PIXIE – Andrea Mohr im Interview

Wer sich den Kreuzberger regelmäßig zu Gemüte führt weiß, daß Andrea Mohr vor ein paar Monaten gemeinsam mit Howard Marks im Kit Kat Club mit der Show „Pixie meets Mr. Nice“ zu Gast war. Da mich ihre Show, die hauptsächlich ihr Leben als Schmugglerin behandelte, sehr beeindruckt hat, bin ich erfreut darüber euch diese Frau und ihr facettenreiches Leben vorstellen zu dürfen und ihr in einem Interview einige Fragen dazu sowie zu ihrem neuen Buch „Pixie“ stellen durfte.

Zunächst möchte ich euch einen kurzen Überblick zu ihrem Leben verschaffen.

Andrea Mohr kam am 19. Juli 1963 in Neustadt an der Weinstraße zur Welt. Dort besuchte sie die Grundschule und absolvierte ihr Abitur. Im Anschluß daran besuchte sie sie zur Ausbildung als Fremdsprachenkorrespondentin die Abendschule „Inlingua“ in Mannheim. 1985 begann sie an der Freien Universität Berlin ein Studium in Japanologie und Amerikanistik. Fest nach Berlin gezogen ist sie dann allerdings erst 1986.

Von da an arbeitete sie regelmäßig in verschiedenen Cabarets der Stadt als Stripteasetänzerin. Zwischendurch verdiente sie ihr Geld auch als Fotomodel und Hostess. Diese beiden Berufe brachten sie in ferne Länder wie Tokio, Kyoto und Los Angeles. 1996 kehrte sie Berlin endgültig den Rücken und zog gemeinsam mit ihrem damaligen Mann nach Australien in die Stadt Melbourne.

Ab diesem Zeitpunkt beherrschten die Drogen ihr Leben in allen Belangen. Nicht nur, dass sie Drogen jeder Art konsumierte, nun war sie mit in das Geschäft um das schnelle Geld eingestiegen und organisierte den Handel mit der begehrten Ware. Für die Lagerung des damit verdienten Geldes hatte sie extra eine Wohnung angemietet, von deren Lage nur sie selber Kenntnis hatte. Es hätte alles so gut weiterlaufen können. Hätte. Wenn da nicht die „Spielverderber“ der Staatsmacht, genauer gesagt die Mitarbeiter der Drogenfahndung gewesen wären. Diese observierten Andrea Mohr und ihr geschäftiges Treiben und am Ende musste sie für fünf Jahre in ein australisches Gefängnis einwandern.

Verurteilt wegen der Mittäterschaft bei der Einfuhr von 5,5 Kilogramm Kokain. Nachdem sie ihre Strafe abgesessen hatte, wurde sie 2004 nach Deutschland ausgewiesen. Sie lebt seitdem wieder in ihrer Heimatstadt Neustadt an der Weinstraße. Sie arbeitet als Freie Autorin und hat Bücher wie „Trends und Lifestyle in Berlin“, „Kulinarische Entdeckungsreise durch Niederösterreich“ und „Eine Weinreise durch die Pfalz“ geschrieben.

Sie veröffentlichte eine Reihe von Kurz-geschichten, von denen zwei auch ihren Weg in das Buch von Howard Marks, „Tripping“, fanden.

Ihr neuestes Werk, dass am 5. Januar 2011 erscheint hat ihren Spitznamen „Pixie“ zum Titel. In Australien ist es bereits seit Juli 2009 auf dem Markt und gehört dort landesweit zu einem der meistverkauften Bücher. Glück für uns, denn somit entschied sich Andrea das Werk ins deutsche zu übersetzen und somit auch uns zugängig zu machen. „Pixie“ – handelt von ihrer Zeit als Drogenschmugglerin. Die Haftzeit im australischen Frauengefängnis und von der Polizeikorruption in Melbourne.

Nun fragt man sich unweigerlich, was eine Frau zu so einem Leben bewegt hat und wie sie rückblickend auf das Geschehene ihre Zukunft sieht. Ob es wirklich nur die 5,5 Kilo Kokain waren die durch ihre Hände gegangen sind und andere Fragen zu ihrer Person, kläre ich nun im Interview mit Andrea Mohr.In Deinem Buch „Pixie“ schreibst Du sehr ausführlich über Dein Leben mit Drogen.

Wann hattest Du den ersten Kontakt mit bewußtseinserweiternden Substanzen?

