Horch & Guck Der technische Fortschritt

Guck ahnte nichts Gutes, als Horch die Tür zu ihrem Lausch- und Guckposten mit einem gewaltigen Tritt öffnete. Mit Zornesröte im Gesicht stand Horch vor ihm im Raum. „Dieser verdammte Pfandflaschenautomat! Dieses verdammte Scheißding. Ein toller Fortschritt der Technik! Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte….ahhhhhh“ Währemd Horch seinem Zorn freien Lauf ließ, schweifte sein Blick suchend durch den Raum. Als er die Materialkiste vom letzten Auslandseinsatz im Nebenzimmer erblickte, ging er hinüber, öffnete sie und fing an wutentbrannt in ihr herumzuwühlen. Guck, der die Hasstiraden auf den Fortschritt der Technik über sich ergehen ließ, fragte seinen Freund: „Was ist los? Du wolltest doch nur kurz zu Kaiser´s die Pfandflaschen wegbringen und was zu Trinken einkaufen.“ „Ja, genau du hast es erfasst“ erwiderte Horch und fuhr fort „NUR KURZ – leider wird aus -NUR KURZ- bei diesem verdammten scheiß Automaten immer zu einer Halbtagsbeschäftigung, nur weitaus schlechter bezahlt. Du erinnerst dich vielleicht, dass von den vergangenen sechs Mal die ich diesen scheiß Pfandflaschenautomaten mit Leergut gefüttert habe, fünf von Rückschlägen geprägt waren. Entweder war der Transportschacht blockiert, weil sich eine der Flaschen ungünstig verkantet hatte, oder der Auffangbehälter war voll.“ – „So ist das Leben eben“ warf Guck ein – „So ist das Leben eben?“ entgegnete Horch seinem Freund wütend. „Ich frage dich mal was und ich hätte von dir gerne eine ehrliche Antwort: Wer um alles in der Welt ist so dämlich und so bescheuert, den kompletten Laden zu sanieren und baut danach ein, von den meisten Nutzern seit Jahren verfluchtes scheiß Pfandflaschensystem wieder ein?“ – „Die Ingenieure und Architekten von Kaiser´s?“ antwortete Guck grinsend, wohl wissend, dass Horch seinem Zorn in direktem Anschluss an seine Antwort freien Lauf lassen würde. „Auch wenn du nun wieder deinen Spaß an der Sache hast, für mich ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, den Verantwortlichen von Kaiser´s die Quittung für ihre Unfähigkeit zu präsentieren.“ – „Und was hast du vor?“ fragte Guck neugierig. Wir haben doch noch irgendwo das Sechserpack Handgranaten, die uns Mai-Ling und Früh-Ling als Andenken mitgebracht haben.“ – „Ja, und?“ hackte Guck nach. Mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen und einem hämischen Grinsen antwortete Horch: „Ich werde jetzt eine Pfandflaschen-Banderole um eine der Granaten wickeln und sie mit einer Schnur am Sicherungsstift in den Annahmekanal stecken. Und wenn der scheiß Automat die Granate, dank der Banderole als Pfandflasche erkannt und in den Auffangbehälter weitergeleitet hat, ziehe ich an der Schnur, entsicher somit die Handgranate und mach mich ratz fatz vom Acker. Ich weiß nur noch nicht, ob ich es kurz nach Ladenöffnung oder kurz vor Ladenschluss machen soll, wenn keine Kunden da sind. Was meinst du?“ – „Was ich meine?“ antwortete Guck „Das willst du eh nicht hören.“ – „Was soll denn das heißen?“ entgegnete Horch verwundert – „Das soll heißen, das ich deinen Plan mal wieder für völlig bescheuert halte. Du kannst doch nicht den halben Laden in die Luft jagen, nur weil dich der Pfandautomat ankotzt.“ „Mich kotzt nicht nur der Pfandautomat an! Meine Aktion wird ein Protest, bei dem dieser Automat stellvertretend für den gesamten technischen Fortschritt im Zentrum des Geschehens stehen wird …. beziehungsweise bald ja nicht mehr stehen wird“ und grinste in sich hinein. Nun, wusste Guck, wird es wirklich gefährlich. Wenn Horch sich, in sich hineingrinsend, auf die Durchführung eines Plans freute, war er zu allem bereit. Deshalb versuchte Guck seinen Freund zu beschwichtigen: „Sollten wir nicht vielleicht doch vorher noch einmal eingehend über dein Problem mit dem Automaten reden?“ – „Da gibt es nichts mehr zu reden“ fuhr Horch seinen Freund an. „Aber warte, ich kann dir ganz kurz meine Motivation darlegen, die hinter der Aktion steht. Falls ich es nicht überlebe kannst du der Nachwelt und dem Kaiser´s Vorstand Bericht erstatten, damit Nachahmungstaten verhindert werden können. -Aha, hier sind sie ja- Nagel neu und frisch verpackt.“ mit diesen Worten zog Horch den Sechserpack Handgranaten aus der Materialkiste hervor. Guck fragte um Horch eventuell doch noch in ein längeres Gespräch verwickeln und somit noch von seinem Vorhaben abbringen zu können: “Was ist den nun deine Motivation hinter der Aktion?“

