Wieso nicht verschwenderisch leben und nach dem Picknick einfach die Becher im Wald liegen lassen? Das Brotpapier aus dem fahrenden Auto werfen und die alten Klamotten beim nächsten Bauern auf den Misthaufen schmeißen. Ein Problem? Nein! Sondern alles nur eine Frage des Designs. Cradle to Cradle (Von der Wiege bis zur Wiege) heißt ein Konzept von Michael Braungart und William McDonough, das Produkte so konzipiert das alle verwendeten Materialien auf ihre Nützlichkeit für Mensch und Natur ausgerichtet sind. Es entsteht kein Müll mehr, denn alle Materialien werden entweder in biologische Kreisläufe als Nährstoff der Natur zurückgegeben oder aber zirkulieren in technischen Kreisläufen. Das Symbol der Idee ist der Kirschbaum, der in maßloser Verschwendung Blüten und Früchte im Überfluss produziert, dennoch gleichzeitig in jeder Phase seines Seins, nützlich für seine Umgebung agiert. Nichts geht verloren, verschiedenste Lebewesen profitieren von dieser Überproduktion, was dennoch nicht verbraucht wird, geht als Nährstoff in den Boden zurück und lässt neues Leben entstehen.
Wie wäre es, wenn auch der Mensch sich an diesem Kreislauf beteiligt? Denn es gibt sie schon, die Unterwäsche (Triumph) und T-Shirts (Trigema) die kompostierbar sind und frei von Giftstoffen. Teppiche und Bezugsstoffe ohne gefährlichen Abrieb und Ausdünstungen. Gebäude die Solarenergie verwenden und Lebensraum für andere Lebewesen bieten und dabei auch noch Luft und Wasser reinigen können.
Überlegungen, dass in der Zukunft Städte wie Wälder funktionieren und sich selbst den Jahreszeiten anpassen, sind keine reine Fiktion, sondern jetzt schon im kleinen realisiert. Nutzen wir endlich unser Wissen für den Aufbau einer lebenswerten Welt, anstatt permanent an ihrer Zerstörung zu basteln, alles andere wäre DUMM.
Doch wie soll dies praktisch funktionieren? In der letzten Ausgabe hatte ich angefangen zu beschreiben, wie „Cradle to Cradle“ sich definiert und welchen drei Hauptprinzipien es sich verpflichtet fühlt.
Abfall ist Nahrung
Nutzung erneuerbarer Energien
Unterstützung von Diversität (Vielfalt)
Dabei hatte ich die beiden Kreisläufe, die daraus entstanden sind, nur angerissen: den biologischen und den technischen. Wer den Kreuzberger nicht in die Finger bekommen hat, einfach unter www.derkreuzberger.de die Wissenslücke downloaden (Ausgabe April/Mai 2011 ).
Der biologische Kreislauf
Dieser ist im Prinzip eigentlich bekannt, denn so funktionieren unsere Ökosysteme in der Natur. Ein ständiger Kreislauf von Geburt und Tod, von Nutzung von Nährstoffen und ihrer Freisetzung. Es können die Küchenabfälle von Omi sein, die sie auf dem Kompost wirft, oder eben Becher, Verpackungen, Putzmittel, Kosmetika, Kleidung etc. Wichtig ist nur, dass die Materialien der Produkte gefahrlos in die Umwelt gelangen dürfen, da sie sich zu 100 Prozent zersetzen und wieder als Nährstoff für Tiere, Pflanzen etc. fungieren. So gesehen ist es auch kein geschlossener Kreislauf. Denn alle Materialien, auch wenn sie vorher in einem technischen Produkt beteiligt waren, können ihm beitreten. Solange sie nur die biologischen Kriterien erfüllen. Die Sitze des neuen Airbus 380 sind zum Beispiel so konzipiert, dass die Bezüge aus essbaren Materialien hergestellt wurden und dabei die gleichen nicht entflammbaren Eigenschaften und Festigkeit besitzen, wie die herkömmlichen Materialien. Gerade in Flugzeugen zirkulieren die Luftströme und können so schadstofffrei und ohne gefährliche Ausdünstungen ein neues Raumklima schaffen. Die Schadstoffbelastung soll in Gebäuden zum Beispiel 3 bis 8 mal höher liegen als außerhalb von geschlossenen Räumen! Wenn das kein Grund ist. Immer neue Innovationen können allein durch solch ein neues Designkonzept und die Verwendung von unschädlichen Bestandteilen, zum Austausch der alten, giftigen Produkte führen, ohne dabei auf den gewohnten Komfort zu verzichten. Es geht hier nämlich nicht um Verzicht sondern um Neugestaltung. Der Bereich der Verbrauchsgüter soll nach „Cradle to Cradle“ so angelegt sein, dass ihre Entsorgung ohne Recycling auskommt, denn sie fließen direkt wieder als Nährstoff in die Natur. Eine große Anzahl von Produkten stehen schon bereit und viele warten auf ihre Massenproduktion. Es liegt an den Konsumenten eine Entscheidung zu fällen, wo die Reise hingehen soll. Doch zu oft bekommt man von solchen Innovationen viel zu wenig mit. Deshalb liegt immer noch viel zu viel der Verantwortung in den Händen der Regierenden, weitsichtig Weichen zu stellen um die Firmen zu drängen Alternativen anzubieten die nicht krank machen. Verschiedene Steuersätze für schadstoffreiche und arme Produktionsverfahren und Produkte könnten da sehr gute Anreize schaffen. Leider scheinen sie zu selten den Blick fürs Ganze zu besitzen, daher ist es wichtig, dass jeder einzelne als Multiplikator fungiert, um die Verbreitung von Informationen zu beschleunigen. Nur ein umfangreiches Wissen schützt uns, von falschen Interessen vereinnahmt zu werden.
