Zentrum für Politische Schönheit – Honeypot oder Mustopf?
Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) feiert seine Aktion „SoKo Chemnitz“ als vollen Erfolg. Die ZPS-Aktivisten Cesy Leonard, Stefan Pelzer und Philipp Ruch resümierten am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin, die Rechten seien auf einen „honeypot“ hereingefallen.
Ziel der Aktion war es Teilnehmer der Demonstrationen und Krawallen Ende August und Anfang September in Chemnitz zu identifizieren. Der Aufruf: „Denunzieren Sie noch heute Ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren Sie Sofort-Bargeld. Helfen Sie uns, die entsprechenden Problemdeutschen aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst zu entfernen. “Damit ist eindeutig klar, auf wessen Unterstützung ZPS offiziell gesetzt hat, auf das direkte Umfeld der Zielpersonen.
Der Leiter des Künstlerkollektivs Philipp Ruch sagte, dass die Daten über „die Suchfunktion, das wichtigste Element dieser Seite“, gesammelt wurden. Über die Suche sind mehr Informationen über die Rechte Szene eingegangen, „als öffentlich zugängliche Quellen je verraten hätten“ und fügte an „Wir können die Entnazifizierung nicht mehr länger den Strafverfolgungsbehörden überlassen.“ Gleichzeitig stellte er die Bereitschaft in Aussicht sich mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) bei einem Kaffee über die erhobenen Daten zuunterhalten.
Es ist jedoch sehr naiv zu glauben, dass die gleichen zuständigen Sicherheitsbehörden, die im Fall des Nationalsozialistischem Untergrund (NSU) Beweismittel vernichtet haben, ein Interesse an den Unterlagen haben, geschweige denn, dendarin enthaltenen Hinweisen nachgehen werden. Wie sich die Sicherheitsbehörden gegenüber ZPS verhalten, zeigte die Entfernung von Fahndungsplakaten im eigens für die Aktion angemieteten Laden in Chemnitz.
Honeypot oder Mustopf?
Dass sich nun ausschließlich Nazis beziehungsweise Rechte (mal ist von Nazis, mal von Rechten die Rede) auf dem Portal darüber informieren, ob sie vom Fahndungsaufruf betroffen sind, darf bezweifelt werden. Den meisten Nazis geht die Aktion, mit Verlaub gesagt, am Arsch vorbei. Dass ein paar neugierige Rechte auf den „honeypot“ hereingefallen sind, mag sein, aber die Mehrzahl an Namen wird wohl aus dem Grunde zusammengekommen sein, weil Familienangehörige, Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen, nachgeschaut haben, ob sich einer ihrer Bekannten unter den aufgeführten Personen befindet. Also das taten, zu dem die Aktivisten aufgerufen haben. Ein paar Puzzleteile werden auch sympathisierende Gruppen hinzu gesteuert haben, um die Ermittlungen voranzutreiben.
Die Radikalsten unter den „Fahnenflüchtigen“ sind den Behörden bereits bekannt. Es wird somit nur geringfügige neue Informationen hervorbringen und einige Kollateralschäden verursachen. Dies wird jedoch für immer ungewissbleiben, da die Daten der Öffentlichkeit nicht zugängig gemacht werden dürften. Vielleicht tauchen die Daten jedoch auch irgendwann bei Wikileaks auf.
Ein klassischer Bärendienst
In den Sozialen Medien löste die Aktion heftige Kritik aus und auch die Medien hielten sich, vorsichtig gesagt, mit Begeisterungsausbrüchen zurück. Mit Gat Ramon, Geschäftsführer des international agierenden Recycling-Unternehmens Cabka Group, äußert sich der erste „Betroffene“ zu Wort. Er wurde seitens ZPS darüber informiert, dass sein Unternehmen einen Hooligan beschäftigt.
In einem offenen Brief reagierte er auf die Konfrontation mit den Worten: „Wir erwarten, diese Art der Hetze und Denunziation zu unterlassen.“ Des weiteren erklärte er: „wir versuchen, aktiv und verantwortungsbewusst mit diesen Mitarbeitern und Mitmenschen umzugehen“ und betonte abschließend: „eine öffentliche Denunziation ist für mich persönlich und auch für unser Unternehmen nicht die geeignete Antwort.“
SoKo Chemnitz – eine Verfehlung im
Amt
Ausrede hin Ausrede her – nach vielen guten Aktionen war dies ein Griff in den Mustopf und kein honeypot. Mit der Aktion hat sich das ZPS auf das selbe Niveau herabgelassen wie die AfD mit ihrem Online-Portal „Lehrer-SOS“.
Dass das ZPS in seiner Ausdrucksweise nicht humanitärer gar mitmenschlicher da steht als eindurchschnittlicher Extremist, zeigt der Text, mit dem auf der Internetseite neue „Komplizen“ geworben werden: „Sie wünschen sich eine kompromisslosere Gangart des Humanismus? Sie wollen nicht mit Rechten reden, sondern sie grillen? Und zwar nicht per Onlinepetition, sondern in ihren Häusern und Gärten? Sie wollen den Flächenbrand der Menschenfeindlichkeit stoppen? Warum sind Sie dann noch nicht Komplize des Zentrums für Politische Schönheit?“ Dieser Text ist für normal denkende Menschen mindestens genauso niveaulos, wie die Parolen von Nazis und Rechten. NACHTRAG vom 08.12.2018: Inzwischen wurde dieser Text von der Internetseite entfernt.
Wie weit darf Kunst gehen?
Kunst darf provozieren. Doch wie weit darf sie dabei gehen? Der Aktionskünstler Pjotr Pawlenski kämpft mit seiner Kunst gegen der russischen Machtapparat und für Meinungsfreiheit. Er ist bekannt für seine „krassen“ Aktionen. Als Reaktion auf die Inhaftierung und den Prozess gegen die Band Pussy Riot 2012 nähte er sich zum Beispiel den Mund zu. Am „Tag der Polizei“ nagelt er seinen Hodensack auf dem Roten Platz in Moskau mit einem langen Nagel fest und nennt das „Fixation“. Darüber hinaus schnitt er sich, auf der Mauer einer Psychiatrie sitzend, ein Ohrläppchen ab und er zündete die Tür der Zentrale des russischen Inlandgeheimdienstes FSB – früher KGB – an.
Pjotr Pawlenski ist krass, aufsehenerregend und hat klare Aussagen und er wird eventuell auch nicht von jedem als Künstler gewertet. Was jedoch hierzulande unter dem Deckmantel der Kunst dargeboten wird, ist mehr als fragwürdig. Dass die Gesellschaft dem ohnmächtig gegenübersteht, zeigt sich unter anderem in der Verrohung des Sprachgebrauchs im musikalischen Bereich. Die Texte von Farid Bang und Kollegah haben bei der Echo-Preisverleihung 2018 in der Kategorie HipHop/Urban National dieTrophäe erhalten. Die Verleihung beruht nicht auf einerJury-Entscheidung, die den Sieger auswählt, sondern wird anhandoffizieller Verkaufszahlen getroffen. Es ist also keine Randgruppe, die diese Texte feiert.
Mit der „SoKo Chemnitz“ ist auch das Zentrum für Politische Schönheit in die künstlerisch fragwürdigen Sphären vorgedrungen. Ob die Aktion den Preis wert war?