„Nun gut, ich erkläre es dir. Ich glaube, du kannst dich noch ganz gut erinnern wie die Rückgabe-Regelung von Leergut vor noch gar nicht allzu langer Zeit ablief. Für den Fall, dass es dir entfallen sein sollte, erläutere ich dir gerne noch einmal kurz den heutzutage fast altertümlich anmutenden Vorgang der Pfandflaschen-Rückgabe aus längst vergangenen Tagen.“ Er setzte sich zu Guck, drehte sich eine Zigarette und fuhr dabei fort: „Wenn ich nicht vollgetankt war, wie´n russischer Panzer, begab ich mich mit dem Leergut zum Laden, in dem ich meinen alltäglichen Einkauf zu tätigen pflegte und dort angekommen, zur Pfandannahmestelle. Meistens wartete schon eine mehr oder weniger, je nach Tagesverfassung, gut gelaunte Mitarbeiterin. Wenn keine Mitarbeiterin zugegen war, die das Leergut hätte entgegennehmen können, gab es einen Signalknopf, den es zu drücken galt um dem Personal zu offenbaren, dass Leergut-Kundschaft zugegen war, welches um ihr Erscheinen bat. In dem Fall, dass ich warten musste, half es nichts, die Klingel, die der Mitarbeiterin signalisieren sollte, dass die Pfandannahmestelle personell unterbesetzt war und ich auf sie wartete, mehrfach zu betätigen, da mit jedem weiteren Klingeln die Motivation der heran eilenden Mitarbeiterin sank einen freundlich zu bedienen. Ganz gleich wie sich der Auftakt der Leergut-Rückgabe gestaltete, der weitere Ablauf war bis auf die finanzielle Transaktion immer die selbe: Man übergab das Leergut indem man es in einen bereitstehenden Wagen stellte und die Mitarbeiterin den daraus resultierenden auszuzahlenden Betrag errechnete. Am Ende erhielt man das Geld entweder in Bar oder bekam wie heute vom Pfandflaschenautomat auch, einen Bon. Den konnte man sich an der Kasse in Bar auszahlen lassen oder beim Einkauf auf den zu zahlenden Preis anrechnen lassen. So viel zur damaligen Situation der Pfandflaschenrückgabe – Hast du bis zu diesem Punkt irgendwelche Einwände oder kann ich fortfahren?“ – „Nö, nö, mach mal ich höre dir gespannt zu.“ antwortete Guck und grinste dabei weiter vor sich hin.

„Heutzutage stehen überall diese scheiß Automaten herum. Wir sind zwar nicht mehr den Launen der Mitarbeiterinnen ausgesetzt, dafür aber von dem good will der Technik abhängig. Und wenn die Technik bei diesen scheiß Automaten versagt, müssen wir, die Kunden los rennen und in einem zu meist personell unterbesetztem Laden, eine überforderte Mitarbeiterin suchen, die das Problem mit der Technik durch ihr Fachwissen behebt. Daraus resultiert: Ich bin genervt, weil ich mal wieder den technischen Problemen der Pfandflaschenrückgabe ausgeliefert bin. Die in der Reihe hinter mir stehenden und ebenfalls, Pfandflaschen zurückbringen wollenden, Wartenden sind auf Grund der Verzögerung auch genervt. Und der, dem Problem mit dem Pfandflaschenautomat mehrmals täglich gegenüberstehende Mitarbeiterin steht es auch Oberkante Unterlippe.“

„Und aus diesem Grund willst du stellvertretend für alle Fehler behafteten Automaten den neu renovierten Kaiser´s Laden in Schutt und Asche legen?“ unterbrach ihn Guck. Horch schaute nachdenklich zu Guck: „Vielleicht hast du recht´. Aber so lange, bis sie eine Lösung für diesen scheiß Automaten gefunden haben, werde ich Kaiser´s boykottieren.“ Guck war froh darüber, dass er seinen Freund einmal mehr vor einer Dummheit bewahren konnte und lehnte sich in seinem Sessel zurück: „Na dann, rauch´ erst mal noch eine und lass uns nachher rausgehen, um das gute Wetter zu genießen und was zu trinken einzukaufen.“

Horch & Guck

Die Meisterspione a. D.

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