Müll – was war das doch gleich? (Teil 1)

In der letzten Ausgabe hatte ich angedeutet, dass ich näher auf ein Designkonzept eingehen möchte, dass die Welt verändern kann. Dieses nennt sich Cradle to Cradle (von der Wiege bis zur Wiege) und wurde von Michael Braungart und William McDonough entwickelt (http://www.braungart.com/). Der eine Chemiker und der andere Architekt. Ich hoffe, dass ich ihre Ideen in ihrem Sinne wiedergeben kann und versuche später noch aus meiner Sicht Überlegungen anzustellen, welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen sich aus dieser neuen Sichtweise ergeben könnten. Leitfaden für diesen Artikel ist das Buch von den Beiden, dass ich nur wärmstens empfehlen kann. Es heißt „Einfach intelligent produzieren“ (ISBN 978-3-8333-0183-4). Hört sich trocken an, ist es aber nicht, sondern voll von innovativen Lösungen, die unsere derzeitigen Welt dringend benötigt.

Als Einstieg möchte ich die Behauptung aufstellen, dass der Mensch sich in der Regel nicht als Bestandteil der Welt begreift, sondern durch seine Fähigkeit zu Denken annimmt, sich in einer besonderen Stellung zu befinden. Diese Fähigkeit lässt ihn vermuten, er könne losgelöst von der Umwelt agieren. Inzwischen muss er sich eingestehen, dass seine Handlungen Auswirkungen haben, die ihn fast an die Grenze der Auslöschung seiner eigenen Existenz führten. Es gab die Zeit, da wollte er sich die Welt zum Untertan machen, obwohl dieses Denken immer noch weit verbreitet ist, mutiert er nun langsam zum großen Büßer, der Zerstörung und Leid über die Erde gebracht hat. In beiden Modellen hat er nicht begriffen, dass er einfach nur Bestandteil der Erde ist, nicht mehr und nicht weniger. Ja der Mensch lebt, verbraucht Sauerstoff, stößt CO2 aus, zerstört Dinge und baut welche auf. Er gehört zur Erde, zum Leben. Dieses Verspricht alles sterben zu lassen, was je geboren wurde. Wenn der Mensch etwas zerstört um zu leben, so macht er dies zumeist nachhaltig, jedoch nicht in dem Sinne wie die Natur es vor lebt. Denn eigentlich ist an diesem Vorgang nichts verwerfliches, wenn wir nur den Gesetzen der Natur vertrauen und folgen würden. Ein Hauptprinzip der Welt ist, nichts geht verloren und alles Verbrauchte wird als Nährstoff für andere wieder freigesetzt. Es existiert einfach kein Müll, es finden im Prinzip nur transformatorische Vorgänge statt. Abfallstoffe sind sogleich auch immer Nährstoffe für andere Lebensformen! Dadurch konnte eine Artenvielfalt entstehen, die sich allein durch die Nutzung von Sonne und den entstandenen Elementen, im permanenten Wandel befindet und am Leben erhält.Genau hier setzt Cradle to Cradle an.

Auf der Webseite der EPEA GmbH werden die drei Hauptprinzipien so gut beschrieben (http://epea-hamburg.org/index.php?id=47&L=4), das ich mir erlaubt habe, sie 1-1 zu übernehmen. Zum Verständnis, der Gründer der EPEA ist Prof. Dr. Michael Braungart, die EPEA selbst ist ein internationales Forschungs- und Beratungsinstitut, das durch öko-effektives Design die Qualität und den Nutzwert von Materialien, Produkten und Dienstleistungen optimiert.

 

Abfall ist Nahrung

Die Prozesse jedes an einem lebendem System beteiligten Organismus‘ tragen etwas zur Gesundheit des Ganzen bei. Die Blüten eines Baumes beispielsweise, seine „Abfälle“, fallen zur Erde, wo sie abgebaut und so zur Nahrung für andere Organismen werden. Mikroben etwa ernähren sich von dem organischen „Abfall“ und deponieren wiederum Nährstoffe im Erdboden, die dem Baum erneut zugutekommen. Der „Abfall“ des einen Organismus ist Nahrung für einen anderen. Menschliche Pläne, die diesem Nährstoffzyklus nachgebildet sind – Zyklen, in denen Müll in dem Sinn nicht mehr vorkommt, – bilden die Grundlage der Materialfluss-Systeme, die ein integraler Bestandteil der Cradle to Cradle® -Produktionsweise sind.

