Olly´s Kommentar: EUROGIDA

“Unterstützt die Kleinen, nicht die Großen!

Anfang Juni wird in dem ehemaligen Penny-Laden in der Wrangelstrasse 85 ein Eurogida-Supermarkt eröffnen. Eurogida betreibt bereits 9 Großfilialen* in ganz Berlin und möchte nun auch in den Wrangelkiez expandieren, die Umbauarbeiten haben bereits begonnen. Die kleinen Bäckereien und Gemüseläden sehen sich dadurch in ihrer Existenz bedroht, da sie “in Kartongröße einkaufen und Euro-Gida in Paletten einkauft”. Die Familien, die hier von ihren kleinen Geschäften leben, ächzen sowieso schon unter den steigenden Mieten, eine solche Großkonkurrenz würden sie kaum verkraften. Der Besitzer von Eurogida hat darauf angesprochen erklärt, dass ihm das egal sei und es ihm nur um sein Geschäft ginge. Eurogida ist ein Unternehmen mit zweistelligen Millionenumsätzen.”

Mit diesem Aufruf gegen die Neueröffnung von eines Lebensmittelladens der Firma Eurogida gingen die im Wrangelkiez ansässigen Kleinhändler an die Öffentlichkeit. In der Sorge um ihre Existenz informierten sie die Anwohner über ihre Situation. Sie stellten einen Informatinsstand an der Ecke Wrangel-/Falckensteinstraße auf, veröffentlichten im Internet über die Plattform you tube ein Video zum Thema und sammelten Unterschriften gegen die Neueröffnung. Die Bemühungen sind weitreichend, werden aber in ihrem Ergebnis zu keinem Erfolg gegen die weiter Verkommerzialisierung von SO 36 beitragen können. Dieses Problem hätte man viel früher angehen müssen.

Bereits in den vergangenen Jahren mussten HändlerInnen den Kiez aufgrund steigender Mieten und wegen des Zuzugs von Konkurrenzunternehmen wie zum Beispiel McDonalds, verlassen und ihr, teilweise über Jahrzehnte geführtes Geschäft umsiedeln oder gar aufgeben. Auch diese versuchten sich gemeinsam gegen die steigenden Mieten beziehungsweise gegen den Zuzug der Unternehmen zu organisieren-ohne Erfolg. In diesem Wandel ist es nicht verwunderlich, dass es nun, mit den Obst- und GemüsehändlerInnen, die Nächsten trifft.

Faktisch gesehen

Da dieses Geschäft in der Wrangelstraße 85, welches nun von Eurogida genutzt wird seit Jahren leer stand und für jeden ortsansässigen Gewerbetreibenden zu groß beziehungsweise zu teuer war, war es somit nur eine Frage der Zeit wann dort wieder ein Konsumtempel einziehen würde. Wenn es Penny, Aldi oder Netto gewesen wäre, was hätten die Betreiber von „Kaiser´s“ oder „Nah Kauf“ gesagt. In diesem Punkt muss man dem Besitzer von Eurogida zugestehen, dass es ihm in einer freien Marktwirtschaft „egal“ sein darf, wenn er mit seinem Unternehmen expandiert und andere, kleinere HändlerInnen darunter zu leiden haben.

Dieses Thema zeigt zudem auf, dass wenn überhaupt, nur der Themenübergreifende, gemeinsame Protest etwas bewirken kann. Denn die Situation sähe wohl anders aus, hätten von Beginn an alle HändlerInnen und Anwohner geschlossen zusammengehalten und nicht gesagt: „Ach, die steigenden Mieten im Nachbarhaus interessieren mich nicht, ich bin davon nicht betroffen“ oder „Der Zuzug von McDonalds ist mir egal, ich verkaufe keine Currywurst sondern Klamotten“. Denn der Einzelhandel in diesem Kiez ist bereits seit Jahren von den Unwegsamkeiten die eine wenn auch zum Teil halsabschneiderisch umgesetzte, freie Marktwirtschaft mit sich bringt, bedroht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind es die Obst- und GemüsehändlerInnen, die im Kampf um ihre Existenz auf verlorenem Posten stehen und gezwungen sind, den Kampf mit Goliath auszufechten. Es liegt in der Verantwortung von AnwohnerInnen, Kundinnen und Kunden durch ihr Einkaufsverhalten darüber zu entscheiden, ob David den Kampf gegen den ungleichen Gegner gewinnt. Von dieser Entscheidung hängt es auch ab, ob sich das Straßenbild weiterhin verändern wird oder die Solidarität untereinander soweit reicht, weiterhin einen kleinen Aufpreis bei den HändlerInnen und Händlern um die Ecke zu bezahlen und dafür wie gewohnt den persönlichen Service zu erhalten. Der Zuzug von Eurogida ist somit nicht nur ein Umstand der über die Existenz der ortsansässigen HändlerInnen entscheidet, sondern auch die zukünftige Existenz der persönlichen Zwischenmenschlichkeit, die Kleinhändleroasen bieten, in Frage stellt.

Persönlich halte ich es bereits seit Jahren so, nur in Ausnahmefällen einen, im Volksmund genannten, Discounter zu betreten. Auch wenn ich es mir aus finanzieller Sicht nicht erlauben kann, erledige ich meine Einkäufe beim Einzelhändler im Kiez. Dabei kommt mein Händler-Rotationsprinzip jedem Geschäft zugute. Mal kaufe ich meinen Tabak und die Blättchen im Kiosk in der Wrangelstraße 52, oder 58. Mal in dem Kiosk in Haus Nr. 86 und dann wieder im kleinen Laden in der Nr. 87. Meine Schrippen kaufe ich ebenfalls im ständigen Wechsel der AnbieterInnen – mal hier mal dort. Dieses Händler-Rotationsprinzip wende ich bei jedem weiteren Einkauf von mir an. Beim Lebensmittelladen von Kaiser´s stößt das Händler-Rotationsprinzip an seine Grenzen. Seit dem Umbau hat der Laden seinen alten Kiez-Charme verloren und zieht Klientel an, welchem ich nicht begegnen möchte. Wo ist zum Beispiel der auf seinem Rollator sitzende, vom Leben gezeichnete Mann, der an manchen Tagen sein Gemächt der Öffentlichkeit präsentierte um seine Notdurft direkt vor dem Eingang des Ladens zu verrichten. Gewiss kein schöner Anblick, aber es macht doch in gewisser Weise den Charme vom Kiez aus!

Tipp: Wem am Ende des Monats das Geld ausgeht weil man es Kiezsolidarisch in die Läden der Kleinhändler getragen hat, um deren Existenz zu sichern, wird man durch die an anderer Stelle existierende Solidarität im Kiez ebenfalls unterstützt. Die Bürgerhilfe in der Cuvrystraße — bietet nicht nur eine warme Mahlzeit am Tag, sondern hat für die Sorgen und Nöte ihrer BesucherInnen auch ein offenes Ohr und steht mit Rat und Tat zur Seite.

Fazit: „Eine Hand wäscht die andere“.

*Laut der Firmenpräsenz im Internet hat Eurogida bisher acht Filialen in Berlin, die neu eröffnete Filiale im Wrangelkiez wäre somit die neunte.

 

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