Ein Blick auf die Textil- und Verpackungsindustrie zeigt, dass dort ein irrsinnig großes Potenzial der Neugestaltung brach liegt. Denn Verpackungen werden nur bis zum Aufreißen gebraucht, danach haben sie ihren Zweck erfüllt. Sie werden weggeschmissen und wo sie zumeist landen, sehen wir in der Natur, den Parks, den Straßen und auf den großen Deponien. Wieso also nicht ein Material aus biologischem Nährstoff verwenden der der Natur keinen Schaden zufügt. Es ist im Prinzip nicht nachvollziehbar, warum Verpackungen für Produkte verwendet werden, die in ihrer Haltbarkeit, das Produkt selbst Jahrhunderte überdauern. Allein in diesem Bereich könnte man nicht nur Unmengen an Abfall einsparen, sondern würde gleichzeitig Nährstoff alsDünger dem Boden wieder zurückgeben können. Der Plastikbecher (aus Raps) mit Blumensamen versehen, sieht zwar immer noch nicht toll in der Natur aus, aber man wüsste er zersetzt sich und schon bald würden dort wo er lag schöne Blumen wachsen.
Alleine der Plastikmüll im Pazifik zwischen Amerika und Japan ergäbe eine Mülldeponie von der Größe Mitteleuropas. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Anteil von Plastik selbst mehrere hundert Meilen von der Küste entfernt, um ein mehrfaches höher liegt als organisches Leben. Durch die Wasserbewegung reibt es sich in immer kleinere Teilchen bis zur Planktongröße und wird von Fische und Vögel als Nahrung aufgenommen, diese verhungern, da das Plastik ihnen die Mägen verklebt.
Der technische Kreislauf
Hier sind wir im Bereich der Gebrauchsgüter wie Autos, Maschinen, TV, Kühlschränke, Fensterscheiben usw. Wie schon in der letzten Ausgabe beschrieben, werden Rohstoffe zu Produkten verarbeitet und nach Gebrauch weggeschmissen. Ihre Materialien sind zumeist nicht biologisch abbaubar und vergiften in der Regel bei ihrer Entsorgung die Umwelt. Gerade weil sie Materialien besitzen die von der Natur nicht aufgenommen werden, ist es umso wichtiger, dass sie in eigenen Kreisläufen zirkulieren und somit keinen Schaden anrichten können. Dennoch sind es wertvolle Materialien wie Metalle, Mineralien und Kunststoffe. Anstatt ständig den Nachschub dieser Materialien zu gewährleisten, konzipiert man die Produkte so, dass man sie nach Gebrauch wieder in ihre Ursprungsmaterialien zerlegen kann, um einerseits ihre Eigenschaften nicht zu verwässern und zum anderen aus den gleichen Bestandteilen ein neues Produkt als Endlosschleife herzustellen. Der Vorgang, von der Wiege bis zur Bahre, wäre somit durchbrochen. Man wäre so nicht mehr auf den ständigen Nachschub angewiesen, da die Rohstoffe für die Produktion zwischen Verbrauchern und Herstellern pendeln. Natürlich kommen sofort ein paar Fragen auf. Warum sollte ich meinen Teppich oder TV nicht einfach wegschmeißen wie immer? Ist doch so bequem.
