Spätestens seit ihrem Auftritt in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau, hat die Punkrock-Band Pussy Riot internationale Berühmtheit erlangt. Dumm nur, dass sie diesen Erfolg hinter Gittern genießen müssen. Müssen? Dürfen, wäre wohl der bessere Begriff. Nicht nur, dass sie ihr „Punk-Gebet“ in dem zentralen Gotteshaus der Russisch-Orthodoxen Kirche vollzogen haben, das Zar Alexander I. aus Dankbarkeit über den hart und verlustreich errungenen Sieg über Napoléon Bonaparte 1883 errichten ließ, sie betraten zudem den Ambo (Kanzel), was ohne die ausdrückliche priesterliche Einladung nicht gestattet ist. Stelle man sich vor was geschehen wäre, wenn eine Gruppe von muslimischen Frauen, gekleidet wie die Mitglieder von Pussy Riot und sich in der gleichen Form, in einer Moschee im Iran, in Afghanistan oder in der Türkei, gegen den Staat und die Kirche gerichtet, geäußert hätten. Ich stelle die These auf, dass die jeweiligen „Punkrock-Bands“ kein weiteres Album aufgenommen, geschweige denn ein Musikvideo mehr gedreht hätten, da sie nicht lebend von dem Ort weggekommen wären, an dem sie ihr „Punk-Gebet“ durchgeführten. Dass Pussy Riot zudem die Mutter Gottes aufgerufen haben, Präsident Wladimir Putin zu verjagen, war aus Sicht der Anklage um Nadeschda Tolokonnikowa, Marija Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch wegen grober Verletzung der öffentlichen Ordnung (Rowdytum) nach Paragraph 213 des russischen Gesetzbuches anzuklagen
Vom letzten Journalisten, über Angela Merkel bis hin zum US-Präsidenten Barack Obama, übten alle Kritik an dem, durchaus überzogenen Urteil und vergessen die Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land. Hierzulande, sowie in den USA, sitzen tausende Menschen nachweislich unschuldig im Gefängnis. Beide Länder sind weltweit führend, wenn es darum geht, die Menschheit mit Waffen, Munition und alle dem zu versorgen, was zum Krieg führen dazu gehört. Ausgerechnet die Repräsentanten dieser beiden Länder wagen es Wladimir Putin Menschenrechtsverletzungen vorzuwerfen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte ebenfalls die Festnahme und Inhaftierung der Gruppenmitglieder und fordert deren sofortige Freilassung. Auch aus allen anderen Ecken der Welt erhält die Gruppe Sympathiebekundungen und Preise verliehen. Anhand folgender Gesetzestexte zeige ich auf, dass Pussy Riot auch hierzulande hätte strafrechtlicht verfolgt werden können, wenn sie ihren Auftritt im Kölner Dom, in der Münchner Marienkirche oder sonst wo in einer Kirche auf dem erzkonservativen und streng gläubigen bayrischen Ländle vollzogen hätte. Besten Falls hätten sich Bäuerinnen zusammengefunden und die Mädels mit Mistgabeln aus dem Dorf gejagt – schlimmsten Falls hätte sie ein rechtsstaatliches Gericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilen können. Führt man sich den Fall Pussy Riot nach Deutschem Recht vor Augen, erkennt Mann und auch Frau, dass die Mädels verdammtes Glück gehabt haben in einem, wie EU-Kommissar für Energie Günther Oettinger es bezeichnet hat, demokratisch oder geordnetem Land wie Russland nur eine Strafe von zwei Jahren Straflager zu erhalten. Ganz demokratisch wurde die Untersuchungshaft von sechs Monaten mit angerechnet.
Der Paragraph 105 Strafgesetzbuch (StGB),
(1) Wer
(2) ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder einen seiner Ausschüsse,
(3) die Bundesversammlung oder einen ihrer Ausschüsse oder
(4) die Regierung oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landesrechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt nötigt, ihrer Befugnisse nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Weitaus interessanter ist der folgende Gesetzestext aus dem StGB § 166
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Das die Haftbedingungen in einem russische Straflager weitaus unangenehmer sein werden, als die in deutschen Gefängnissen, ist naheliegend. Jedoch ist auch nicht jeder deutsche Knast so komfortabel eingerichtet, wie der auf Mallorca/Spanien. Von dort berichten Insassen von „angenehmen“, Wärter und Hilfsorganisationen von „zu angenehmen“ Haftbedingungen. Die Häftlinge begehen absichtlich kleine Straftaten, um in den klimatisierten und mit Fernsehen und Radio ausgestatteten Zellen verbleiben zu können.
Hätten Pussy Riot die Planung und Organisation besser durchdacht, wer weiß, vielleicht könnten sie, auf die Haftbedingungen bezogen, weitaus „angenehmer“ gastieren. Bevor wir das nächste Mal wieder die Vorgehensweise der Regimeelite anderer Länder kritisieren, sollte wir unsere eigene genauer betrachten. Ein Blick in die ausländischen Medien hilft dabei ungemein.