Horch & Guck: Auf ins neue Jahr

Es wurde spät hell und Horch wachte dementsprechend spät auf. Da keine besonderen Vorkommnisse die Nacht überschattet hatten, konnte Horch den Tag ruhig und entspannt beginnen. Nach dem allmorgentlichen Ritual, den drei K`s (Kaffee,Kippe,Kacken) ließ sich Horch gemütlich vor seinem Computer nieder und checkte sein Internetpostfach. Da auch dieses keine Neuigkeiten für ihn bereit hielt, schaltete er den Spionagesender ein und lauschte eine weile den Funkwellen, die da so auf und ab wellten. Nebenbei schaute er sich ein paar Fotos aus guten alten Tagen an. Tief in Gedanken an alte Zeiten versunken blätterte er durch seine Fotoalben, als plötzlich das Telefon klingelte.

“Horch, bist du´s?” Fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung.

“Jo” erwiderte Horch. “Super, dass ich dich erreiche. Ich bin der Film-Scout der dich letztens angequatscht hat, ob du nicht Lust hast ab und zu mal was vor der Kamera zu machen. Als Komparse und so.” Horch überlegte kurz, denn er war sich seinerzeit beim zufälligen Treffen auf der Straße und dem daraus resultierendem Gespräch nicht sicher, ob das Gefasel von dem Typen überhaupt ernst zu nehmen war. Und nun rief er tatsächlich an. Aber Horch konnte sich ja erst einmal anhören was er von ihm wollte und dann immer noch nein sagen.

Dementsprechend antwortete er: Ja, ich erinnere mich. Jetzt sag nicht, du hast einen Job in Hollywood.” Der Typ lachte und sagte: “Nein, das nicht. Aber was hältst du von einem Filmdreh für ein Musikvideo? Dauert nur einen Tag. Die Kohle gibt´s bar auf die Hand und einen Shuttle-Service gibt´s oben drauf.”

Was soll`s dachte sich Horch. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Also sagte er: “Klar mach ick. Und wann?”

Der Scout sagte: “Nächste Woche, am Montag.” Horch schaute kurz in seinen Terminkalender und sagte dann: “Ok passt, wann soll ich wo sein?” “Das kläre ich noch und sage dir dann Bescheid. Also, bis dann.” Sprachs und legte auf. Nachdem Horch in den auflaufenden Telefonaten mit der Requisite, der Maskenbildnerin und dem Regieassistenten alle noch offenen Fragen geklärt hatte, waren die 78 Stunden des Wartens auch schon vorbei und es war Montag. Pünktlich um sieben Uhr klingelte es an der Tür. “Shuttleservice” schallte es durch die Gegensprechanlage. “Ich bin gleich da” erwiderte Horch, zog sich seine Jacke über und nahm die Tasche mit der zusammengesammelten Requisiten und ging los. Nach über einer Stunde Fahrt in einem luxuriösem Shuttlebus traf Horch am Ort des Geschehens ein. Ein alter Stadtteil von Templin.

Die Lichttechniker und das Kamerateam waren bereits eifrig damit beschäftigt, die einzelnen Sets einzurichten, beziehungsweise für die Folgeaufnahmen vorzubereiten. Nachdem sich Horch, auf Erlaubnis, des Produktionsleiters, durch das opulente Frühstücksbuffet gefuttert hatte, ging es mit dicker Plautze weiter zur Kostümanprobe. Nachdem die Mädels von der Requisite und die Maskenbilderin mit der Umgestaltung von Horch fertig waren, betrachtete er sich im Spiegel. Tiefe Augenränder ließen Horchs düsteren Blick noch unheimlicher wirken und die Kostümierung, sah der Gestalt von

“Jack The Ripper” sehr ähnlich. Kaum an sein neues Aussehen gewöhnt, kam auch schon der Regieassistent und holte Horch für die ersten Aufnahmen des Tages ab. Der Ablauf der Szene wurde kurz besprochen und jeder begab sich auf seine Position. Der ´Startschuss´ für die erste Klappe fiel und eh man sich versah, war die erste Szene im Kasten.

Aus der Erfahrung früherer Arbeiten als Kleindarsteller wusste Horch, dass die Worte der Regie: “Super, genial, klasse gemacht Jungs”, nichts weiter zu bedeuten hatten als: Alles auf die Anfangspositionen und das Ganze nochmal. – Dies wiederholte sich fünf, sechs mal, bis sich Regie und Kameramann einig waren und es schließlich hieß: “Gut, die Szene haben wir – Umbau”. Was gleichzeitig das Zeichen für eine ausgedehnte Pause seitens der Darsteller war.