Andrea: „Mit 14 Jahren habe ich meinen ersten Joint auf dem Schulhof geraucht“ und fügt lachend an: „Fortan habe ich mit den anderen fast in jeder Pause gekifft. Es war auch die Zeit, wo wir alle gerne Hippies gewesen wären. Als ich 16 war, sind wir mit dem Auto durch Frankreich gefahren, haben hier und dort gecampt, vieles konsumiert und haben einfach eine schöne Zeit gehabt.“

Du hast 10 Jahre in Berlin gelebt. Wo hast Du gewohnt und in welchen Cabarets hast Du gearbeitet?

Andrea: Am Anfang habe ich in Charlottenburg gewohnt. Als ich dann Carl kennen- gelernt habe bin ich mit ihm zusammen nach Schöneberg in die Naumannstraße gezogen. Gearbeitet habe ich unter anderem in einem Cabaret in der Martin-Luther Straße, ebenfalls in Schöneberg.“

Du hast durch Deine Arbeit viel von der Welt gesehen. Kannst Du sagen wo es Dir auf Deinen Reisen am besten gefallen hat?

Andrea: „Das ist schwierig so genau fest-zulegen. Aber ich würde sagen Südameri-ka hat mich sehr beindruckt und dort insbesondere Chile, ansonsten hat der Asiatische Raum seinen Reiz.“

Wie bist Du in das Geschäft mit dem Drogenhandel reingerutscht?

Andrea: „Ich hatte schon immer das Talent die richtigen Leute kennen zu lernen. Auf meinen Reisen als Fotomodel und Hostess habe ich viele Länder gesehen und noch mehr interessante Leute getroffen. Man sitzt in einer Bar, kommt mit einigen Leuten ins Gespräch und schon war wieder ein neuer Kontakt entstanden. So kam dann auch der Einstieg ins Drogengeschäft zustande. Ich lernte in einer dieser Bars einen Mann kennen, unterhielt mich eine Weile mit ihm und kurze Zeit später waren die ersten Kilos Kokain unterwegs. Später, als beiderseitiges Vertrauen vorhanden war, wurden die Mengen immer größer.“

Kannst Du Angaben zu den Mengen machen, die Du damals geschmuggelt hast?

Andrea: „Nein, nur soviel, es waren keine geringen Mengen.“

Hast Du aus rein finanziellen Gründen angefangen mit Drogen zu handeln oder gab es für Dich auch einen ideologischen Hintergedanken bei der Sache?

Andrea: „Selbstverständlich war der Verdienst auch ausschlaggebend. Wodurch verdient man sonst so schnell, so leicht soviel Geld? Aber ich war und bin für die Legalisierung sämtlicher Drogen. Jeder Mensch sollte für sich selbst entscheiden können was er konsumieren möchte, ohne sich dabei strafbar machen zu müssen. Zudem fördert ein Verbot die Kriminalität und Machtkämpfe um die Vorherrschaft im Geschäft. Desweiteren wird der Stoff, bis er den Endverbraucher/Konsumenten erreicht mehrfach gestreckt, sodaß am Ende nur noch 30 Prozent der ursprünglichen Droge und 70 Prozent an irgendwelchen Zusatzstoffen/Streckmitteln enthalten sind, was die Gesundheit unnötig gefährdet. Und das Thema zu tabuisieren ist nicht gerade zuträglich für die Aufklärung um den „Mythos“ Droge. Das Alkoholverbot in den USA hat seinerzeit gezeigt, wohin solche Restriktionen führen.“

Wie hast Du das Geschaft mit den Drogen aus Deiner Sicht erlebt?

Andrea: „Es war ein ständiges Katz und Maus Spiel mit den Behörden. Man selber versuchte die Ware sicher von A nach B zu bekommen. Dabei war man immer wieder auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, das Geschäft sicher über die Bühne zu bringen. Wenn eine Route aufgeflogen ist, mußte für den nächsten Deal eine neue Lösung gefunden werden. Es war enorme Kreativität gefragt aber einen Weg gab es immer.“

Wie lief so ein Geschäft ab?

Andrea: „Die Deals waren gut organisiert. Die Kolumbianer haben die Ware bis an die Elfenbeinküste geliefert und ich habe sie von dort, meistens per Schiff, nach Australien weitergeleitet.“

Fällt Dir eine lustige, unglaubliche oder eine brenzlige Situation ein, die Du erlebt hast?