Ganz einfach: Er gehört einem nicht mehr! Die Idee ist die, dass Gebrauchsgüter nicht mehr gekauft werden, sondern man kauft nur noch die Funktion, also bei einem TV das Fernsehen oder bei einer Scheibe 20 Jahre durchgucken. Das Gerät oder die Scheibe bleibt im Besitz des Herstellers, denn gerade weil das Produkt so konzipiert wurde, dass die Materialien jederzeit wieder für neue Produkte einsetzbar sind, entsteht das Interesse seine Rohstoffe zurückzubekommen. Für den Konsumenten sind sie eh nicht zu gebrauchen. Er hat sich den Fernseher gekauft um Tatort zu gucken, auf den Haufen Elektroschrott ist er eigentlich gar nicht erpicht. Gleichzeitig wird ihm die Bürde der Entsorgung genommen. Aber für den Produzenten bleibt er wertvoller Rohstoff. Darüber hinaus vermehrt die Firma permanent ihr Eigenkapital. Denn wie gesagt, bleiben die Rohstoffe, in Form eines TV, Teppichs, Stühle…, in ihrem Besitz und enden nicht wie sonst auf der Deponie. Sie sind somit Aktiva und keine Passiva. Der Stress, um auf dem Rohstoffmarkt bestehen zu können würde abnehmen, die Konkurrenzfähigkeit jedoch nicht, denn seine Rohstoffreserven liegen nur in Produkten ausgelagert beim Verbraucher. Dies könnte eine neue Unabhängigkeit und Planungssicherheit bei den benötigten Materialien schaffen, die sich letztendlich auch auf einen günstigeren Preis niederschlagen könnten. Die immer gleichen Bestandteile auf dem neusten Stand der Entwicklung. Beispiele aus Holland zeigen, dass die Firmen die das „Cradle to Cradle“ – Design umgesetzt haben, schwarze Zahlen schreiben. Denn die Wirtschaftlichkeit soll dabei nicht aus den Augen verloren werden, sondern ist fester Bestandteil des Konzepts. Firmen, die ihre Produktion umstellen wollen, sind natürlich erst einmal mit Kosten konfrontiert. Doch die Einsparungsmöglichkeiten die eine schadstoffreie Produktion ermöglicht, vom Wegfall von Arbeitsschutzbestimmung über Müll- und Abwasserreinigung und Entsorgung, sind immens. Die immer mehr Ökologisch orientierte Kaufentscheidung der Verbraucher sollten auch nicht vernachlässigt werden, sie wird mit jedem Umweltskandal steigen
Die ABC-X Kategorisierung
Ich hatte ja schon angedeutet, dass die meistens Substanzen die verwendet werden im Prinzip immer noch völlig unerforscht sind, was ihre Auswirkungen auf Umwelt, Tier und Mensch angeht. Daher entwickelte die EPEA (Forschung und Beratungsinstitut, der Gründer ist Prof.Dr. Michael Braungart) eine Methode, die diesen Einfluss untersuchte und in verschiedene Gruppen kategorisierte. Daraus entstanden vier Unterteilungen.
A –
alle hier geführten Substanzen, Materialien, Produkte sind OPTIMAL in ihrem Verhalten für Mensch und Umwelt, sie sind nützlich oder wirken unterstützend auf ihre Umgebung.
B –
steht für VERBESSERBAR, es besteht jedoch Spielraum für eine Weiterentwicklung, sie verhalten sich eher neutral und haben keinen Einfluss auf ihre Umwelt.
C –
sie sind TOLERIERBAR aber eben nicht optimal, da es jedoch noch keine Alternativen für sie gibt, muss man noch eine Weile warten bis die Entwicklung auch sie ersetzen kann.
X –
absolut INAKZEPTABEL, bei ihnen ist die Sache klar. Sie wirken zerstörend auf Mensch und Tier, sind krebserregend und reichern sich negativ im Körper an. Zu ihnen gehören zum Beispiel PVC, Kadmium, Blei, Quecksilber, aber auch die Atomenergie.
Diese X – Substanzen schon bei Entwicklung von Produkten wegzulassen, um eine Schädigung von vornherein auszuschließen, nennt Michael Braungart „Designfilter“ und gibt ein anschauliches Beispiel. Wenn man sich Freunde zum Essen einlädt, würde man auch darauf achten, keine Speisen zu servieren die krank machen oder Allergien auslösen. Das gleiche Bewusstsein sollte auch bei der Produktentwicklung zum tragen kommen.
Es soll ungefähr 80.000 definierte chemische Substanzen und technische Verbindungen geben, die heutzutage von der Industrie hergestellt und benutzt werden, doch nur etwa 3.000 wurden auf ihre Auswirkungen auf lebende Organismen untersucht. Wir spielen alle russisches Roulette! Wann legen wir die Waffe weg? Denn es gibt kein Erkenntnisproblem, es gibt ein Umsetzungsproblem!
Schon wieder habe ich es nicht geschafft alles unterzukriegen was ich sagen wollte. Viele Beispiele wollte ich noch anbringen, die simple und klar veranschaulichen welches Potenzial in diesem Konzept steckt. Nicht nur im Bereich der Produkte sondern auch im Hinblick auf unser Verhalten im Einklang mit der Natur zu leben. Ich hoffe ich kann euer Interesse aufrecht erhalten und mache euch neugierig auf mehr. Daher möchte ich gerne in den nächsten Ausgaben immer mal wieder eine „Cradlte to Cradle“ – Idee einfließen lassen oder noch ein paar Sachen ansprechen, die ich bisher nicht berücksichtigt habe. Vielleicht nicht mehr in dieser Ausführlichkeit, ich will es ja auch nicht übertreiben, aber wie gesagt reicht dieses Konzept in alle Lebensbereiche, so dass es permanent spannend für mich bleibt. Ich hoffe ich konnte euch ein wenig anstecken.
Geschrieben von bookfield