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Horch & Guck: Onkel Horch - Der Kreuzberger

Horch & Guck: Onkel Horch

Horch saß gerade an seinem Schreibtisch und verfasste ein Beobachtungsprotokoll für sein Archiv, als das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab, und sogleich fing die Stimme am anderen Ende an zu reden.

»Horch, komm bitte schnell rüber. Die Polizei ist hier und die wollen Dennis verhaften. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Du musst mir helfen, bitte. Schnell!«

»Bleib ganz ruhig, ich bin sofort bei euch«, antwortete Horch.

Er ließ alles stehen und liegen und machte sich umgehend auf den Weg zu Tina. Tina war eine Schulfreundin von Horch. Von Zeit zu Zeit hatte er sich immer mal wieder um ihren Sohn Dennis gekümmert, wenn Tina, die alleinerziehend war, mal eine Auszeit benötigte. Über die Jahre entwickelte sich so eine freundschaftliches Verhältnis zwischen Dennis und Horch, der für ihn so etwas wie ein Vaterersatz geworden war. Dennis war nun mittlerweile sechzehn Jahre alt und in einem Alter, in dem die meisten Jugendlichen ihren Eltern Probleme bereiten. Das er mal mit einem blauen Auge oder mit einer blutigen Nase nach Hause kam, daran hatte sich Tina bereits gewöhnt. Aber dass er jetzt auch noch die Polizei mitbrachte, die mit einem Durchsuchungsbefehl in der Hand die Wohnung auf den Kopf stellte, war zu viel für sie. Da sie in direkter Nachbarschaft zu Horch wohnte, war dieser innerhalb von ein paar Minuten vor Ort. Mit dem Zweitschlüssel, den Tina für den Notfall bei Horch deponiert hatte, verschaffte sich Horch Zugang zum Haus. Er ging in die zweite Etage hinauf und schloss die Wohnungstür auf, wo die Polizei bereits eifrig damit beschäftigt war, jeden Winkel genau zu durchsuchen.

Sogleich kam einer der Beamten zielstrebig auf Horch zu und fragte ihn: »Wer sind Sie denn? Was machen Sie hier? Wohnen Sie hier?«

Horch schaute den Beamten von oben bis unten an und sagte: »Das Gleiche könnte ich Sie fragen. Wer sind Sie? Und was wollen Sie hier? Dass Sie hier nicht wohnen, weiß ich.«

»Die Fragen stelle ich hier. Sind Sie der Bekannte, den Frau Zimmermann eben angerufen hat?«, fragte der Beamte und Horch antwortete: »Ich glaube Sie stellen ganz schön viele Fragen für jemanden, der mir gegenüber ausweispflichtig ist und mir bis jetzt als unrechtmäßiger Eindringling gegenübersteht. Also wären Sie so freundlich, mir Ihren Dienstausweis zu zeigen, anderenfalls bitte ich Sie, umgehend diese Wohnung zu verlassen«, und zog zeitgleich seinen Ausweis hervor.

Horch wandte sich an Tina und Dennis, die in der Küche saßen und von einem Beamten in Zivil bewacht wurden: »Hallo, ihr beiden, wie geht es euch, alles gut soweit?« Er wandte sich an Tina: »Gib mir bitte mal die Kopie von dem Durchsuchungsbeschluss.«

»Ich habe keine bekommen«, erwiderte Tina.

»Wie? Du hast keine Kopie vom Durchsuchungsbeschluss?«, entrüstete sich Horch und wandte sich wieder dem Beamten zu, der vor ihm stand: »Ist das wahr? Sie haben Frau Zimmermann keine Kopie von dem Durchsuchungsbeschluss ausgehändigt?«

Der Beamte schaute nervös zu seinem Kollegen, der in der Küche den Aufpasser spielte: »Hast du Frau Zimmermann die Kopie vom Durchsuchungsbeschluss ausgehändigt?«

Verlegen schüttelte der Beamte den Kopf.