Dies war auch genau der richtige Moment um den Manager der Band anzuquatschen, der gerade gut gelaunt neben Horch in seinem Kostüm herumtanzte. Denn Horchs vorrangiges Ziel und der Grund warum er diesen Job überhaupt angenommen hatte, war nicht die Kohle und die Chance seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, sondern einzig und allein die Chance auf einen Moment wie diesen zu warten. Also fragte er frisch und frei von der Leber weg: “Wenn du der Manager bist, bist du doch auch der richtige Ansprechpartner für eine Interviewanfrage oder?” – “Ja, genau der Richtige” sprach die Stimme aus dem Kostüm, das die Person die in ihm steckte bis zur völligen Unkennt-lichkeit veränderte. “Was kostet so´n Interview mit der Band” wollte Horch wissen? “Nichts”, bekam er zur Antwort und ging nun nachdem das Finanzielle geklärt war vollends in die Offensive. “Und wie siehts mit einem Interview für eine kleine Kreuzberger Kiezzeitung aus?” hakte Horch nach und drückte dem Manager mit diesen Worten die vierte und fünfte Ausgabe von “Der Kreuzberger” in die Hand. “Hm, ich schau mal rein. Aber schreib´ mir auf jeden Fall mal eine Mail und ich sehe was ich mit den Jungs regeln kann.” BINGO! Zeit für die “Becker-Faust” dachte sich Horch. Er versicherte sich mit einem kurzen “Echt???” und das “Kostüm” nickte und unterstrich damit die zuvor getätigte Aussage. Schon war die Umbaupause vorbei und die nächste Szene wartete darauf im Kasten zu landen. Diesmal wartet eine Außenaufnahme auf alle Beteiligten. Horch hatte Glück und als Einziger bei diesem Filmprojekt ein einigermaßen kälteresistentes Kostüm erhalten.

Bei all den anderen Filmprojekten, bei denen Horch zuvor mitgewirkt hatte, war das nie der Fall. Am schlimmsten aber traf es diesmal die einzige Frau am Set, die spärlich bekleidet, bei 10 Grad minus, für die nächste Szene tanzen musste. Allein schon vom zusehen fror Horch die Rosette zu. Aus diesem Grund war SIE es auch, die vom ganzen Team mit Hochachtung für die erbrachte Leistung bei solch “unvorhersehbar harten Witterungsbedingungen” gelobt wurde.

Nach einer kurzen Aufwärmphase folgte gleich die nächste Szene, die zur Freude aller, wieder im Innern gedreht wurde. Hierbei konnten sich Horch und seine Kollegen gemütlich in eine Ecke setzten und der Band bei der Arbeit zusehen. Die spielten ihr Stück in voller Länge, was alle Anwesenden in die meist nicht alltägliche Rolle versetzte, Besucher eines Mini – Privat – Konzerts´zu sein. Da diese Szene, wie alle anderen zuvor auch, mehrmals eingespielt werden musste, hatte Horch ausgiebig Zeit diesen Umstand zu genießen.

Die Sonne war schon lange hinterm Horizont verschwunden, als Horch sich für seinen letzten Einsatz vorbereitete. Die netten Mädels von der Requisite rückten das Kostüm wieder gerade.

Die Maskenbildnerin legte noch etwas Puder auf und schon war Horch wieder drehfertig. Wie vor jeder Aufnahme wurden noch einmal die einzelnen Rollen “trocken” durchgespielt, bevor es dann wieder hieß: “Ruhe bitte”. “Kamera?” – “Kamera läuft”. Worauf die wiederkehrende Aufforderung des Regisseurs an seinen Assistenten folgte: “Musik ab…. – ….uuund Action.”

Schneller als gedacht, war die Szene im Kasten und nachdem die letzte Klappe gefallen war, saßen alle Beteiligten noch eine Weile beisammen und quatschten über dies und das. Nach und nach

wurde einer nach dem anderen von der Requisite in den Urzustand zurückversetzt und auch die Maskenbildnerin entfernte die zuvor aufgebrachten, düsteren Gesichtsfarben. Nachdem sich alle voneinander verabschiedet hatten, setzte sich der Shuttle – Bus gen Heimat in Bewegung. Die einzigen die jetzt noch arbeiteten, waren Licht-/, Ton-/ und KameratechnikerInnen. Also genau die Gleichen, die schon am Morgen,

16 Stunden zuvor, bei der Ankunft von Horch und seinen Kollegen am schuften waren. Wie Horch dann aus geheimer Quelle erfuhr, sollten noch in der selben Nacht drei weiter Szenen abgedreht werden. Endlich zu Hause angekommen, fiel Horch völlig erschöpft in sein Bett und ließ den Tag mit einem Krimi vor dem Fernseher ausklingen.

Horch & Guck – Meisterspione a. D.-

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