Horch & Guck: In Amsterdam

Die Bremsen kreischten und der Zug kam zum Stillstand. Horch und Guck hatten ihr Ziel erreicht. Amsterdam Centraal Station. Hier, so hatten sie es sich vorgenommen, wollten sie die nächsten drei Tage verbringen und sich vom hektischen Treiben in Berlin erholen. Sie stiegen aus dem Zug und schritten in Richtung Ausgang. Nach ein paar Metern standen sie vor dem imposanten, 1889 eröffnetem Hauptbahnhof der Stadt und blickten auf das Zentrum. Dieses lag nur einen Katzensprung vom Bahnhof entfernt.

Da sie noch keine Bleibe für die nächsten Tage hatten, machten sie sich auf den Weg zur Hotelzimmervermittlung. Als sie vor Ort ankamen und die Agentin sie erblickte, schüttelte sie gleich den Kopf um damit zu signalisieren: Nichts zu machen Jungs. Aber so leicht wollten sich Horch und Guck nicht abwimmeln lassen. Horch trat an den Tresen und sagte: „Egal was, egal wo, egal wieviel. Zwei Betten drei Nächte. Danke“. Verdutzt von Horchs Auftritt schaute sie auf ihren Bildschirm, tippte einige Daten in den Rechner und wartete auf das Ergebnis ihrer Eingabe. Währenddessen schaute sie zu Horch auf und sagte: Wir haben ein Festival in der Stadt, es ist fast ausgeschlossen, dass ihr beiden noch irgendwo ein Zimmer bekommt.“ – Horch erwiderte: „Ausgeschlossen ist nur, dass wir hier ohne Zimmerbuchung raus gehen. Und wenn es ein verdammtes Stundenhotel ist, irgendetwas wird ja wohl noch frei sein.“ Horch schaute Tanja tief in die Augen, nicht ohne vorher auf ihre üppige Brust zu gucken um dort ihren, auf dem T-Shirt eingestickten, Namen abzulesen. Und sagte: Tanja, gutes Mädchen, scheu´ dich nicht uns die Abgründe der ortsansässigen Hotelbranche zu offenbaren. Wir haben in dieser Stadt schon in den abgefahrensten Herbergen gehaust. „Weißt du noch, wie die Absteige hieß, in der wir hier 1998 waren? Und schaute Guck fragend an. „Egal, jedenfalls saßen in Zimmer 12 die zugekoksten Argentinier, in Zimmer 14 die amerikanische Drogenfahndung und in Zimmer 13, zwischen den Fronten, saßen wir. Erholung war das nicht, aber lustig“. Horch schaute Tanja noch tiefer in die Augen als zuvor und sagte: „Also alles was besser als das ist würden wir nehmen.“ Tanja blickte zurück auf ihren Bildschirm und antwortete: „Ich habe hier noch eine freie Kabine auf einem Hotelboot. Es liegt am Ende des Hafens und…“ – „Nehmen wir“ fiel Horch Tanja ins Wort und hielt ihr zeitgleich das Geld für die Bezahlung der Vermittlungsgebühr hin. Mit der Reservierung in der Hand machten sie sich auf den Weg zum Hafen. Vorbei am Victoria – Hotel gingen sie an der Promenade entlang.

