Stadtgeschichte Das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park
Der »Führerbunker« im Zentrum der Stadt wurde zugeschüttet und steht somit nicht mehr als Mahnmal für die vergangene und vergessene Geschichte des Landes zur Verfügung. Über das derzeitige Führerhauptquartier habe ich bereits in der letzten Ausgabe berichtet. Somit ist es an der Zeit über ein Mahnmal zu berichten, das die vergangene und aktuelle Geschichte des Landes gleichermaßen berührt.
Der Treptower Park im Stadtteil Treptow ist das Ziel der geschichtlichen Exkursion. Zwischen der Puschkinallee und der Straße Am Treptower Park gelegen, erstreckt sich der in den Jahren 1876 bis 1888 und nach den Plänen von Gustav Meyer angelegte Park auf einer Gesamtfläche von 88,2 Hektar. Aber nicht der für 1,2 Millionen Goldmark angelegte Park an sich ist das Ziel.
Dort, wo sich früher eine große Spiel- und Sportwiese befand, liegt heute, versteckt im Treptower Park, das Sowjetische Ehrenmal. Es wurde nach dem Ende des 2. Weltkrieges im Auftrag der Sowjetischen Armee errichtet, um den gefallenen Rotarmisten, insbesondere den 80.000 im Kampf um Berlin Gefallenen der Sowjetischen Armee angemessen zu gedenken.
Von den 33 eingereichten Entwürfen wurde ab Juni 1946 der von einem sowjetischen Kollektiv umgesetzt, dem der Architekt Jakow S. Belopolski, der Bildhauer Jewgeni Wutschetitsch, der Maler Alexander A. Gorpenko und die Ingenieurin Sarra S. Walerius vorstanden.
Am 4. Jahrestages des Kriegsendes dem 8. Mai 1949, wurde das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park in Anwesenheit von Otto Grotewohl, Leiter der deutschen Delegation und späteren Ministerpräsident der im selben Jahr gegründeten DDR, eingeweiht. Seine Rede beendete er mit den Worten: »Wir danken der ruhmreichen Sowjetarmee, die uns von der Geißel der Menschheit, dem Faschismus, befreit hat. Das Gelöbnis von Millionen Proletariern lautet in dieser Stunde: Für Demokratie, Frieden und Sozialismus zu kämpfen.«
Betritt man das Ehrenmal, das 7.000 Soldaten als letzte Ruhestätte dient, von der Puschkinallee aus, durchschreitet man einen Triumpbogen aus grauem Granitstein, der zu Ehren der Soldaten die Inschrift trägt: »Die für Freiheit und Unabhängigkeit der sozialistischen Heimat gefallen sind.« Folgt man dem Weg, kommt man zu einem Vorplatz mit der Frauenstatue »Mutter Heimat«, dies für die, um ihre Söhne trauernden Mütter steht. Der von dort aus großzügig angelegte Weg führt direkt zum Hauptfeld der Anlage. Es wird durch zwei, aus rotem Granit bestehenden stilisierten Fahnen markiert, an deren Stirnseiten zwei Skulpturen stehen. Beide Skulpturen zeigen jeweils einen knienden Soldaten mit Maschinengewehr in der Hand, wobei der linke älter und der rechte jünger dargestellt wird. Verfolgt man den Weg weiter, gelangt man zu einer Treppe, die zum symbolischen Gräberfeld hinabführt, das das Zentrum der Anlage bildet.
In der Mitte des Hauptfeldes befinden sich fünf Steinplatten, die jeweils mit einem Lorbeerkranz verziert sind. Links und rechts davon sind, entlang des Weges, jeweils acht Sarkopharge aus Marmor aufgereiht.
Am Ende der Anlage befindet sich der künstlich angelegte Grabhügel, auf dem die, auf zwei konischen Sockeln errichtete 70 Tonnen schwere und 12 Meter hohe Skulptur »Der Befreier« von Jewgeni Wutschetitschi steht. Sie zeigt einen Soldaten, der in der rechten Hand ein Schwert hält, auf dem linken Arm ein Kind trägt und unter dessen Stiefel ein zerborstenes Hakenkreuz zu erkennen ist. Das Kind symbolisiert das Volk, das unter dem Schutz des Retters einer hoffnungsvolleren Zukunft entgegenblicken kann. Unter der Skulptur befindet sich ein Pavillon, in dessen Kuppel sich ein Mosaik mit russischer Inschrift befindet.
Um die Entstehungsgeschichte der Skulptur ranken sich verschiedene Gerüchte. Tatsache ist, dass der sowjetische Soldat Iwan Odartschenko (1926-2013) Modell stand. Einen Zusammenhang mit den ehrenvollen Taten von Sergant Nikolaj Iwanowitsch Massalow (1921-2001), der beim Sturm auf die Reichskanzlei ein kleines Mädchen in Sicherheit gebracht hat oder dem Sowjetsoldaten T. A. Lukjanowitsch, der die Rettung eines kleinen Mädchens mit seinem Leben bezahlt hat und aufgrund dessen je nach Meinung Massalow oder Lukjanowitsch als Helden in der Skulptur verewigt wurden, bestritt Wutschetischi in mehreren Interviews.
Dass jede auch noch so glanzvolle Medaille eine Schattenseite besitzt, zeigt, dass laut der englischsprachigen Fachliteratur Frauen, die die massenhaften sexuellen Gewalttaten, die in der Zeit von 1945/46 von Rotarmisten verübt wurden, miterlebt haben, das Ehrenmal als »Grab des unbekannten Vergewaltigers« bezeichnen.
Neben dem Ehrenmal im Treptower Park gibt es zwei weitere, eines in der Schönholzer Eiche im Stadtteil Pankow und ein weiteres im Stadtteil Tiergarten an der »Straße des 17. Juni« gelegen. Wie auch das Ehrenmal im Treptower Park, dienen auch diese Gedenkstätten gleichzeitig als Friedhof für gefallene Soldaten und sind somit auch Kriegsgräberstätten.
Anfahrt: Die S-Bahn Station »Treptower Park« ist mit den Linien der S8, S9, S41, S42, S85 zu erreichen oder mit den Buslinien 166, 167, 194, 265, 104, 167.
Interessante Orte in der Umgebung: Die »Archenhold Sternwarte«, 1896 errichtet, beherbergt mit dem »Großen Refraktor« das längste bewegliche Fernrohr der Welt.
Geschrieben von Oliver Jung