Horch und Guck: Auf altem Posten

Horch und Guck hatten sich bei ihrem Besuch der Grünen Woche vorgenommen, dem Funkturm, einer ihrer ehemaligen Wirkungsstätten, einen Besuch abzustatten. Bei blauem Himmel und Sonnenschein herrschten beste Voraussetzungen für dieses Vorhaben und so gingen sie, nachdem sie sich auf der Messe rund und gesund gefuttert hatten, quer durch den Sommergarten zum „Lulatsch“.

Vor Ort angekommen war es für Horch an der Zeit, Guck ein lang und gut gehütetes Geheimnis zu eröffnen. Als Guck zu der Frau an der Kasse sagte: „Zweimal Aussichtsplattform bitte, Reservisten – Tarif“, war es für Horch an der Zeit dieses zu lüften und er fuhr Guck dazwischen: „Äh…..einmal Aussichtsplattform und einmal Restaurant bitte. Reservisten – Tarif bleibt“. Guck schaute Horch erstaunt an und fragte:“Was ist los mit Dir? Ich denke wir wollten uns meinen alten Arbeitsplatz anschauen?“. „Hmm, ja…aber ich kann da nicht rauf.“ – „Wieso? Was ist los?“ und nach einigem Zögern gestand Horch: „Ich habe Höhenangst.“ – Guck guckte und esstiegen ihm langsam aber sicher nicht zu unterdrückende Tränen in die Augen, er lief langsam rot an und dann platze es aus ihm heraus. Laut grölend lachte er Horch aus. „Du hast Höhenangst? Als Meisterspion?“ Die umstehenden Leute schauten die Beiden fragend an und hatten ihren Spaß an dem Schauspiel. Guck zog Horch weiter auf, aber Horch ließ sich nicht beirren: „Ich gehe in das Restaurant und schau mal wer von der alten Mannschaft noch seinen Dienst im Servicebereich verrichtet und du kannst an der Spitze des Turms in alten Erinnerungen schwelgen.“ So trennten sich die Wege der Beiden als der Fahrstuhl seinen ersten Halt im Funkturmrestaurant einlegte. Horch suchte sich einen Tisch ohne Aussicht und bestellte sich eine Flasche Rotwein. Nachdem eine gute Stunde vergangen war, kam Guck um die Ecke geschlendert. „Schau mal Guck wer hier ist“ rief Horch ihn an den Tisch. „Det jibt´s doch nich´. Mai Ling und Früh Ling. Was macht ihr denn hier so fern der Heimat?“ Freudig fielen sie sich in die Arme. Mai Ling und Früh Ling, Zwil-lingsschwestern und pensionierte Top-Spioninnen aus China, die Horch und Guck bei ihrer Arbeit kennen und schätzen gelernt haben, befanden sich auf ihrer Weltreise die sie, über viele Stationen, auch nach Berlin führte. Gemeinsam mit Horch und Guck saßen sie nun da und Früh Ling berichtete über ihre Weltreise auf der sie sich gerade befanden. Sie erzählten von ihrer besinnlichen Wanderung durch Tibet, wie sie in Pakistan die Kernforschungslabore besichtigten und von dem Warlord, den sie bei ihrer Busreise durch Afghanistan getroffen haben und mit dem sie im Cafe „Zum freundlichen Taliban“ Wasserpfeife geraucht haben. Als sie den Beiden einen groben Überblick ihrer Weltreise verschafft hatten und die Flasche Wein sich dem Ende neigte, beschlossen die vier sich weitere, Spionage relevante Orte ihrer Vergangenheit anzuschauen. Horch schlug den ehemaligen und ursprünglichen Grenzübergang in Dreilinden vor. Alle waren mit diesem Vorschlag einverstanden und so machten sie sich auf den Weg. Aufgrund der inzwischen miserablen Wetterlage entschlossen sie sich auf den öffentlichen Personennahverkehr zu verzichten und fuhren mit dem Taxi, über die Avus, in den, hinter Wannsee gelegenen Ortsteil, Dreilinden. Vor Ort angekommen machten sie erst einmal alle lange Gesichter. Die ehemalige Raststätte, in der sie früher tagelange Saufgelage verbrachten und das sie auch nach ihrer aktiven Zeit, als Meisterspione, gerne besuchten um sich bei einem Bier alte Geschichten zu erzählen, war geschlossen. Geschlossen wäre für alle Beteiligten noch zu verkraften gewesen, denn das hätte bedeutet zu einem späteren Zeitpunkt wiederzukehren um dann einzukehren. Aber das gesamte Gebäude war mit einem Bauzaun abgesichert und die Raststätte dem Verfall nah und somit dem baldigen Abriss geweiht. Jahrelang waren Horch und Guck jeden Sommer hier, um auf dem, zu der Gaststätte gehörenden Zeltplatz, der zudem unweit der auszuspionierenden Grenzanlagen lag, als Touristen getarnt ihre Arbeit zu verrichten. Sie spionierten hier, sie spionierten dort und hatten ihren Spaß beim Aal fischen im Teltowkanal. „Nun ja, irgendwas ist immer“ unterbrach Horch die melancholische Stimmung. „Lasst uns nachsehen was sie noch alles dem Abriss preisgegeben und wo sie noch überall Spuren verwischt haben.“ – „Wie kein Wutausbruch? Keine Hass Tiraden gegen die Stadtplaner die dieses Kleinod und diesen Ort der Kulturgeschichte verfallen lassen? Was ist los mit dir? Allet wieder jut?“ hakte Guck nach. „Ihr müsst wissen“ und sprach dabei Mai Ling und Früh Ling an – „das Horch derzeit auf einer Mission ist“ – “Ach Quatsch“ fuhr Horch ihm über das Wort. „Doch, doch“ fuhr Guck fort „Du bist gerade gedanklich nur noch damit beschäftigt wie man am besten die politische Führungsebene austauschen kann. Und mit austauschen habe ich, glaube ich, noch die freundlichste Wortwahl getroffen. Du würdest doch am liebsten dein Ak 47 schultern, in den Bundestag rennen und alles niedermähen was dort kreucht und fleucht.“ – „Verdient hätten sie es“ erwiderte Horch „aber vorher würde ich ihnen noch gerne im Detail ihre volksverräterischen Verfehlungen aufzählen undihnen somit eine Begründung für ihr baldiges Ableben liefern und zugleich die alternativlose Form des Machtwechsels begründen. Sie sind nun mal das Übel welches man an der Wurzel packen und beseitigen muss. Ich falle zum Beispiel nicht auf die Klatschpresse herein die uns täglich weismachen möchte wie schlecht unser Umfeld zum Beispiel in Neukölln oder Kreuzberg ist. Es ist nicht das Umfeld das schlecht ist, denn merke: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Und der Kopf vom dem stinkenden Fisch den ich meine, der befindet sich im Regierungsviertel von Berlin. Denn wenn ich zum Beispiel die jungen Mitarbeiter bei „Kaiser´s“, im Wrangelkiez, arbeiten sehe, wie sie sich Tag für Tag mit den Alkoholikern, Dieben, pöbelnden Arschlöchern und arroganten Neuzugzöglingen rumärgern müssen, weiß ich, dass die Jugend nicht unnütz und verkommen ist. Wenn ich mit Schröder die Abendrunde laufe und auf den Fußballplätzen im Kiez jeden Tag eine andere Mannschaft trainieren oder ein Punktspiel absolvieren sehe, weiß ich, dass das gesellschaftliche Zusammenleben in gewissen Strukturen funktioniert. Aber es gibt auch die Kehrseite und auf der sind die Menschen vertreten die von einer Arbeit zur nächsten hetzten und bei einem achtzehn Stunden Arbeitstag (darin sind 5 Stunden für unbezahlte Pausen und Fahrzeit enthalten) weder Zeit noch Kraft für ein Gesellschaftsleben haben. Dies zeigt, dass irgendwo das Gleichgewicht aus den Fugen geraten ist. Wer nun aber glaubt das diese Arbeitstiere ein prall gefülltes Konto besitzen, ein dickes Auto vor der Tür zu stehen haben oder sich einen sechs Wochen Jahresurlaub fernab der Heimat gönnen können, hat weit gefehlt. Denn bei den Hungerlöhnen reicht es gerade für ein Dach über dem Kopf, billig Fraß vom Lebensmittel Groß – Discounter und ein billig – Bier am Wochenende beim Spätkauf umme Ecke. Die ganzen Diskussionen um einen Mindestlohn, sind wie ein Furz in die hohle Hand. Nur warme Luft. Den Mindestlohn, den unsere werten Politiker versuchen durchzudrücken könnte man auch so erklären: Mindestlohn ist der Lohn, der am Monatsende mindestens auf dem Konto vorhanden sein muss, damit der/die Arbeitende den täglich benötigten Kalorienbedarf decken kann und maximal die Miete erwirtschaftet die er/sie benötigt um sich gerade so eine Wohnung unter den Seinen leisten zu können. Zum Leben zu wenig und um auf die Barrikaden zu gehen, zu viel.