Nach einer halben Stunde Fußmarsch erreichten sie die „Noorderzon“ einen umgebauten ehemaligen Frachtkahn. Sie gingen an Bord und wurden vom Kapitän Jan begrüßt: „Aber den kannst du gleich wieder ausmachen, hier ist Rauchverbot.“ Horch schielte auf den Joint in seinem Mund und dachte sich das fängt ja gut an. „Wenn wir schon so christlich sind, sind hemmungslose Sexorgien wohl auch tabu“ und versuchte mit diesen Worten den Kapitän zu reizen. Dieser aber durchschaute Horchs anliegen und sagte: “Nein, die anderen Gäste dürfen sich nur nicht gestört fühlen.“ und grinste den beiden ins Gesicht. Er zeigte Horch und Guck die Kabine und sie verstauten ihre Siebensachen. Sogleich machten Horch und Guck sich auf, um in die Stadt zu gehen. Auf dem Weg dorthin überlegten sie wo sie in den Jahren zuvor bereits waren und was sie sich noch anschauen wollten. Nachdem sie zu dem Schluss kamen, in der Vergangenheit bereits jeden Coffee – Shop der Stadt ausgiebig auf Angebot und Qualität hin überprüft zu haben entschlossen sie sich, bei strahlend blauem Himmel zu einer Grachtenfahrt. Mit einem historischen Schiff fuhren sie durch die Altstadt. Über die Grachten des 17. Jahrhunderts vorbei am Centraal Station an dem sie erst einige Stunden zuvor angekommen waren und genossen den Ausblick auf das alte Amsterdam. Die Tour führte Sie weiter zu den Wohnbooten, deren Kaufpreise mit den Jahren in astronomische Höhe geklettert sind und den prächtigen Herrenhäusern bis hin zum ehemaligen Hafen der Stadt. Hier bewunderten sie die imposanten Neubauten bevor es wieder zum Ausgangspunkt zurückging.

Langsam dämmerte es und der Abend kam über die Stadt. Genau die richtige Zeit um „Walletjes“, dem Rotlichtbezirk der Stadt einen Besuch abzustatten. Sie zogen durch die Straßenzüge in denen sich Frauen, Transvestiten und wer weiß wer oder was noch alles ihre Liebesdienste anboten indem sie sich hinter den Schaufenstern der Häuser aufreizend präsentierten. Weltweit war dies der erste „Red Light District“ in dem LiebesdienerInnen ihrer Arbeit legal und organisiert nachgingen.

Sie schlenderten durch den Bezirk und kamen ein paar Straßen weiter am „Route 66“ vorbei. Auf ihrer Reise 2007 war dies der Laden, den sie vom Angebot und dessen Qualität her zum Sieger erklärt hatten. Was lag da näher erneut einzukehren und alte Zeiten aufflammen zu lassen. Zudem wird es Ausländern ab Herbst per EU – Gesetz verboten sein wird in Niederländischen Coffee – Shops ihrer Konsumlaune zu frönen. Sie verweilten einige Stunden und diskutierten über den Sinn des Lebens und den darin enthaltenen Schall und Rauch. Schweren Schrittes schlurften sie tief in der Nacht zum Hotelboot und schliefen unter dem ständigen Schaukeln der „Noorderzon“ ein.

Am nächsten morgen lachte die Sonne durch die Bullaugen ihrer Kabine. Horch und Guck erwachten langsam aus ihren tiefen Träumen. Nachdem sich die Meisterspione a.D. frisch gemacht und gefrühstückt hatten, machten sie sich wieder auf den Weg in die Stadt. Diesmal mit dem Ziel, einen alten Bekannten ausfindig zu machen. Jack „die Klinge“ auch besser bekannt als Jack the Mes – Friseur der Reichen und Schönen. Wobei er sich das Alias „die Klinge“ eher als Geschichtswissenschaftler erworben hatte, den als Friseur. Denn scharf und unerbittlich geht er vor, wenn es darum geht, die Wahrheit in der Geschichtsschreibung hervorzuheben. Horch lernte Jack „die Klinge“ 1986 in einem Camp in Berchdesgaden in Bayern kennen. Seitdem trafen sie sich in unregelmäßigen Abständen, feierten ihre Freundschaft und diskutierten über Unregelmäßigkeiten in der Geschichtsschreibung und die allgemeine Korruption in der Gegenwart.