Andrea: „Einmal saß ich mit meinem kolumbianischen Freund, mit dem ich die meisten meiner Kokain Geschäfte abgewickelt habe, an der Elfenbeinküste in Benin in einem Art Apartement. Wir trafen uns immer irgendwo auf der Welt, wie in Aruba, in Los Angeles, Quito, Hawaii.Im Apartement gab es zwei Räume, der eine war ausgestattet mit einem Tisch und ein paar Stühlen, nebenan war ein Schlafzimmer, das eingerichtet war wie ein Hotelzimmer. Als ich mit meinem Freund am Tisch saß, bemerkte ich diese Stapel mit Kosmetiktüchern, total verpackt, also industriell verpackt, ungeöffnet. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er eine Allergie hatte, bei der man so viele Taschentücher bräuchte, oder einen Mörder-Schnupfen oder so. Ich fragte ihn, ob er nun in den Handel von Kosmetiktüchern eingestiegen wäre. Er lachte und sagte, dies sind 250 Kilo Kokain, bereit um morgen verschifft zu werden.

Für den Bruchteil einer Sekunde schoss mir der verwegene Gedanke durch den Kopf in Afrika neben 250 Kilo Kokain verhaftet zu werden.

Als wir ins Schlafzimmer gingen, wo er mir einen Koffer gab der präpariert war um Geld zu schmuggeln, öffnete er den Kleiderschrank und 100$ Noten fielen uns entgegen und erschlugen uns beinahe. Er entschuldigte sich, aber er kann das Geld nicht so schell waschen, wie es kommt.

Ach da fällt mir ein: Wie stellst du dir einen kolumbianischen Gangster vor?

Man sieht doch so einen dunkelhäutigen Typ vor sich mit nacktem Oberkörper, die Waffe hängt lässig über der Schulter, heißen Salsa tanzend, stimmts?

Mein kolumbianischer Freund schaute immer aus wie der perfekte Geschäftsmann.Mein Freund trug einen Anzug und ein Hemd, immer frisch gebügelt.“

Wo wir gerade bei Vorstellungen sind. Ich kann mir vorstellen, das Du es als Frau in einer typischen Männerdomäne nicht immer einfach hattest.

Andrea: „Im Gegenteil, in dem Geschäft war es als Frau in gewissen Situationen einfacher für mich. Mit den Geschäftspartnern gab es nie Probleme deswegen, ich wurde immer mit Respekt behandelt.“

Wie ist die Drogenfahndung damals auf Deine Spur gekommen?

Andrea: „Mein damaliger Mann Werner war ein Freund von Andrew Fraser. Andrew Fraser war ein Staranwalt aus Melbourne, der viele Größen aus der Unterwelt erfolgreich verteidigt hat. Dadurch war er den Behörden natürlich ein Dorn im Auge und sie überwachten ihn. Bei einem Besuch meines Mannes bei ihm, hörten die Beamten jedes Wort ihres Gesprächs und die währenddessen auftretenden und für den Kokainkonsum typischen Geräusche mit. Die Beamten haben Verdacht geschöpft und sich gesagt, den schauen wir uns auch mal näher an. Seit diesem Zeitpunkt standen wir und somit auch mein Geschäft unter staatlicher Überwachung und endete mit meiner Verhaftung.“

Wie hast Du die Haftzeit erlebt?

Andrea: „Ich war für fünf Jahre im Hochsicherheitsgefängnis als High Profile Fall im schlimmsten Gefängnis für Frauen in Victoria im Dame Phyllis Frost Center, unter Häftlingen als Deer Park bekannt, inhaftiert. Nach zwei Jahren hinter Gittern, als ich endlich verurteilt worden war, begann ich mein Studium in „Creative writing“ (kreatives Schreiben, Anm. d. Red.). Ich war eine der ersten Frauen, die um die Erlaubnis kämpfte, über Fernkorrespondenz im Gefängnis zu studieren. Ich entwickelte im Gefängnis unter anderem ein Peerworker Programm, eine Gemeinschaft von Häftlingen die versuchten das Leben hinter Gittern weniger brutal und unmenschlich zu machen. Denn bis dahin war der Gefängnisalltag mit Drogen, Überdosis, Selbstmord und Schlägereien übersät.“

Sind Dir Freunde aus Deiner Zeit des Drogenhandels geblieben?

Andrea: „Nein, aus dieser Zeit bestehen keine Kontakte mehr.“

Gibt es etwas was Du bereust oder würdest Du alles noch einmal genauso machen?

Andrea: „Das Einzige was ich wirklich bereue ist, daß ich meinen Eltern mit einem Teil meines Lebens viel Kummer und Sorge bereitet habe. Alles andere ist wie es ist und da bereue ich auch nichts.“

Wie gehen Deine Eltern und Dein Umfeld heute mit Deiner Vergangenheit um?