»Na dann, meine Herren, ist die Durchsuchung hiermit so lange auf Eis gelegt, bis Sie Frau Zimmermann eine Kopie vom Durchsuchungsbeschluss ausgehändigt haben.«

Der Beamte, der vor Horch stand, fragte ungehalten: »Wollen Sie unsere Ermittlungen behindern?«

»Ganz gewiss nicht, ich wende nur das Frau Zimmermann zustehende Recht an, welches Sie mit Füßen treten. Und jetzt könnt ihr euch ganz entspannt hinsetzten und eine Kaffeepause machen, der Einsatz ist fürs Erste stillgelegt.«

»Geben Sie mir doch erst einmal ihren Ausweis«, forderte der Beamte Horch auf.

»Da sagen Sie was. Sie sind mir ebenfalls noch Ihren Ausweis schuldig. Tauschen wir also die Papiere.«

Horch gab dem Beamten seinen Ausweis, und dieser hielt Horch den seinen hin.

»Aha, Herr Hauptkommissar Richter.«

Der Hauptkommissar schaute skeptisch auf Horchs Ausweis und fragte: »Was ist das, wenn ich fragen darf?«

»Mein Ausweis«, erwiderte Horch.

»Der ist doch Marke Eigenbau.«

»Das habe ich schon öfter gehört, aber am Ende war doch alles legitim. Aber bitte, es steht Ihnen frei, die Daten auf dem Ausweis zu überprüfen.«

»Das werde ich auch machen«, unterstrich der Beamte sein Misstrauen gegenüber Horch.

Horch ging zu Tina und Dennis in die Küche und setzte sich zu ihnen an den Tisch.

»So, nun erzähl mal Dennis. Was genau wird dir vorgeworfen?«

»Ach, die behaupten, ich hätte mir unberechtigterweise Zugang zum Rechnersystem vom BND verschafft und mir dabei brisantes Datenmaterial angeeignet.«

Horch war verblüfft: »Was, echt?« und fügte grinsend an »Respekt!«

»Sie sollten den Jungen nicht noch bekräftigen, in dem was er getan hat, das macht die Sache nicht besser«, warf der Beamte ein, der das Trio im Auge behielt.

»Ihr habt doch nur Schiss, dass er irgendwelche Daten hat, die eure Machenschaften aufdecken könnten. Ihr solltet ihm viel lieber dankbar sein. Vielleicht hat er ja, sollte er tatsächlich beim BND herumspioniert haben, noch die versehentlich gelöschten NSU-Daten auf seiner Festplatte gespeichert.«

Der Hauptkommissar wurde sichtlich nervös und fragte einen seiner Kollegen hektisch: »Wo bleibt die Kopie vom Durchsuchungsbeschluss?«

»Stefan müsste gleich mit dem Ding hier sein«, antwortete ihm einer aus der Gruppe.

Horch wandte sich wieder Dennis zu: »Aber zunächst muss dir eins klar sein, bis der Anwalt hier ist, sagst du, außer den Angaben zu deiner Person, kein Wort, verstanden? Nichts, zu niemandem! Und auf jede Frage der Beamten gibst du die gleiche Antwort: Ich verweigere die Aussage. Klar?«

»Ja, klar«, erwiderte Dennis.

Horch wandte sich zu Tina: »Hast du schon einen Anwalt bestellt?«

»Ja, den, von dem du mir damals die Nummer gegeben hast.«

»Dr. Dressler?«, fragte Horch.

»Ja, genau den.«

»Sehr gut, der versteht wenigstens etwas von seiner Arbeit. Nicht wie viele andere Quacksalber, die nur ihre Honorare kassieren, aber keine Leistung erbringen.« Horch drehte sich zu den Beamten: »Da könnten sich die Herren schon einmal warm anziehen. Wenn der auspackt, könnt ihr einpacken. Der haut euch einen Verfahrensfehler nach dem anderen um die Ohren.«

»Ich wette, bis der hier ist, sind wir fertig«, entgegnete ihm einer der Beamten.

»Da setzte ich gegen. Wer auf meine Empfehlung hin anruft, wird bevorzugt behandelt.«

Horch drehte sich wieder zu Tina: »Du hast ihm doch gesagt, dass du von mir kommst?«

»Ja, das habe ich«, erwiderte sie.

