Horch & Guck Das Bewerbungsgespräch (Teil 1)
Guck rief: »Post für dich«, als er das Büro betrat und wedelte mit einem Brief in der Hand. Horch schaute misstrauisch. »Die Farbe vom Umschlag verheißt nichts gutes. Ökograu ist immer irgendeine Scheiße von den Behörden.«
»Da könntest du Recht haben. Jau, hier steht´s, vom Jobcenter.«
»Scheiße, dann ist es noch schlimmer, als irgendeine Behörde.«
Horch öffnete den Brief und las vor:
»Sehr geehrter Herr Horch, da Sie aufgrund Ihrer geringen Pensionsansprüche im Leistungsbezug öffentlicher Kassen stehen, freuen ich mich Ihnen ein Arbeitsangebot unterbreiten zu können, das Ihren Qualifikationen entspricht und mit dem Sie in Zukunft Ihren benötigten Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten können. Bitte finden Sie sich am 14.02.2013 um 10:30 Uhr in der Chausseestraße 96-99 in Berlin Mitte und dort in Gebäude D beim Personalchef ,Herrn Kuhn, in Zimmer 2063 ein. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, behalte ich mir eine Sanktionierung Ihrer Leistungsbezüge nach Paragraph…bla, bla, bla. Diese Penner wollen mich echt noch mal vermitteln. Und das wegen 136 Euro, die sie mir monatlich zuzahlen müssen.«
»Was soll´s, du kannst doch mal hinfahren und dir anhören, was die von dir wollen.«
»Weißt du eigentlich wer in der Chausseestraße 96-99 sitzt?«
»Nein, auf Anhieb nicht.«
»Der Bundesnachrichtendienst, mein Freund! Und die wollen mich als Mitarbeiter! Das können die aber mal ganz schnell wieder vergessen«. Horch überlegte kurz. „Und ich glaube, ich habe da auch schon eine gute Idee, um der Anstellung in diesem Verein zu entgehen.« Mit diesen Worten griff Horch zum Telefonhörer und wählte eine Nummer: »Guten Tag, Horch mein Name. Ich würde für den 14. Februar gern eine SS-Uniform reservieren lassen. Die Größe? Da müsste ich erst einmal nachschauen. Kann ich Ihnen die Angaben per E-Mail zukommen lassen? Sehr gut. Ob ich irgendwelche Orden benötige? Hm, ja, so zwei drei wären bestimmt nicht schlecht. Dann verbleiben wir so. Danke und einen schönen Tag noch.«
»Was hast du vor« , fragte Guck verwundert.
»Dem Jobcenter werde ich in die Suppe spucken. Wie du sicher mitbekommen hast, habe ich mir beim Kostümverleih eine SS-Uniform reserviert, schließlich will ich dem Ereignis meiner ›Wiedereinstellung‹ in den aktiven Dienst angemessen gekleidet beiwohnen.«
»Das ist nicht dein Ernst? Musst du immer provozieren?«
»Das ist mein voller Ernst. Und außerdem, wer fängt denn an zu provozieren, die oder ich? Der BND wird schon sehen, was er davon hat, einen alten Genossen wie mich re-krutieren zu wollen«, erwiderte Horch.
»Du kannst doch nicht in einer SS-Uniform zum Vorstellungsgespräch beim BND gehen!«
»Wenn nicht beim BND, wo dann? Oder bist du auch der Meinung, ich hätte lieber die Uniform von Gerneralfeldmarschall Göring nehmen sollen? Die hätte mehr hergemacht, oder?« und grinste.
»Du bist doch völlig bescheuert. Die verhaften dich, noch bevor du die erste Sicherheitsschleuse passiert hast.«
»Ach Quatsch, du und deine Miesmacherei. Davon abgesehen ist es mein Ziel, dass die mich gleich wieder hinauswerfen, und außerdem habe ich da noch ein Ass im Ärmel. Dass kann ich dir leider nicht verraten, ansonsten würdest du zum Mitwisser und somit automatisch auch zum Mittäter in dieser Angelegenheit.«
»Ist auch besser so, ich will gar nicht wissen, was du schon wieder angestellt hast. Trotz alle dem kannst du da nicht in SS-Uniform auftauchen.«
»Lass mich mal machen, Hauptsache ich habe meinen Spaß, und den werde ich ganz sicher haben«, freute sich Horch.
Einige Wochen später war es soweit und Horch fuhr früh am Morgen zum Kostümverleih.
»Guten Morgen, ich habe eine SS-Uniform auf den Namen Horch reservieren lassen.«
»Guten Morgen. Warten Sie, ich schaue kurz nach und ich bin sofort wieder bei Ihnen.«
»Ja, danke«, erwiderte Horch.
Kurz darauf erschien der Mitarbeiter mit der Uniform. »Arbeiten Sie beim Film?«
»Nein, ich habe ein Bewerbungsgespräch und will angemessen gekleidet erscheinen.«
»In dem Aufzug? Das kann sich ja nur um eine Anstellung bei der NPD handeln.«
»Na ja, nicht ganz, aber fast. Ich soll für den BND tätig werden«, sagte Horch und fragte: »Kann ich die Uniform hier irgendwo anprobieren?«
»Selbstverständlich. Die Umkleidekabinen finden Sie in der ersten Etage, rechts von der Treppe.«
»Ich danke Ihnen.« Horch machte sich auf den Weg, die Treppe hinauf zu den Umkleidekabinen. Nach ein paar Minuten stand er umgezogen vor der Spiegelwand, die sich neben den Umkleidekabinen befand, und betrachtete sich von oben bis unten. Die Uniform saß wie angegossen.
