Horch & Guck: Auf dem Teufelsberg

Es war Donnerstag und ein herrlicher Sommertag. Die Sonne schien an einem strahlend blauen Himmel, und Horch und Guck saßen in der S-Bahn, die sie bis zum Bahnhof Heerstraße und somit auch in die Nähe vom Teufelsberg bringen sollte.

»Wann fängt die Führung an?«, fragte Guck: »Welche Führung?«, schaute Horch seinen Freund fragend an.

»Na, die vom Teufelsberg.«

»Heute gibt es keine Führung. Die finden nur am Wochenende statt.«

»Und was sollen wir dann heute da?«, fragte Guck erstaunt.

»Wie? Was sollen wir da? Wir schauen uns die alten Anlagen an.«

»Wie willst du da reinkommen? Das Gelände wird bewacht.«

»Der ist aber nicht immer vor Ort, und das Schloss am Eingang wird ja wohl kein Problem darstellen. Das habe ich ruck zuck auf.«

»Du willst dort einbrechen?«, fragte Guck erschrocken.

»Nenne es, wie du willst. Ich will einfach nur frei von Touristenführungen die Ruhe genießen und in Erinnerungen schwelgen. Und nun sortiere deine Knochen, wir müssen an der nächsten Station raus.«

»Ich fasse es nicht. Du fragst mich, ob ich Lust auf einen Ausflug habe, und nimmst mich mit zu einem Einbruch!«

»Stell dich doch nicht so an. Es ist ja nicht der Tresor von Fort Knox, sondern nur eine schäbige alte Ruine, in die wir einbrechen. Da werden die uns schon nicht für jagen. Außerdem, bis die Zehlendorfer Bullen aus ihren Startlöchern kommen, sind wir längst wieder weg.«

Der Zug hielt im Bahnhof Heerstraße. Horch und Guck verließen den Zug und begaben sich auf den Weg zum Teufelsberg. Vorbei an den Villen, liefen sie die Teufelsseestraße entlang. Aufgrund der Tageszeit waren kaum Menschen unterwegs.

»Eine herrliche Ruhe ist das hier. Das ist auch mal eine schöne Abwechslung zu dem Trubel in Kreuzberg«, unterbrach Horch die Stille.

»Da ist was dran. Obwohl der Görlitzer Park auch schön ist, aber die Luft hier ist wunderbar«, antwortete Guck und atmete tief durch.

Kurz darauf erreichten sie den Teufelsberg, und die dortige ehemalige Radar- und Abhöranlage der Alliierten.

»Na, hier sieht es ja aus! Und hier soll es einen Wachdienst geben? Was macht der? Schlafen? Also schlimmer als die vorherigen Besucher können selbst wir das Areal nicht hinterlassen. Es ist ja schon alles im Arsch«, merkte Horch an, als er die Gebäude erblickte.

»Hm, da hast du wohl Recht. Sieht wirklich heruntergekommen aus. Ich dachte, hier wollten Investoren ein Hotel errichten. Was ist denn aus dem Projekt geworden?«, fragte Guck.

»Was daraus geworden ist? Das kann ich dir sagen«, antwortete Horch. »Einige Stadtväter wollten mal wieder besonders dicke Eier zeigen und sich mit einem Weltstadt-Projekt brüsten. Sie haben das Gelände damals für 5,2 Millionen D-Mark an eine Kölner Investorengemeinschaft verkauft. Aber die waren finanziell nicht in der Lage, dieses Projekt in die Tat umzusetzen und haben Insolvenz angemeldet. Obwohl ich die Idee von einem Hotel mit Tagungszentrum, Wohnungen, Restaurants und einem Spionagemuseum gar nicht so schlecht fand. Insbesondere das Spionagemuseum. Ich hätte zu gern gewusst, ob der ein oder andere Fall, an dem wir beteiligt waren, dort dokumentiert worden wäre. Und vor ein paar Jahren wollte die Maharishi Stiftung das Gelände kaufen, um eine Universität zu errichten. Mit einem fünfzig Meter hohen Turm! Aber auch die haben kalte Füße bekommen, beziehungsweise vermutlich zu wenig finanzkräftige Anhänger, um die, das Gelände belastenden Hypotheken von dreiunddreißig Millionen Euro und den Neubau ihrer Universität berappen zu können.«

»Und nun?«, fragte Guck.

»Und nun? Nun weigert sich der Senat, der das Gelände seinerzeit zu einem Spottpreis verkauft hat, es für dreiunddreißig Millionen Euro zurückzukaufen. Verständlich, aber angesichts dessen, dass der Quadratmeterpreis mit siebenhundert Euro für die Lage immer noch günstig ist, eigentlich lächerlich, wenn man sich überlegt, was der Flughafen Schönefeld für Unsummen verschlungen hat und über die nächsten Jahre noch verschlingen wird.« Horch schaute sich um. »Dort vorne ist der Eingang. Du hast die Wahl, entweder suchen wir ein Loch im Zaun, oder wir nehmen den Haupteingang.«

»Was machen wir, wenn der Wachschutz heute ausnahmsweise mal nicht pennt?«, fragte Guck besorgt.

»Dann wird mir spontan ein Plan einfallen. Also was nun? Loch im Zaun, oder Schloss knacken und direkt durch den Haupteingang?«

»Wenn schon, denn schon. Knack das Schloss, ich habe keine Lust hier durch den Wald zu kriechen, wie ein jugendlicher Abenteurer.«

Innerhalb von Sekunden hatte Horch das Schloss mit einem Spezialschlüssel geöffnet und ließ das Tor aufschwingen.

