Lokalkrimis kommen gut an und werden immer öfters geschrieben und gelesen. Als Romane verbreiten sie sich seit den 90er Jahren schwunghaft und schaffen es längst bundesweit in die Bestseller-Listen. Inzwischen machen auch die Medien mit Lokal-Krimi-Hörbüchern und Verfilmungen gute Geschäfte. Nach dem gleichen Rezept hat die Berlinerin Sibylle Meyer einen lokalen Horror-Roman geschrieben. Ihr Erstlingswerk „Der Weg des Bösen“ spielt an bekannten und eindeutig benannten, realen Orten in Berlin. Vorwiegend – etwa zu 90 Prozent – in Berlin-Kreuzberg, der Rest in anderen Bezirken der Stadt.
Wie jemand, der sich 465 Seiten lange Horrorgeschichten ausdenkt, wirkt Sibylle Meyer auf den ersten Blick überhaupt nicht. Zum Interview kommt sie nicht etwa mit Gothic-Outfit und schwarz lackierten Fingernägeln, sondern in grüner Gärtnerkluft. Denn in erster Linie verdient sie als Landschaftsgärtnerin ihr Geld und hat inzwischen auch eine eigene Firma – einen kleinen Betrieb mit vier Leuten. Das Schreiben ist für sie nur ein Nebenberuf, aber ein sehr wichtiger.
Sibylle Meyer wurde 1960 in Kreuzberg geboren, ist hier aufgewachsen und hat auch lange hier gelebt. Mit dem Scheiben hat sie ganz früh angefangen: „Vermutlich als ich gelernt hatte, einzelne Buchstaben zu ganzen Sätzen zusammen zu setzen. Ich weiß noch, wie unsere Klassenlehrerin – es war wohl in der zweiten Klasse – mit uns zum ersten Mal in eine öffentliche Bücherei gegangen ist. Ich wusste sofort: Das ist meine Welt! Wenn ich alle Bücher, die ich in meinem Leben gelesen habe, im einem Haus zusammentragen würde, hätte ich wohl meine eigene öffentliche Bücherei.“
„Meine erste Geschichte, die ich dann auch eingesandt hatte, habe ich im Alter von zehn Jahren geschrieben. Sie handelte von einem kleinen Cockerspaniel und war etwa zwölf A4-Seiten lang. Natürlich ist daraus nichts Großes geworden, aber ich habe mein Leben lang weiter geschrieben. Erst Mal nur für mich, meine Familie und Freunde.“
Inzwischen hat Sybille Meyer noch ein Sachbuch veröffentlicht, über Haustiere aller Art, „alles, was vier Pfoten oder Flügel hat“, das ihr sehr wichtig ist. „Ich hatte mein Leben lang Tiere, immer waren es entweder ausgesetzte Tiere oder aber sie wurden einfach so mal weggegeben, weil man sie nicht mehr brauchte. Dagegen etwas unternehmen zu können, ist mein größter Wunsch.“
Gut möglich, dass ihr Buch jetzt im einen oder anderen Fall tatsächlich dazu beiträgt, dass der Mensch mit seinem Haustier besser umgeht und an Aussetzen oder Weggeben gar nicht mehr denkt.
Tierfreundin und Horror-Fan
Ihre Vorliebe als Leserin gilt aber schon lange der Horror- und Fantasy-Literatur. Lieblingsautoren sind Anne Rice, Marion Zimmer-Bradley und Wolfgang Holbein. Und der erste Roman, den sie 2009 über ‚Books-on-Demand‘ veröffentlicht hat – „Der Weg des Bösen“ – ist ihr erster eigener Horror-Roman. Ein Jahr Arbeit steckt in den 465 Seiten und das für Horrorbücher absolut ungewöhnliche Konzept, mit echten Schauplätzen, die die Autorin selbst gut kennt: Beginnend in der Yorckstraße und quer durch ganz Kreuzberg. Am Großen Stern kommt es schließlich zum Showdown von Gut und Böse: „Alles ist mit drin, allerdings vor 20 Jahren.“ Auch von der Grenzöffnung ist die Rede und von den Unruhen am 1. Mai, als es in Kreuzberg besonders hoch herging, mit rücksichtslosen Straßenschlachten zwischen Autonomen und Polizei.
Die Schauplätze sind also echt, die Personen frei erfunden. Nach bewährtem Strickmuster von Fernseh-Soaps kommen alle möglichen Berufs-, Alters- und Bevölkerungsgruppen vor – Multi-Kulti vom Schweden bis zum Inder, Professoren und Obdachlose, Homosexuelle und ungewollt Schwangere, Hausbesetzer, Punks, Skinheads und in den Hauptrollen ein sympathisches junges Pärchen und zwei markige Kommissare. Dazu kommt ein halbes Dutzend diverser Haustiere, denn ohne die geht bei Sibylle Meyer nämlich gar nichts. Auf der Gegenseite treiben, wie es sich für einen Horrorroman gehört, fiese Monster und Bestien ihr Unwesen, Leichen verschwinden auf unerklärliche Weise aus ihren Gräbern und parapsychologische Phänomene machen den Menschen im Allgemeinen und den Romanhelden im Besonderen das Leben schwer.
Ohne Risiken und Nebenwirkungen
Der Selbstversuch am zartbesaiteten Leser (also bei mir) hat gezeigt, dass man das Buch trotzdem ohne bleibende Folgen und sogar ohne Alpträume konsumieren kann.
Obwohl dauernd richtig schlimme Dinge passieren und innerhalb der ersten 100 Seite bereits elf Menschen auf brutale Art und Weise zu Tode kommen, ist das Grausige (zum Glück!) so unwahrscheinlich, dass man gar nicht in Versuchung kommt, so was im richtigen Leben zu befürchten.
Nervig ist es beim Lesen, wenn die Autorin stellenweise gar zu ausführlich die Befindlichkeiten ihrer Figuren beschreibt oder wenn Fehler im Text – grade dort, wo es besonders spannend wird – ablenken.
Alles in Allem bietet „Der Weg des Bösen“ jedenfalls viel Lesestoff und eine insgesamt klug gestrickte Story, die bis zum Schluss immer wieder für Überraschungen gut ist, ohne Risiken und Nebenwirkungen, besonders reizvoll für ortskundige Kreuzberger.
„Der Weg des Bösen“, Taschenbuch mit 468 Seiten, Verlag: Books on Demand
ISBN-10: 3837040054 und
ISBN-13: 978-3837040050,
erhältlich bei Amazon.
Leseprobe unter:
http://www.sibyllemeyer.de/leseprobe-1.html
Weiteres auf der Autorenseite von Sibylle Meyer bei Amazon.
Geschrieben von Jutta Wunderlich