraus resultiert die enorme Förderungsmenge bei der neben Erdöl auch Erdgas anfällt. Das Erdgas wird gemeinsam mit dem Mineralöl aus der Tiefe an die Erdoberfläche gepumpt. Das Gas erhöht jedoch den Druck in den Leitungen und verringert somit die Fördermenge von dem Mineralöl. Um die Menge an gefördertem Mineralöl zu optimieren, wird das Begleitgas abgeleitet und der kontrollierten Verbrennung zugeführt. »Gas Flaring« – so der Fachbegriff für das Abfackeln von Begleitgas – ist die standardisierte Form für die Beseitigung von unliebsamen Begleitgas.
Die Verursacher
Die Hauptverursacher von Treibhausgasen durch »Gas Flaring« sind Nigeria, Gabun und Russland. Selbstverständlich sind es nicht die Länder und Einwohner an sich, die für das Abfackeln von Begleitgas verantwortlich sind. Es sind die Mineralölkonzerne wie Shell, BP, Rosneft und Total. Unter dem Druck der Weltwirtschaft und der Kraftfahrzeug betriebenen Weltbevölkerung, sind sie angehalten, die Fördermenge zu halten und ständig neue Ölfelder zu erschließen.
Die Stellung der Politik zu diesem Missstand, zeigt die Antwort von Günther Oettinger, EU-Kommissar für Energie, auf die Frage: »Sind Sanktionen [gegenüber Russland] als Strafe für das Gas Abfackeln vorgesehen?«
Oettinger: »Ich glaube nicht, dass wir in Berlin von Sanktionen gegen Moskau sprechen sollten. Und selbst wenn man darüber nachdenken sollte, Instrumente haben wir nicht. Weder sie noch ich.«
Der russische Energieminister Sergej Ivanowich Schmatkó sagte diesbezüglich: »Das Wort Sanktionen höre ich sehr ungern. Aber ich liebe die Gerechtigkeit. Russland ist nicht nur Weltmeister im Abfackeln des Begleitgases wie sie gesagt haben, sondern auch führend bei der Erdölförderung. Wir sind die Nummer eins in der Welt.«
Auf die Frage: »Warum kann, trotz EU-Verbot, Benzin aus gasgeflairtem Öl bei uns verkauft werden?«, antwortete Oettinger: »Es geht, in dem sie und ich zumindest ein Auto haben, damit fahren und ein Mal die Woche tanken. Und noch immer gibt es keine andere Möglichkeit der individuellen Mobilität. Das heißt wir haben – nicht mehr primär für Wärme – da ist Öl zunehmend auf dem Rückzug, aber für Mobilität für Überlandbusse, für Trucks, für Schiffe, für Flugzeuge und Autos noch für zahlreiche Jahre einen stabilen Ölbedarf und müssen akzeptieren, dass andere Gesetzgeber – ich rede jetzt nicht von worst cast Venezuela oder Libyen – sondern ich rede von demokratischen oder geordneten Staaten letztendlich noch nicht ganz unsere Umweltstandards akzeptieren. So ist das Leben.«
Die Leidtragenden
Die Leidtragenden sind unter anderem die Bewohner im Niger-Delta. Dort wird seit über 50 Jahren Erdöl gefördert. Obwohl das Abfackeln von Begleitgas seit 1984 per Gesetz verboten ist, fackeln die Mineralölfirmen das Begleitgas ab und scheren sich einen Dreck um Gesetz und die Gesundheit der Bevölkerung. Tagtäglich atmen Anwohner der Gas-Flaring-Anlagen die vergiftete Luft ein und leiden unter Atemwegserkrankungen und Hautausschlag. Viel schwerwiegendere Folgen wie Erbgutschäden werden erst dann sichtbar, wenn es zu Fehlgeburten kommt, die in den betroffenen Gebieten im erhöhten Ausmaß auftreten. Das Schwefeldioxid schädigt die Lungen und Bronchien und führt bei Aufnahme über einen längeren Zeitraum zu Anämie (Blutarmut). Benzol ist krebserregend, schädigt den Organismus und lagert sich im Gehirn, Knochenmark und Fettgewebe ab. Bei einem Anteil von zwei Prozent in der Luft wirkt Benzol innerhalb von Minuten tödlich. Neben Schwefeldioxid und Benzol wird auch Stickstoffoxid, Kohlenmonoxid und -dioxid sowie Methan freigesetzt. Methan ist 21 Mal umweltschädlicher als Kohlendioxid und trägt erheblich zum Treibhauseffekt bei. Die Mineralölkonzerne bestreiten jeden Zusammenhang zwischen den Abgasen, die bei dem Abfackeln von Begleitgas entstehenden und den gesundheitlichen Schäden der Anwohner.
Eine nicht veröffentlichte Studie, die Shell in Auftrag gegeben hat, kam laut Dr. Joab-Peterside zu dem Ergebnis, dass sehr wohl ein direkter und grundsätzlicher Zusammenhang besteht. Die Studie wurde jedoch nie veröffentlicht. Die Geschädigten sind nicht in der Lage den Missstand aus eigener Kraft zu beseitigen und wie immer ist das Problem zu weit weg, als dass sich irgendjemand in der Pflicht sehen würde etwas dagegen zu unternehmen.
