Die 1. Mai Demo – Fazit

„Die Unterdrückten bitten zum Gespräch“-Demonstration

Ich traute meinen Ohren nicht, als ich um kurz vor 13 Uhr am Bahnhof Halensee aus der S-Bahn stieg. Schon von weitem vernahm ich die Lautsprecherdurchsagen der Polizei, die aus der Richtung kamen, wo meine „Die Unterdrückten bitten zum Gespräch“-Demonstration stattfinden sollte. Als ich mich dem Ort des Geschehens näherte, konnte ich nicht nur hören, sondern auch sehen, was der Grund für den Aufruhr war. Hunderte KreuzbergerInnen waren meinem Aufruf zur „Die Unterdrückten bitten zum Gespräch“-Demonstration gefolgt und haben sich eingefunden, um im friedlichen Gespräch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern, die von der politischen und medialen Hetze gezogenen Gräben zu überwinden um eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Denn wieder unterbrach eine Lautsprecherdurchsage der Polizei die ansonsten, für Kreuzberger Verhältnisse, friedliche Stille. Unüblich war auch, dass die Durchsage nicht in Richtung der demonstrierenden Kreuzbergerinnen und Kreuzberger gerichtet war, sondern in Richtung der Villen und an die darin wohnenden beziehungsweise die davor Barrikaden bauenden Anwohner gerichtet war:

„Hier spricht die Polizei. Dies ist die dritte und letzte Warnung. Sollten sie weiterhin Barrikaden errichten, Brandsätze werfen und Feuerwerkskörper zünden, werden wir den Wasserwerfer und schweres Räumgerät zum Einsatz bringen.“

Als ich mich mit Schröder durch die Massen von DemonstrationsteilnehmerInnen hindurch geschoben hatte und nun in erster Linie vor den Beamten stand, sah ich das volle Ausmaß der elitären Abwehrmaßnahmen. Anscheinend hatte meine Flugblattaktion, die ich am Tag zuvor durchgeführt hatte und die auf mein Vorhaben am 1. Mai hingewiesen hat, die AnwohnerInnen in Rage versetzt. Anwälte, Fabrikanten, Manager, Diplomaten und Professoren hatten ihre Luxuskarossen als Barrikaden auf die Straße geschoben, quer gestellt und angezündet. Ein Phänomen, das man bisher nur aus Friedrichshain, Prenzlauer Berg oder Kreuzberg kannte: brennende Luxuskarossen, hatte nun auch das feine Grunewald erreicht. Hausfrauen, Mütter und Dienstmädchen waren damit beschäftigt Benzin aus den Rasenmähern abzuzapfen und es in die, in der Nacht zuvor geleerten Schampus-Flaschen zu füllen um Brandsätze zusammenzubasteln. Die Panik unter den Anwohnern zog immer weitere Kreise, als sie die immer zahlreicher erscheinenden KreuzbergerInnen in ihrem Luxus-Ghetto erblickten und die Polizei Mühe hatte, Herr der Lage zu werden. Die einzigen die richtig Spaß an der Sache hatten, waren die elitären Sprösslinge. Sie waren als überzeugte Regimegegner damit beschäftigt, die Pflastersteine aus der elterliche Terrasse herauszureißen und als Wurfgeschosse auf einen Haufen zu stapeln um jeder staatsfeindlichen Eskalation helfend zur Hand gehen zu können.

Dieser Ablauf der Demonstration entspringt selbstverständlich meiner blühenden Phantasie und kein Wort entspricht der Wahrheit. Aber so oder so ähnlich hätte es sein können, wenn ihr alle dabei gewesen wärt.

Die Wahrheit ist, dass ich zwar nicht ganz alleine vor Ort war, aber alle Anwesenden außer mir, mehr oder weniger gezwungen waren, sich einzufinden: Schröder wurde gar nicht erst gefragt und hatte somit keine Wahl. Dann war noch, Marek unser Kiez-Fotograf, mehr oder weniger freiwillig vor Ort, und Magda, die extra aus Magdeburg angereist war um diesem Ereignis beizuwohnen. Sie erpresste ich zur Teilnahme, mit dem Entzug meiner grenzenlosen Liebe zu ihr. Ganz zu schweigen von dem beachtlichen Polizeiaufgebot, welches auf Befehl von oben anzutreten hatte. Obwohl die Beamten nicht aus Berlin kamen und vom Inhalt meines Berichtes in Ausgabe 17 keine Kenntnis besaßen, waren sie diejenigen, die den Hintergedanken der Demonstration: „Das Wetter, die Ruhe und die gute Luft genießen“ zu einhundert Prozent umgesetzt haben. Die Besatzungen der insgesamt fünf Einsatzfahrzeuge waren hauptsächlich damit beschäftigt, die Tankstelle zu sichern, in der Sonne abzuhängen und Eis zu essen. Der Geländewagen der Polizei, der auf der geplanten Demonstrationsroute Streife fahren musste, hatte da weniger Glück.

Obwohl die ganze Aktion von mir viel zu kurzfristig geplant und völlig frei Schnauze durchgeführt wurde, haben wir zumindest unter den Anwohnern Aufsehen erregt und sogar ein Vertreter der Presse war vor Ort um sich zu informieren.

Revolutionäre 1. Mai Demonstration

Mit reichlich Verspätung, aber einem gut in Szene gesetzten Auftakt. Mit einer von allen Anwesenden beachtete Transparent-Enthüllung, Leuchtfeuer und Rauch begann die Revolutionäre 1. Mai Demo am Lausitzer Platz. Als Eröffnungslied ertönte Casper mit seinem Lied „Auf und davon“. Darauf folgte „Revolution in Paradise“ von Heath Hunter. Das war der Zeitpunkt an dem ich mich von der Demo verabschiedete und mich im Görlitzer Park niedergelassen habe um wohlverdient einen zu rauchen. In Erinnerung an vergangene 1. Mai Demonstrationen versunken, die frei von sensationshaschendem Demonstrations-Terror-Tourismus stattfanden, ließ ich den Tag ausklingen und erfuhr zu später Stunde von dem enttäuschenden Niedergang des revolutionären Demonstrationszuges.

Foto: Nancy

Bis zum 1. Mai 2013 – wenn es im beschaulichen Grunewald wieder heißt: „Die Unterdrückten bitten zum Gespräch“

Olly

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