Amazon – Zu Recht in der Kritik?

Amazon, eine haftungsbeschränkte Gesellschaft, die immer wieder in die Kritik gerät – mal medial aufgearbeitet, wie in der ARD-Reportage über das Amazon-Lager in Bad Hersfeld und die dort beschäftigten Arbeitnehmer, mal wegen dem Streit um die Höhe der Gehälter und ob die Angestellte als im Handel oder in einem Lager arbeitend anzusehen sind und wegen dem Ausnutzen von Steuerschlupflöchern und Leiharbeitergesetzen. Es gibt jedoch nicht nur die mediale Empörung über das Unternehmen, die eine unbekannte Anzahl an Amazon-Kunden dazu veranlasst hat ihr Amazon-Kundenkonto zu kündigen, auch Händler wie Buchverlage äußerten ihren Unmut über die Art und Weise wie Amazon seine Regeln durchsetzt und die Marktführerschaft weiter ausbauend ausnutzt.

Diogenes, der Michail Chodorkowski unter den Buch-Verlagen, wickelte in großer Gewinnerwartung seinen Handel über Amazon ab. Als dann die Rabattforderung en seitens Amazon aus der Sicht von Diogenes eine unhaltbare Höhe* erreicht hatten und ein Protest nicht ausreichte dem entgegen zu wirken, zog sich der Verlag von der Handelsplattform zurück, um kurz darauf nach einer Einigung mit Amazon wieder aktiv mitzumischen. Aber nicht nur die Arbeitsbedingungen, die Marktführerschaft und die Art und Weise der Geschäftsführung werden dem Unternehmen zur Last gelegt, auch die von Amazon entwickelten und vermarkteten Innovationen wie Amazon-Kindl. Mit diesem Gerät lassen sich e-Books lesen, was soweit nicht besonderes ist, vorgeworfen wird Amazon jedoch, dass Kindl in direkter Verbindung zur Amazon Buchhandelsplattform steht.

Als Verleger und Autor berichte ich aus eigener Erfahrung, wenn ich schreiben, dass nur der Hand-in-Hand-Verkauf meiner Druckerzeugnisse mehr einbringt, als der Verkauf über Amazon oder andere Händler. Ein Rechenbeispiel: Eines meiner Werke kostet im Verkauf inklusive 19 Prozent gesetzliche Mehrwertsteuer 8,90 Euro. Amazon überweist auf mein Konto nach allen Abzügen und zuzüglich allen Gutschriften 8,06 Euro für jedes, von mir an den Kunden versandte Buch. Davon bleiben mir nach Abzug der Versandkosten (die ich, wenn ich das Buch als »Buchsendung« verschicken würde, noch um 40 Prozent senken könnte) 6,06 Euro. Beim Buchhandel bleiben mir nach Abzug vom Rabatt 4,44 Euro, von den halsabschneiderischen Konditionen von Buchgroßhändlern wie »Libri« ganz zu Schweigen. Deren Forderungen liegen bei weit über 50 Prozent Rabatt. Hinzu kommen zusätzlich eingeforderten Vergünstigungen, die das Risiko des Verkaufs allein beim Verlag lässt und den Gewinn so gering hält, dass dieser selbst mit einem Mikroskop nicht zu erkennen ist.

Alle von mir aufgeführten Punkte, die gesellschaftliche Kritik und meine eigenen Erfahrungen waren der Grund dafür Martin Steinlehner, den Pressesprecher von Amazon (neudeutsch: Senior Manager Corporate Public Relation) zu kontaktieren und ihm bezüglich der öffentlichen Kritik gegenüber dem Unternehmen Amazon ein paar Fragen zu stellen.

Der Staat hat sich gerade dazu durchgerungen den Mindestlohn von 8,50 Euro einzuführen. In diesem Zusammenhang stelle ich die Frage: Was verdient ein normaler Amazon-Angestellter im Lager Brutto pro Stunde?

Amazon zahlt seinen Mitarbeitern Löhne, die sich am oberen Ende der in der Logistikbranche üblichen Gehälter orientieren. Unsere Mitarbeiter nehmen üblicherweise Waren aus Regalen, verpacken und versenden sie. Dafür verdienen sie im ersten Jahr bei uns mindestens rund EUR 9,55 Euro pro Stunde und bereits ab dem zweiten Jahr über zehn Euro pro Stunde. Hinzu kommen Boni, die über die vergangenen fünf Jahre betrachtet das Gehalt um ca. 5% erhöhten, sowie eine Altersvorsorge und für Mitarbeiter kostenfreie Versicherungen. Nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit erhalten Mitarbeiter Aktien – ein Vergütungsmodell, das viele Mitarbeiter schätzen und mit dem sie am Erfolg ihres Unternehmens direkt teilhaben – der Aktienwert hat sich in den vergangenen fünf Jahren vervierfacht; in den vergangenen Jahren machte die Aktienzuteilung rund 1.300 Euro pro Jahr aus. Inkl. Extras verdient ein Mitarbeiter so recht schnell rund 2.000 Euro brutto im Monat und oft mehr. Und gerade flexible Elemente wie etwa Aktien lassen sich kaum in rigiden Tarifstrukturen abbilden. Mit ihrem Gesamt-Paket verdienen unsere Mitarbeiter mehr als bei den meisten Wettbewerbern.

In welchem Arbeitsverhältnis stehen die Mitarbeiter, die die bestellten Waren zusammensuchen, verpacken und für den Versand vorbereiten: In dem eines Händlers oder in dem eines Lageristen?