 

Nutzung erneuerbarer Energien

Die erste industrielle Revolution schöpfte ihre Energie vorwiegend aus dem Reservoir der Vergangenheit; sie nutzte fossile Brennstoffe, die Millionen von Jahren zuvor entstanden waren. Die Atomenergie belastet die Zukunft mit Hypotheken und schafft für viele künftige Generationen hochgefährliche Verpflichtungen. Systeme jedoch, die durch Sonnenenergie angetrieben werden, nutzen die Energie von heute, ohne die Zukunft unserer Kinder nachhaltig zu belasten. Die Konstruktion von Produkten und Systemen kann die natürliche Energie der Sonne auf vielerlei Weise gewinnbringend und produktiv einsetzen. Das direkte Auffangen der Sonnenenergie ist eine Möglichkeit. Die Windkraft, die durch Thermik infolge des Sonnenlichts erzeugt wird, ist eine weitere Quelle, ebenso wie Biomasse und andere Energiequellen.

 

Unterstützung von Diversität

Natürliche Systeme funktionieren und gedeihen durch Komplexität. Verglichen mit den Standardlösungen der industriellen Revolution und der in der Globalisierung so geschätzten Einförmigkeit, fördert die Natur eine unendliche Vielfalt. An die Produktion von Gütern muss letztlich mit vielfältigen Ansätzen herangegangen werden.Sich auf ein einzelnes Kriterium zu konzentrieren, schafft Instabilität im größeren Kontext und repräsentiert das, was wir einen „Ismus“ nennen: eine extreme, völlig von der Gesamtstruktur losgelöste Position.

Das ist der Leitfaden den sich Cradle to Cradle verpflichtet fühlt und aus dem zwei Kreisläufe erstellt wurden. Zum einen wird der schon seit ewigen Zeiten bestehende biologische Kreislauf genutzt oder besser, es wird wieder aktiver an ihm teilgenommen und ein, in dem Geiste, adaptierter technischer Kreislauf erstellt. Jedes Produkt wird schon konzeptionell darauf ausgerichtet, dass seine Materialien entweder dem einen oder dem anderen unterworfen sind und somit wieder zu 100% zurückgeführt werden können. Das bedeutet das Produkte von Anfang an im Hinblick auf ihren gesamten Lebenszyklus entwickelt werden. Hier wird nicht versucht sich etwas anzunähern, sondern man bewegt sich in geschlossenen Kreisläufen. Dies bedeutet im Hinblick auf das Produkt nicht Effizient zu sein, sondern Effektiv, ein gravierender Unterschied, den ich noch erklären werde.