»Bitteschön, nach Ihnen«, ließ er Guck den Vortritt.

»Danke.«

Damit das geöffnete Tor keinen Verdacht erwecken oder Nachahmer anziehen würde, schloss Horch die Tür hinter sich mit dem Schloss wieder ab.

»Um uns einen Überblick zu verschaffen, sollten wir als erstes auf den Turm hochklettern. Von dort oben können wir jeden Winkel des Geländes einsehen«, sagte Horch und ging in Richtung Radarturm.

»Na dann los, ich folge dir unauffällig.«

Gemeinsam erklommen sie die Stufen bis zur oberen Plattform des ehemaligen Radarturms.

»Die Vandalen haben ganze Arbeit geleistet. Alles was nicht niet und nagelfest ist, haben sie mitgenommen, und den Rest haben sie mit hässlicher Graffiti besprüht.«

»Was hast du erwartet? Um die Kabel und sonstigen Metallreste haben sich bestimmt die freischaffenden Schrottsammler gekümmert, und ansonsten ist das doch ein idealer Ort um Partys zu feiern.«

»Mir wäre es lieber gewesen, die Stadt hätte sich von Anfang an mehr Mühe gegeben und ein vernünftiges Konzept für das Gelände entwickelt. Jetzt ist alles bis auf die Grundmauern unwiederbringlich zerstört. Man braucht schon viel Fantasie, um sich die Gebäude in neuem Glanz vorstellen zu können.«

»Hey, was machen Sie da?«, unterbrach eine Stimme die Stille. Die beiden schauten nach unten und erblickten einen Mann vom Wachschutz.

»Na toll, habe ich es doch gewusst«, sagte Guck.

»Was wir?«, rief Horch dem Mann entgegen. »Wir kommen von der Investorengruppe, die ab dem nächsten Frühjahr eine Spielbank hier errichten wird, und ich bin gerade mit meinem Architekten hier, um Daten für eine Machbarkeitsstudie zu sammeln.« Horch hob seinen Spezialschlüssel hoch: »Ich habe ja auch einen Schlüssel zu dem Tor, oder was glauben Sie, wie wir auf das Gelände gekommen sind?«

»Mich hat niemand über Ihr Kommen informiert, und von einer Spielbank weiß ich auch nichts. Würden Sie bitte herunterkommen und sich ausweisen.«

»Na klar, wir sind gleich da, wir wollen nur noch kurz die Aussicht genießen. Es wäre somit besser, Sie kämen hier hoch und täten es uns gleich.«

Tatsächlich, der Wachmann machte sich die Mühe und stieg die Treppen bis zu den beiden empor.

»Die Aussicht ist echt einmalig was?«, sagte der Wachmann, als er Horch und Guck gegenüber stand. »Sie sind Investoren?«, fragte er weiter. »Könnten Sie mir bitte ihre Ausweise zeigen, damit ich Sie in die Besucherliste eintragen kann. Das ist Vorschrift und dient nur zu meiner Absicherung gegenüber meinem Chef.«

»Na klar können wir uns ausweisen.«, sagte Horch und zog mit den Worten seinen Ausweis aus der Tasche.

Erstaunt sagte der Wachmann: »Das sind ja Geheimdienstausweise!«

»Der Herr hat Erfahrung auf diesem Gebiet, alle Achtung«, sagte Horch.

»Mein Cousin arbeitet auch bei eurem Verein, daher kenne ich die Dinger. Aber warum interessiert sich der Geheimdienst für dieses Gelände?«

»Tut er ja gar nicht, der Geheimdienst. Das Interesse liegt im rein privaten Bereich. Wir waren früher öfter dienstlich hier und wollten uns nach all den Jahren die Anlage mal anschauen, um in alten Erinnerungen zu schwelgen.«

»Woher haben Sie dann den Schlüssel?«

»Ein Relikt aus alten Tagen«, antwortete Horch.

»Wenn ihr die Anlage so gut kennt, könnt ihr mir doch sicherlich eine private Führung geben und mir noch ein paar ungelüftete Geheimnisse verraten?«, fragte der Wachmann.

Horch schaute zu Guck herüber, der mit einem Nicken seine Zustimmung gab, und willigte ein: »Na klar, wenn es weiter nichts ist.«

Gemeinsam gingen sie die Treppen hinunter und unten angekommen, zeigte Horch auf ein Gebäude in der Nähe des Turms.

»Dort drüben war früher die Funküberwachung untergebracht. Lass uns mal dorthin gehen und nachsehen, ob das Schaltpult noch vorhanden ist.«

»Wieso, was ist mit dem Ding?«, fragte Guck.

»Auf dem Schaltpult habe ich die Frau vom amerikanischen General…, na ja wie soll ich es politisch korrekt ausdrücken…, beglückt!? Der Haken an der Sache war nur, dass wir während unserer Zusammenkunft an den Schalter für die Lautsprecheranlage gekommen sind. Die gesamte Anlage und ein Großteil der umliegenden Wohnhäuser wurde akustisch von unserem Akt der Liebe in Kenntnis gesetzt.«

»Und der General?«, fragte der Wachschutzmann.

Horch schaute den Wachmann grinsend an und sagte: »Die alte Drecksau lag im Puff um die Ecke im Whirlpool und hat sich einen blasen lassen. Und da das, neben seiner Frau, auch alle anderen auf dem Stützpunkt wussten, hat uns keiner verraten.«

Wie es weitergeht erfahrt ihr im Buch »Horch und Guck – Meisterspione a. D.« ab Seite 98.

image_pdfimage_print

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.