Mitarbeiter der Logistikzentren machen typische Logistikarbeit, nicht nur für Amazon, sondern auch für Einzelhändler, die unsere Plattform benutzen: Unsere Mitarbeiter nehmen Ware aus Regalen, verpacken und versenden sie. Und mit dieser Dienstleistung stehen die Amazon-Logistikzentren im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, die Logistikdienstleitungen anbieten. Im Übrigen hat sich auch der Einzelhandelsverband HDE jüngst zitieren lassen: Ein ausgegliedertes Lager sei dem Logistiktarif zuzuordnen, nicht dem Einzelhandelstarif. Alle Logistikzentren bei Amazon sind selbständige Gesellschaften, die nicht nur Amazon-Ware, sondern auch Ware für viele Tausende Anbieter verschicken, die ihre Produkte über die Amazon-Plattform vertreiben.

Lassen sich auch nicht bei dem Unternehmen Amazon erworbene Bücher auf Amazon-Kindl lesen?

Amazon bietet mit mehr als 2,7 Millionen Kindle eBooks die größte Auswahl an digitaler Literatur überhaupt an. Kindle eBook Reader lesen folgende Formate: Kindle (AZW), Kindle Format 8 (AZW3), TXT, PDF, Audible (Audible Enhanced (AA, AAX)), MP3, ungeschützte MOBI, PRC nativ; HTML, DOC, DOCX, JPEG, GIF, PNG, BMP nach Konvertierung. Die Kindle Fire Tablets unterstützen folgende Formate: Kindle (AZW), KF8,TXT, PDF, ungeschützte MOBI, PRC nativ, Audible Enhanced (AAX), DOC, DOCX, JPEG, GIF, PNG, BMP, Dolby Digital (AC-3), Dolby Digital Plus (E-AC-3), DRM-freie AAC, 3, MIDI, PCM/WAVE, OGG, WAV, M4V, MP, AAC LC/LTP, HE-AACv1, HE-AACv2, MKV, AMR-NB, AMR-WB, HTML5, CSS3, 3GP, VP8 (WEBM). Jeder User hat die Möglichkeit, über eine kostenlose Email-Adresse eigene Dokumente auf den Kindle zu laden.

Das Unternehmen Amazon hat im vergangenen Jahr vier Milliarden US-Dollar Gewinn erwirtschaftet. Wie sieht das soziale Engagement von Amazon aus?

Wir bei Amazon sehen uns als ein Teil der Gesellschaft und nehmen unsere Verantwortung ernst. Nur wenn wir uns ständig weiterentwickeln, unsere Innovationskraft erhöhen und uns täglich aufs Neue fordern, können wir den hohen Erwartungen unserer Kunden gerecht werden und als Unternehmen unseren gesellschaftlichen Beitrag leisten. Deshalb bemühen wir uns um ein herausragendes Preis-Leistungs-Verhältnis und erweitern ständig unser Angebot. Größtmöglicher Service für unsere Kunden und verbraucherfreundliche Verpackungen stehen für uns ebenso im Mittelpunkt wie die Entwicklung innovativer Web-Services oder neuer Geräte wie des Kindle.

Unser Engagement hat viele Gesichter. Sozial unterstützen wir vor allem lokal: dort, wo Amazon-Mitarbeiter leben. Der Beitrag erfolgt in Form von Sach- und Geldspenden an gemeinnützige Organisationen, Hilfe bei Katastrophen, das ehrenamtliche Engagement von Amazon-Mitarbeitern oder durch Programme mit Partnern und Kunden. Gemeinsam wollen wir dort helfen, wo Hilfe nötig ist. Unter anderem unterstützt Amazon Deutschland Die Tafeln Bad Hersfeld, Hersfelder Tierheim, Behindertenwerkstatt Bebra, Deutsches Rotes Kreuz.

Auch überschüssiger Warenbestand kann eine sinnvolle Verwendung finden. Amazon arbeitet deshalb eng mit Innatura zusammen. Die seit 2013 tätige Organisation vermittelt neuwertige Ware, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr verkauft werden kann, an gemeinnützige Einrichtungen. Möglich wird das in Zukunft durch einen eigenen, von Innatura eingerichteten Webshop, auf dem gemeinnützige Organisationen genau das bestellen können, was sie benötigen. So kommt voll funktionsfähige Ware aus unseren Lager-Überbeständen einem guten Zweck zugute.

Fazit: Ganz egal, bei welchem Unternehmen man hinter die Kulissen schaut, ob sie nun VW, Nokia, KIK, Zalando oder Amazon heißen, sie handeln für den Gewinn und die Rendite der Aktionäre alle gleich. Zwangsläufig fragt man sich: Fehlen Amazon nur gute Lobbyisten oder warum steht das Unternehmen medial wie politisch derzeit überdurchschnittlich in der Kritik?

Auch nach dem Interview mit Martin Steinlehner vertrete ich als Händler aus eigener Erfahrung die Meinung, dass Amazon unter den »Bösen« noch immer einer der Besten ist und der Protest des einzelnen weitaus kleinlauter ausfallen würde, wäre er an Stelle von Jeff Bezos (Gründer und CEO von Amazon, Vermögen zirka 20 Milliarden US-Dollar) wäre.

Geschrieben von Olly

* Auf die Frage: Wie hoch die Rabattforderungen von Amazon gegenüber den Verlagen wie zum Beispiel Diogenes waren und auf welche Höhe sich die Unternehmen schlussendlich geeinigt haben, konnte Steinlehner keine Antwort geben, da es sich um Vertragsabsprachen handelt, die der Geheimhaltung unterliegen.

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