Er ging wieder hinunter zu dem Mitarbeiter und sagte: »Ich lasse die Uniform gleich an. Kann ich meine Klamotten bis nachher irgendwo deponieren? Ich denke, ich bin in zwei drei Stunden wieder zurück. Ach und könnten Sie mir ein Taxi rufen? Wenn ich in dem Aufzug mit der U-Bahn fahre, stehe ich morgen in der Zeitung, und das muss ja nicht sein.«
»Klar, geben Sie her, ich lege Ihre Sachen hinten in unser Büro, da sind sie sicher aufgehoben, und das Taxi rufe Ihnen gleich.« Der Mitarbeiter legte die Sachen von Horch ins Büro und rief ihm ein Taxi. Wenige Minuten später war Horch auf dem Weg zum BND-Komplex in der Chausseestraße in Berlin-Mitte. Dort angekommen, stieg er aus dem Taxi und ging auf den, am Haupteingang stehenden Wachposten zu.
»Guten Tag, Ich habe ein Vorstellungsgespräch, hier ist mein Einladungsschreiben.«
Verwundert nahm der Wachmann den Brief entgegen. Im ständigen Wechsel schaute der Wachmann zwischen Horch und dem Schreiben, das er in den Händen hielt, hin und her, nicht glaubend, wer beziehungsweise in welch einem Aufzug sein gegenüber vor ihm stand. »Sie wollen hier hinein?«, fragte der Wachmann.
»Von wollen kann keine Rede sein, ich muss, wie Sie dem Schreiben entnehmen können«, antwortete Horch.
»In dem Aufzug? Da sind Sie sich sicher?«, hakte der Wachmann nach.
»Da bin ich mir sogar ganz sicher«, erwiderte Horch bestimmt.
»Warten Sie hier, ich frage nach, ob das seine Richtigkeit hat.«
Aber anstatt zu warte, folgte Horch dem Wachmann und schlich sich, von diesem unbemerkt, an ihm vorbei.
Kurz darauf befand Horch sich auf dem Weg zu Gebäude D. Um die Gefahr gering zu halten niemandem über den Weg zu laufen, verschaffte sich Horch durch einen Seiteneingang Zutritt. Er stieg die Stufen hinauf bis in die zweite Etage und begab sich zum Raum 2063, wo laut dem Schreiben seine Zielperson, der Personalchef Herr Kuhn saß.
Als er vor der Tür stand, atmete Horch noch einmal tief durch, ergriff die Türklinke und öffnete die Tür mit beherztem Schwung und stand nach zwei Schritten vor dem Schreibtisch des Personalchefs.
Völlig überrascht und erschrocken zugleich sprang dieser aus seinem Sessel auf. Mit weit aufgerissenen Augen schaute er Horch an, als würde er den Teufel persönlich sehen.
Horch schrie im Befehlston: „Nehmen Sie gefälligst Haltung an, wenn ein dienstälterer Rang den Raum betritt“, nahm die Dienstmütze vom Kopf und klemmte sie sich unter den Arm.
»W-wer sind Sie denn? Und was erlauben Sie sich? Und was zum Henker soll der Aufzug in dieser Uniform? Sind Sie völlig bescheuert?«
»Ich bin Horch und erlaube mir, Sie auf Ihr dienstliches Fehlverhalten hinzuweisen und auf die Uniform bezogen, passe ich mich, wie ich finde, optisch nahezu perfekt an das in dieser Behörde offensichtlich vorherrschende politische Gedankengut an. Wenn ich das mal so sagen darf.«
»Wer hat Sie Wahnsinnigen hier herein gelassen?«
»Der Wachmann am Haupttor«, antwortete Horch.
Erschrocken fragte der Personalchef: »Ist das ein Ak-47 auf Ihrer Schulter?«
Horch blickte linksseitig über seine Schulter und danach wieder zu seinem Gegenüber und nickte: »Jepp, ich dachte, ich bringe zum Dienstantritt gleich mal ein paar nützliche Gerätschaften mit. Bei euch sieht es ja, soweit wie ich informiert bin, schlecht aus, wenn es um die Ausrüstung für den Ernstfall geht.«
»Wie sind Sie mit dem Ding hier herein gekommen? Und warum hat der Wachmann Sie nicht schon am Haupttor aufgehalten oder zumindest den Alarm ausgelöst?«
»Der Wachmann wollte sich telefonisch über die Richtigkeit meiner Einladung zum Bewerbungsgespräch rückversichern. Dies habe ich genutzt, um mich, sagen wir mal so, selbst hereinzulassen.«
»Und die Sicherheitskontrollen unten am Eingang?«, fragte der Personalchef
»Welche Sicherheitskontrollen?«
»Wie? Welche Sicherheitskontrollen? Die unten am Eingang zu diesem Gebäude.«
»Ich bin durch den Notausgang hereingekommen.«
»Durch den Notausgang? Der ist doch von außen nur mit einer speziellen Chipkarte zu öffnen.«
Horch grinste ohne Anstalten zu machen, darauf antworten zu wollen.
Der Personalchef nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer vom Sicherheitsdienst. Als am anderen Ende das Gespräch angenommen wurde und sich der Sicherheitsdienst meldete, sagte der Personalchef: »Ach, dass freut mich aber, dass doch jemand von ihnen im Hause anwesend ist. Hier ist Herr Kuhn, der Personalchef. Hätten Sie die Güte und würden Ihren Arsch umgehend zur mir ins Büro bewegen? Hier steht ein Herr Horch in einer SS-Uniform und einem geschulterten AK-47 vor mir. Ich glaube, wir haben ein kleines Sicherheitsproblem, und ich hätte von Ihnen gern eine Erklärung dazu, danke«, und legte den Telefonhörer ohne eine Antwort abzuwarten wieder auf.
Fortsetzung folgt…