Berlinale goes Eiszeit

Kreuzberger Kiez-Kino macht Karriere bei den Internationalen Berliner Festspielen

Beim dritten Anlauf hat es geklappt. Das Eiszeit Kino im Wrangelkiez (Zeughofstraße 20) wurde für die Veranstaltungsreihe „Berlinale goes Kiez“ ausgewählt und gehörte damit zu den offiziellen Festivalkinos der 64. Internationalen Berliner Filmfestspiele. Einen Tag lang war die Berlinale hier zu Gast, und die Organisatoren, Kinobetreiber und Besucher waren gleichermaßen glücklich über das Arrangement.

„Berlinale goes Kiez“ wurde 2010 zum 60. Berlinale-Jubiläum als zusätzliche Veranstaltungsreihe ins Programm aufgenommen, was von Anfang an hervorragend ankam. Die Berlinale wählt seitdem jedes Jahr sieben Kiezkinos in verschiedenen Bezirken aus, die jeweils für einen Tag eingebunden werden, mit rotem Teppich und allem drum und dran. Bewerben kann man sich dafür nicht. Für das Kreuzberger Eiszeit Kino interessierten sich die Verantwortlichen schon 2012 und 2013. „Aber da hatten wir noch einen gewissen Renovierungs- und Modernisierungsbedarf“, berichtet Geschäftsführer Rainer Krisp. Inzwischen sind alle wichtigen Renovierungsarbeiten erledigt, die beiden Kinosäle technisch auf dem neuesten Stand gebracht und somit endlich alle Hindernisse beseitigt. Die Eintrittskarten gingen, wie zu erwarten war, weg wie warme Semmeln. Im Internet war das Online-Kontingent in Sekundenschnelle ausverkauft, und die Karten an den zentralen Vorverkaufskassen waren innerhalb von Minuten vergriffen. Ein weiteres Kontingent bekam das Kino zum Direktverkauf, aber auch das war ganz schnell verkauft, so dass alle, die erst während der Berlinale darauf aufmerksam wurden, leider keine Chance auf eine Eintrittskarte mehr hatten. Gezeigt wurden zwei Vorführungen aus den Sektionen „Kulinarisches Kino“ und „Berlinale Shorts“, dem Kurzfilm-Wettbewerbsprogramm. Die Filme wurde von der Berlinale vorgegeben, aber die Auswahl hätte gar nicht besser sein können: Zum italienisch-kulinarischen Film Cavalieri della Laguna von Walter Bencini gab es im Anschluss ein passendes Menü in der Markthalle Neun, was durch die Nähe zur Eisenbahnstraße für die Besucher ganz ideal war. Und die Kurzfilmauswahl  passte ebenfalls hervorragend zum Eiszeit Kino: „Kurzfilm zeigen wir gern und viel. Das ist für die  ganzen Mitarbeiter hier eine leidenschaftliche Angelegenheit, neben dem Dokumentarfilm.“ Die  Leidenschaft für Dokumentarfilme zeigt sich im aktuellen Eiszeit- Kinoprogramm auf den ersten  Blick. Täglich läuft hier mindestens ein gut gewählter, künstlerisch und inhaltlich relevanter  Dokumentarfilm, an manchen Tagen sogar zwei, und das immerhin zur zweitbesten Sendezeit. Der Beleg für die Liebe zum Kurzfilm findet sich erst auf den zweiten Blick, ist dafür aber umso bemerkenswerter. Was früher gang und gäbe war, inzwischen aber nur noch in den wenigstens Kinos und bei den wenigsten Festivals gepflegt wird, ist hier Standard: Damit möglichst viele Kurzfilme dorthin kommen, wo sie hingehören, beteiligt sich das Eiszeit Kino an der Kampagne „Kurz vor Film – Mehr Vorfilme im Kino!“ und zeigt als Vorprogramm zum Hauptfilm regelmäßig einen kurzen Film. (Bravo! – Das ist angewandte Filmförderung.)

Sieger-Kurzfilm lief im Eiszeit Kino

Auch auf der Berlinale liefen früher Kurzfilme vor den Hauptfilmen, bis 2006 die Sektion für kurze  Filme gegründet wurde. Davon erhofft man sich bessere Möglichkeiten, neue Tendenzen ausfindig zu machen und die einzelnen Filme aufeinander wirken zu lassen. Zwei solche Trends zeichneten sich bei den Shorts an, zum einen als Stilmittel das Verwischen der Grenzen zwischen Fiktionalem und Dokumentarischem, wobei erst im Verlauf des Films klar wird, ob die Situation inszeniert wurde oder authentisch ist. Außerdem geht der Trend zum relativ langen Kurzfilm (zwischen 20 und 30 Minuten). Dazu gehört der Siegerfilm aus Frankreich, der mit dem Goldenen Bären für den besten Kurzfilm ausgezeichnet wurde: „Tant qu’il nous reste des fusils à pompe“ (As long as shotguns remain) von Caroline Poggi und Jonathan Vinel, der in der Kurzfilmauswahl im Eiszeit Kino zu sehen war. Besonders viel Aufmerksamkeit hatte von vorne herein der Film „Three Stones for Jean Genet“ von Frieder Schlaich, prominent besetzt mit der US-Musikerin Patti Lee Smith. Eine Weile hielt sich zudem das Gerücht hartnäckig, dass die Rock- und Punk-Ikone zur Vorstellung in Kreuzberg erwartet wird. Das wurde dann aber von offizieller Stelle dementiert.  „Insofern ist die Prominenz an uns vorüber gegangen. Aber das macht auch nichts“, meint Rainer Krisp. „Wir sind ein Hinterhofkino. Den Glamour können wir den großen Filmpalästen überlassen.“

jw

Untertext zum Foto:

Roter Teppich und großer Bahnhof für einen Tag. Das Berlinale Gastspiel im Eiszeit Kino war ein großes Fest für alle Beteiligten und ein voller Erfolg für das kleine Kino.

Info:

Das Eiszeit-Kino wurde bereits 1981 gegründet. Während der ersten vier Jahre war der Standort des Untergroundkinos allerdings in Schöneberg und erst seit 1985 in der Zeughofstraße im Wrangelkiez. Das Kinoprogramm ist breit gefächert, vom Kinderfilm am Nachmittag bis zum harten Horrorfilm am späten Abend, immer auch mit einem Anteil unangepasster Filme, jenseits der kommerziellen Trends. Kurzfilme im Vorprogramm: Welche Kurzfilme als Vorfilm laufen, ist nicht in der ProgrammÜbersicht ausgewiesen. Das kann man aber jederzeit aktuell auf der Kino-Website unter der Rubrik „Kurz vor Film“ nachsehen, oder natürlich an der Kinokasse erfragen.

Im Internet unter www.eiszeit-kino.de

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