Horch hatte Jacks alte Telefonnummer mitgenommen und steuerte eine öffentliche Telefonzelle an um zu überprüfen, ob er ihn noch immer unter ihr erreichen würde. Er wählte die Nummer und nach dem das Freizeichen einige Male ertönte, nahm am anderen Ende jemand das Gespräch mit den Worten:“Hoi“ an. Horch erkannte die weibliche Stimme und fragte:“Belinda? Horch hier“ – „Oh Horch. Hoe gaat het? Ik krijg Jack“ (Wie geht es? Ich hole Jack). „Hoi Horch“ schallte es freudig durch den Hörer. „Wie geht es du? Wo bist du?“ – „Ich bin mit Guck in Amsterdam und wir erholen uns hier ein paar Tage.“ – „Hey dann kommt ihr hier zu mir. Ich muss heute noch arbeiten und habe kaum Zeit. Ich arbeite in der „Pyramide“ einem Coffee-Shop in einem Vorort von Amsterdam. Wenn ihr dorthin kommen wollt?“ – „Was für eine Frage, na klar. Gib mir die Adresse und wir kommen hin.“ Nachdem die Daten ausgetauscht waren, machten sich Horch und Guck auf den Weg zum Centraal Station und fuhren mit der Regionalbahn in Richtung Bussum. Nach einer kurzen Taxifahrt kamen sie an der von Jack genannten Adresse an. Da sie weit vor der verabredeten Zeit an der „Pyramide“ waren, schauten sie sich das Dorf in dem sie gelandet waren ein wenig genauer an. Bei ihrem Rundgang bemerkten sie, dass das ganze Dorf in einem recht ursprünglichen Zustand belassen worden war. Kleine Fachwerkhäuser bestimmten das Dorfbild und auch die Stadtmauer war noch zu großen Teilen erhalten geblieben. Fasziniert von dieser Ursprünglichkeit vergaßen sie alles um sich herum und kamen nun weit nach der verabredeten Zeit bei Jack an. Die „Pyramide“ war bereits gut besucht und die ersten Gäste sorgten für eine angenehme Raumatmosphäre. Als Jack die beiden erblickte, sprang er hinter dem Tresen hervor und sie fielen sich allesamt in die Arme. Nach der überschwänglichen Begrüßung ließen sich die beiden Meisterspione am Tresen nieder und die drei fingen an, die anwesende Gäste mit ihren unglaublichen Geschichten und Erlebnissen der Vergangenheit zu unterhalten.Bis spät in die Nacht saßen sie da, trugen ihre Abenteuer vor und philosophierten über Gott und die Welt. Irgendwann beendeten sie das gemütliche Beisammensein und machten sich auf den Weg zum Haus von Jack um dort einen weiteren Rausch auszuschlafen.

Belinda, die ein paar Stunden später über die Meisterspione a. D. in ihrem Wohnzimmer stolperte, war freudig überrascht, die beiden auch mal wieder zu sehen. Nach einem reichhaltigen und ausgiebigen Frühstück verabschiedeten sie sich voneinander und Horch und Guck fuhren mit der Regionalbahn zurück nach Amsterdam. Ihren letzten Tag ihrer Erholungsreise verbrachten sie damit, die kulinarischen Angebote der Stadt zu ergründen. Von den einmalig lecker zubereiteten niederländischen Friet Speciaal (Pommes) über Hering mit Zwiebeln bis hin zu Poffertjes (Pfannkuchen) schoben sie alles in sich rein was gerade greifbar war. Rund und gesund ließen sie sich, nach einem ausgiebigen Hafenspaziergang, am Abend in ihrer Koje nieder und schliefen die letzte Nacht an Bord der Noorderzon“. Am nächsten Morgen packten sie ihre sieben Sachen wieder zusammen und frühstückten gemeinsam mit den anderen an Bord be findlichen Gästen an Deck. Nachdem sie in einem Cafe vor der Centraal Station noch einen Kaffee in der Sonne genossen hatten, gingen sie zu ihrem Zug und fuhren ein wenig wehmütig wieder Richtung Heimat. Glücklich und erholt kamen sie am Abend wieder in Kreuzberg an.

Horch & Guck-Die Meisterspione a. D.

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