Während ich vor Ort das Ölbild vom Carloft in der Reichenberger Straße malte, reagierten Passanten meistens positiv auf mein Kunstwerk. Unabhängig vom Bild, waren viele aus der Nachbarschaft mit dem Carloft aus den logischen Gründen des Verdrängungsprozesses und aus ästhetischen Gründen nicht glücklich.
Wie schlimm es um die Nachbarschaft bestellt sei, kann man direkt von der Carloft-Webseite erfahren: „Stellen Sie sich vor, Sie verfügen über alle Annehmlichkeiten und Angebote des Stadtlebens ohne die Nachteile, die eine Großstadt mit sich bringt. Parkplatzsuche? Angst, dass ihr Auto beschädigt wird? Unsicherheit in dunklen Nebengassen und Tiefgaragen? Ohne auszusteigen werden Sie sicher und komfortabel in Ihrem Wagen direkt in Ihr Loft gebracht.i“ Sogar der Begriff „CarLoft®“ ist geschützt.
Die Teilnahme der Loftbewohner an den Angeboten des Stadtlebens aus einer „Gated Community“ii ist ein Widerspruch in sich, da eine nachbarschaftliche Interaktion durch eine erhöhte Security (Sicherheitsmaßnahmen) in mancher Hinsicht eingeschränkt wird: Die klassische Berliner Mischung wird aufgegeben. iii Neu hier ist die Errichtung eines abgetrennten Wohnbereichs direkt mitten in einem „Problembezirk“, wo andernorts, wie in Südamerika und in Russland, ein Standort außerhalb der Stadt bevorzugt wird. In meinem Ölbild passt der zentral-positionierte Wachhaus-Container farblich, kompositorisch und inhaltlich zu der, einer Fabrik angelehnten, Fassade.
Demgegenüber scheitert Ritter Finest Real Estate mit ihrer Philosophie, um „all Ihre Erwartungen möglichst zu übertreffen machen wir alles – außer Kompromisseiv“. In einem Präsentationsbild ihres Bauprojekts auf der Brache in der Cuvrystraße parkt ein Auto – in diesem Fall ein roter Porsche – schutzlos auf der Straße.
Gerade dieses Spannungsfeld in Kreuzberg suchten die Projektverantwortlichen des BMW Guggenheim Labs als Kulisse für ihr Entree in Berlin. Nach den erwarteten kritischen Stimmen und dem anschließenden Rückzug aus Kreuzberg ist ihr hinterhältiger Plan aufgegangen: So eine Inszenierung ist ein gefundenes Fressen für die ideenlosen Politiker, die jeglichen demokratischen, aber kritischen Widerstand als bedrohlich empfindenv. Der Pfefferberg stand immer als alternativer Veranstaltungsort bereit. Besonders perfide war die herbeigeführte Verunglimpfung eines ganzen Stadtteils, die die Lab-Organisation vermutlich billigend in Kauf genommen haben. Sie haben sich aus der inhaltlichen Diskussion heraus gehalten. Für das Lab lauert die Gefahr nicht so sehr in den „Nebengassen und Tiefgaragen“, sondern eher mitten in den offenen Diskussionsforen.
„Confronting Comfort“, das Thema des BMW Guggenheim Labs, wird auf deren Website als ein Konflikt des Individuums, in dem Streben nach dem trügerischen Komfort, in einer globalisierten, quasi homogenen und starren urbanen Umgebung beschrieben. „So beschäftigen wir uns weniger mit unserer unmittelbaren Umgebung, dem Alltagstrott in den Städten und nicht zuletzt dem schleichenden Gefühl, dass wir daran nichts ändern können.“ Diese Aussage beinhaltet in Bezug auf die Projektverantwortlichen einen großen Widerspruch, da sie gerade dieses Gefühl der Ohnmacht den Stadtteilorganisationen und vielen interessierten Bewohner hinterlassen haben. Vorgesehen war bloß ein eingeschränktes Mitwirken von Kreuzbergern an den Programmthemen. Weiter: „Urbane Umgebungen (…) unterliegen jedoch nach wie vor starrer programmatischer Städteplanung, Architektur und Infrastruktur.“ Bezeichnenderweise werden politische und wirtschaftliche Komponenten nicht erwähnt, welche überhaupt die „Beteiligung an der Gestaltung urbaner Systeme“ erst ermöglichen. Die Politik und die Wirtschaft bestimmen, trotz Volksentscheiden und -ideen, die Stadtplanung am Spreeufer, am Tempelhofer Feld, am Autobahnausbau. Oder gibt’s Bürgerbegehren für die komplette Übergabe dieser landeseigenen Flächen an private wirtschaftliche Interessen? Haben Kiezbewohner dafür gekämpft, dass die Kappungsgrenze bei Neuvermietung von Wohnraum abgeschafft wurde?
William Wires, April 2012