Das Problem der heutigen Wirtschaft (auch der meisten ökologischen) ist, dass sie Materialien aufwenden um ein Produkt herzustellen, was nach Gebrauch weggeschmissen wird. Michael Braungart nennt den Vorgang „ Von der Wiege bis zur Bahre“. Es wird ein Rohstoff zugeführt, dann zu einem Produkt verarbeitet, benutzt und dann weggeschmissen. Die entstandene Knappheit der Ressourcen und die Verwendung von Giftstoffen in den Produkten regte zum nachdenken an. Nicht nur die Ökobewegung versuchte nun, entweder die Materialien schadstoffärmer zu machen (um sie dann wegzuschmeißen) oder die Materialien (nachdem sie weggeschmissen wurden) nochmals irgendwie zu nutzen (Recycling). Doch was steckt hinter dieser Herangehensweise. Der Mensch begreift sich weiterhin als Fremdkörper in einem (damals) intakten System, dass er durch seine Anwesenheit und seinen Verbrauch zerstört. Nun glaubt er die Aufgabe zu haben, es wieder in Ordnung zu bringen (oder auch nicht). Er tut nun Buße und versucht weniger schädlich für die Umwelt zu agieren, also effizienter zu werden, was nichts anderes heißt, langsamer zu zerstören. Was wäre wenn er nicht für oder gegen sie, sondern in Ihrem Sinne handeln würde. Was wäre wenn Produkte so konzipiert würden, dass sie zu 100% zurückgeführt werden könnten. Es gibt nur ein Lebewesen was Müll produziert, dass ist der Mensch, wieso also handeln wir nicht wie der Rest derWelt, maßlos und verschwenderisch, jedoch absolut Umweltverträglich, denn Müll wäre Rohstoff. Ein ganz neuer Denkprozess könnte eingeleitet werden, denn nun könnten wir an der Maßlosigkeit der Natur teilhaben. Ein schöner Satz in dem Buch heißt „Weniger schlecht – ist nicht gut“. Dies beschreibt sehr gut den Denkfehler, den viele machen, um auf die industrielle Zerstörung zu reagieren. Der Versuch effizienter zu handeln, bedeutet eben nur weniger Energie zu verbrauchen, weniger Schadstoffe in die Welt zu pusten, zu reduzieren, zu vermeiden usw, doch es bleibt die gleiche Handlung, nur eben weniger. Dies hört sich so an, wie wenn ich gegen Gewalt bin und meine Frau anstatt 5 mal die Woche, „nur“ noch 2 mal die Woche schlage und dies als bedeutenden Fortschritt gegen Gewalt verkaufen will. Wie wäre es, mit dem Schlagen komplett aufzuhören. Es geht nicht darum Prozesse zu verlangsamen, sondern zu beseitigen, um sie zu ersetzen. Michael Braungart sagt dazu: „Wenn ein System zerstörerisch ist, sollte man nicht den Versuch machen, es effizienter zu gestalten. Stattdessen sollte man Möglichkeiten finden, es vollständig umzukrempeln, so dass es effektiv wird.“

Hier kommt der qualitative Unterschied von Effektivität zum tragen, wir dürften nämlich konsumieren, verbrauchen, verschwenden, genießen, denn jegliches Handeln würde nun im Einklang mit der Natur geschehen.

Wie könnte es aussehen, wenn kein Müll mehr anfällt!? Kein schlechtes Gewissen beim Picknick etwas zu hinterlassen. Verpackungen wären so konzipiert, dass sie gefahrlos weggeschmissen werden könnten, da sie sich zersetzen und als Humus für Pflanzen dienen. Wir verbrauchen nichts mehr sondern gebrauchen, nach dem Gebrauch wird alles wieder einem der beiden Kreisläufe zugeführt. Der Plastikbecher (aus biologisch abbaubaren Stoffen) könnte wie eine Bananenschale einfach verrotten und würde nicht Jahrzehnte oder länger die Landschaft verunstalten und vergiften, sondern als Rohstoff für Pflanzen wieder zu Verfügung stehen. Kleidung wird zu Humus, da sie nur bio-logische Farben und Stoffe enthält, Häuser würden CO2 absorbieren und Lebens-raum für andere Lebewesen bereitstellen und so weiter.

Welche Möglichkeiten jetzt schon bestehen, vom Becher bis zu Häuserkomplexen, möchte ich in der nächsten Ausgabe vertiefen. Dort werde ich noch mal genauer auf die beiden Kreisläufe eingehen und anhand von Beispielen die unglaublichen Perspektiven darstellen, die sich daraus entwickeln könnten. Wir leben in einer Welt, in der der Kampf um die Rohstoffe voll im Gange ist. Kriege werden um sie geführt, Menschen werden ausgegrenzt, es wird von Überbevölkerung gesprochen. Der Gedanke es wäre nicht genug für alle da, zerstört das Zusammenleben. Das Beispiel der Ameise, die von ihrer Masse her 4-6 mal höher ist, als die des Menschen (das entspricht ca. 30 Milliarden Menschen) ohne dabei die Erde zu zerstören, sollte uns zum nachdenken bringen.

Dann bis zum nächsten Mal mit unglaublichen Beispielen, für eine Welt für alle Lebewesen!

Geschrieben von Bookfield

 

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