Nicht nur die Menschen auch die Umwelt leidet und wird vernichtet. Auf den Ländereien um die »Gas Flaring«-Anlagen ist eine aktive Landwirtschaft ausgeschlossen. Nicht nur das der Boden verseucht ist, die Rauchentwicklung ist so stark, dass partiell der Himmel verdunkelt wird.
In der Arktisregion lagern sich die Rußpartikel ab und verhindern somit die Reflektion der Sonnenstrahlen. Das Eis nimmt somit mehr Wärme auf und taut. Für 50 Prozent der Klimaerwärmung ist somit das Gas Flaring verantwortlich.
Die NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) liefert unabhängige Daten über die weltweiten existierenden Gas-Fackeln. Um deren Anzahl festzustellen, greift die NOAA auf die von einigen Staaten zur Verfügung gestellten Unterlagen zurück. Bei den Ländern, die jede Zusammenarbeit verweigern, werden Satellitenbilder herangezogen.
Die Nutznießer
Zu den Profiteuren zählen nicht nur die Mineralölkonzerne, sondern wir alle. Jeder von uns verbraucht Erdöl – auch ohne Kraftfahrzeug. Von der Angelsehne bis zum Zylinderschmiermittel wird bei der Herstellung das schwarze Gold benötigt. Auch für den Transport von Gütern rund um den Globus werden Unmengen von Erdöl benötigt. Allein wir Europäer verbrauchen täglich 2,5 Milliarden Liter Öl. Der weltweite Verbrauch an Erdöl liegt bei etwa 13,37 Milliarden Liter täglich (Quelle: http://blog.meineheizung.de). Das sind 4.878,955 Milliarden Liter jährlich. Um diesen Bedarf decken zu können, wird gebohrt, gefördert und raffiniert was die Quellen hergeben. 2011 wurden 3.995,6 Millionen Tonnen Erdöl gefördert (Quelle: Wikipedia.org). Dies sind umgerechnet 4.439,11 Milliarden Liter*. Bleibt eine negativ Differenz von 439,843 Milliarden Litern. Das diese Differenz mit Reserven ausgeglichen wird, ist nur Spekulation aber die einzig logische Möglichkeit.
* Erdöl hat eine Dichte von 0,855-0,925 kg/dm3. Nehmen wir einen Mittelwert 0,9 Dichte = Masse/Volumen. Volumen = Masse/Dichte. 1 t = 1.000 kg. Volumen = 1.000/0,9 Volumen = 1.111 Liter.
Die Lösung
Das es auch anders geht, zeigt folgendes Beispiel. Man mag es kaum glauben, aber Ecuador ist ein Vorreiter bei der Nutzung von Begleitgas. Die Regierung hat die privaten Mineralölfirmen, die eine schlechte Umweltbilanz hatten, des Landes verwiesen und mit der staatlichen Ölgesellschaft »Petroamazonas« die Förderstellen übernommen. In die Ölförderanlagen, die alle im Amazonasgebiet liegen, hat das Land 150 Millionen US-Dollar investiert. Von dem Geld wurden unter der Leitung von Berend van den Berg spezielle Generatoren gekauft, die das Begleitgas in Strom umwandeln. Van den Berg hatte zuvor die Regierung von Ecuador davon überzeugen können, dass sein Projekt, nicht nur ein Gewinn für die Staatskasse sondern in erster Linie auch für die Umwelt ist. Die Generatoren sind so ausgelegt, dass sie, wenn die Ölquelle versiegt ist, zur nächsten Förderstelle transportiert werden können. Durch die Nutzung von Begleitgas wird zum einen verhindert, dass gesundheits- und umweltschädliche Gase unkontrolliert freigesetzt werden und zum anderen werden die Ressourcen vollständig ausgeschöpft. Darüber hinaus erhält Ecuador für die Umweltentlastung CO²-Zertifikate, die es am Weltmarkt verkaufen kann.
Um so unglaublicher ist die Tatsache, dass auch bereits in russischen Betrieben die Methode zur Nutzung von Begleitgas bekannt ist. Die Ölfördergesellschaften scheuen sich jedoch vor den Investitionskosten.
Olly´s Kommentar
Das sich die Mächtigen gegenseitig in die Hände spielen, ist spätestens mit dem Amtsantritt von Gerhard Schröder bei Gazprom offenbart worden. Untermauert wurde dies in jüngerer Zeit durch Oettinger, der den Forderungen von Sanktionen gegenüber den Russen, aufgrund ihrer inakzeptablen Umweltstandards bei der Erdölförderung, machtlos eine Absage erteilt.
Verwunderlich ist, wie irrsinnig die meisten Mineralöl-Konzerne mit den Ressource Gas umgehen. Auf der einen Seite wird beim »Fracking« – wir berichteten Ausgabe 20 – alles Erdenkliche unternommen, um Erdgas aus tiefen Gesteinsschichten an das Tageslicht zu befördern und auf der anderen Seite wird bei der Mineralölförderung wertvolles Erdgas abgefackelt. So lange wie der Staat Nigeria von den Mineralölfirmen mit Beteiligungen »bestochen« wird, unterliegen die Anwohner den Wirtschaftsinteressen.
Dokumentation: „Abgefackelt – Wie Ölkonzerne unser Klima killen“ von Inge Altemeier und Steffen Weber