»Na dann wird er bald hier sein. Sie haben eh Pause, bis Sie Frau Zimmermann den Durchsuchungsbeschluss in Kopie ausgehändigt haben. Tina, mach den Herren doch mal einen Kaffee, dann wird ihnen die Pause nicht so lang.« Horch wandte sich den Beamten zu: »Die Herren trinken doch Kaffee, oder?«

Einstimmig bejahten die Beamten das Angebot, und Tina machte sich sogleich daran, die Polizisten zu versorgen.

Während sich die Beamten in ihrer Zwangspause bei einem Kaffee angeregt über vergangene Fälle unterhielten, flüsterte Horch zu Dennis: »Hast du das Verschlüsselungsprogramm installiert, was ich dir gegeben habe?«

»Ja, letzte Woche.«

»Na dann lass mich mal machen.«

Horch holte sein Mobiltelefon vor und dank des, von Guck entwickelten Computerprogramms, war er in der Lage, sich von seinem Mobiltelefon aus unauffällig Zugang zu dem Rechner von Dennis zu verschaffen. Ohne, dass es einer der Beamten bemerkte, fuhr Horch den Rechner herunter.

Ein paar Minuten später traf der Beamte mit einer Kopie vom Durchsuchungsbeschluss ein.

»So, Frau Zimmermann, da ist das gute Stück«, und hielt Tina die Kopie vom Durchsuchungsbeschluss hin. »Wir werden dann mal wieder an die Arbeit gehen.

Umgehend machten sich die Beamten daran, die Durchsuchung fortzusetzen. Erstaunt stellten sie fest, dass der Rechner von Dennis, auf dem sie die brisanten Daten vermuteten ausgeschaltet wurde. Empört fragte der Hauptkommissar: »Wer hat den Rechner heruntergefahren?« Er schaute seine Kollegen fragend an. »War das einer von Euch?« Diese jedoch erwiderten die Frage mit einem Kopfschütteln oder Schulterzucken.

»Der Rechner wird sich vermutlich von selbst abgeschaltet haben. Energiesparmodus oder so«, warf Horch grinsend ein.

»Wollen Sie mich verarschen?«, erwiderte der Beamte gereizt.

»Wenn es der Wahrheitsfindung dienlich wäre, ja«, provozierte Horch.

»Scheiße, ich könnte doch glatt wetten, dass der Rechner mit einer Verschlüsselung gesichert ist.«

»Ist er?«, fragte Horch scheinheilig in Dennis´ Richtung der kurz und knapp antwortete: »Ist er«. Der Hauptkommissar fuhr Dennis rüde an: »Wenn Sie sich Ärger ersparen wollen, sollten Sie uns das Kennwort geben. Die Spezialisten aus der EDV-Abteilung knacken das Kennwort sowieso in ein paar Minuten.«

»Das ist doch gelogen!«, warf Horch ein. »Ihre Spezialisten aus der EDV-Abteilung können vielleicht Festplatten rekonstruieren oder die Daten von einem Mobiltelefon sichern, aber an einer Verschlüsselung beißen sie sich die Zähne aus. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Ansonsten würden Sie hier nicht winselnd um das Kennwort bitten, sondern den Rechner einfach mitnehmen.«

Der Beamte schaute zu Dennis. Dieser antwortete ihm selbstsicher: »Ich mache von meinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.«

»Sehr gute Antwort, mein Junge«, freute sich Horch.

»Dann werde ich mich jetzt mal um Ihren Ausweis kümmern«, versuchte der Beamte nun Horch einzuschüchtern und wedelte mit dem Dokument in der Hand vor dessen Nase herum.

»Tun Sie das, und verbummeln Sie ihn nicht. Das ist ein Unikat.«

»So sieht er auch aus«, erwiderte der Beamte.

Nach ein paar Minuten kam dieser mit dem Ausweis wieder.

»Haben Sie einen Personalausweis?«, fragte er Horch.

»Warum? Stimmt was nicht mit dem Ausweis?«

»Die Zentrale meldet mir zu der Nummer auf dem Ausweis nur einen Sperrvermerk, aber ich würde schon gern wissen, mit wem ich es zu tun habe.«

»Ich würde auch gern so vieles wissen, aber wenn Ihre Kompetenzen nicht ausreichen den Sperrvermerk zu übergehen, wird das wohl seine Gründe haben.«

Wie es weitergeht, erfahrt ihr im Buch ab Seite 63.