„Meine Eltern haben die ganze Zeit zu mir gehalten und an meiner Seite gestanden. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar. Als ich damals verhaftet wurde haben sie aus Deutschland alles in die Wege geleitet um mir Unterstützung zukommen zu lassen. Das mein Buch nun auch in Deutschland auf den Markt kommt macht sie stolz und das freut mich natürlich.“

Kannst Du kurz umreißen worum es in Deinem Buch geht?

„Pixie“ erzählt von einer Welt, die nur wenige kennenlernen. Mein Lebenslauf öffnet dem Leser die Augen, führt ihn in eine Welt des Drogenschmuggels, Hostessen, Geldwäsche und anderen kriminellen Machenschaften. Ich erzähle darüber wie ich im großen Stil weltweit operierte und berichte ehrlich aus meinem teilweise glamourösen Leben. Auf Reisen rund um die Welt, traf ich prominente Personen wie Danny de Vito oder Michael Leeson.

Hat Deine kriminelle Vergangenheit heute noch Auswirkungen auf Dein Leben?

Andrea: „Ich darf nicht mehr nach Australien einreisen. Wie es mit anderen Ländern wie Amerika oder China aussieht, kann ich dir nicht sagen. Aber die haben sich ja auch bei diesem Thema immer etwas engstirnig. Ansonsten habe ich keine Nachteile, die mich beeinträchtigen würden.“

Hast Du noch einen Koffer in Berlin oder anders gefragt, hast Du hier noch Freunde aus Deiner Berliner Zeit und besuchst Du noch ab und zu die Hauptstadt?

Andrea: „Ja, ab und zu schaue ich bei Freunden vorbei und auch in der nächsten Zeit werde ich wohl öfter in Berlin sein um mein Buch zu präsentieren.“

Denkst Du manchmal darüber nach wie Dein Leben anders hätte verlaufen können?

Andrea: „Ja klar, solche Momente gibt es bei mir. Ich glaube, jeder stellt sich zwischendurch die Frage, was wäre wenn? Zum Beispiel als ich damals schwanger war und abgetrieben habe, das geht mir heute schon noch ab und zu durch den Kopf.“

Wie hast du Howard Marks kennengelernt?

Andrea: „Januar 2008 fand ich seine Website im Internet, schrieb ihn an, da seine Biographie der meinen so ähnlich ist. Dann schickte ich ihm einige meiner Kurzgeschichten. Die fand er toll, wählte zwei für sein neues Buch „Tripping“. Daraufhin im April 2008 lernten wir uns kennen als er nach Mannheim kam zu Besuch. Wir sind Freunde und treffen uns ab und zu. Er ermunterte mich immer wieder, mit demSchreiben weiter zu machen. Das gab mir den Mut mein Manuskript für „Pixie“ an Hardie Grant Books zu schicken. Ich denke man kann sagen, dass Howard mich entdeckte. Als mein Manuskript fertig war, also lektoriert, da habe ich es ihm geschickt und er fand es brillant, gab mir den Kommentar für den Einband. Wir standen auch schon einige Male zusammen auf der Bühne in „Pixie meets Mr Nice“.

Wie sieht Deine Zukunft aus?

Andrea: „Ich kann so langsam von den Einnahmen die ich als Schriftstellerin habe, meinen Lebensunterhalt bestreiten. Ich werde also versuchen meine Arbeit als Autorin weiter auszubauen.Von Januar bis März bin ich unterwegs um mein Buch vorzustellen. Desweiteren plane ich mit meiner Show „This is not a Striptease“ im nächsten Jahr auf Tournee zu gehen, sodaß ich derzeit recht optimistisch bin, was meine Zukunft angeht.“

Ich danke dir für das Interview und wünsche Dir viel Erfolg mit Deinem Buch „Pixie“.Die Internetseite von Andrea Mohr mit weiteren Informationen, Bildern sowie einigen Mitschnitten von Abhörprotokollen der Drogenfahndung aus ihrer Observation findet ihr unter:

www.andreamohr.de

Titel: Pixie. Vom Drogen-Jetset in den Frauenknast. Mein Leben.
Autor: Andrea Mohr
im Deutschen gebunden mit Schutzumschlag
Paperback in English
Seiten: ca. 320 (English 368)
Originaltitel: Pixie
Originalverlag: Hardie Grant Publishing
Deutscher Verlag: VGS Egmont
ISBN: 978-3-8025-3742-4
Erscheint in Deutschland: 05. Januar 2011
Preis: 19,99 €

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