Unterdessen kamen sie, über die alte und stillgelegte Autobahn laufend, zu einem ehemaligen Kasernengelände der DDR – Grenztruppen. „Die haben alles platt gemacht“, resümierte Guck „kein Grenzturm, kein Bunker, nichts ist mehr da“. – „Weißt du noch als wir uns, als Touristen aus Franken getarnt, zum Bahnhof Wannsee haben fahren lassen damit wir unsere Ausrüstung und das gesammelte Bild- und Tonmaterial nicht den ganzen Weg bis dorthin haben schleppen müssen“. – „Klar weiß ich das noch.“ antwortete Horch „Du hast noch gesagt, ich solle die Klappe halten damit wir wegen meiner Berliner Schnauze nicht auffliegen.“ Stumm wie ein Fisch saß Horch damals auf der Rückbank des Wagens und überließ Guck, gebürtig aus dem Frankenland stammend, die Unterhaltung mit dem freundlichen Fahrer. „Oh ja, wir hatten in dieser Ecke von Berlin schon so einigen Spaß zusammen. So langsam ging die Sonne hinter den Bäumen unter und die vier machten sich auf den langen Rückweg in die Stadt. Dabei planten sie ein nächstes Treffen für den Zeitpunkt, wenn Mai Ling und Früh Ling im Juni, auf dem Rückweg ihrer Weltreise, in die Stadt zurückkehren.

Horch & Guck-Die Meisterspione a. D.

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